2008-06-14
Am 21. Juli, sieben Jahre nach den Ereignissen des G8 2001 in Genua, wird das
Urteil im Verfahren zu der Folter erwartet, die circa 300 während der
Protesttage festgehaltene oder gefangengenommene und in die Bolzaneto-Kaserne
geführte DemonstrantInnen erlitten haben. Bolzaneto wurde an jenen Tagen zu
einem temporären Gefängnis
umfunktioniert.
Im 2005 begonnenen Verfahren sind 45 Personen angeklagt: es handelt sich von
Beamten und Leiter der Staatspolizei, Carabinieri, Gefängnispolizisten, Ärzte
und Krankenpfleger der
Gefängnisverwaltung.
Ihnen wird Amtmissbrauch, Autoritätsmissbrauch gegen Festgenommene, Nötigung,
Misshandlung, Drohung und Fälschung vorgeworfen. Die Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft basieren auf Zeugenaussagen der Festgenommenen sowie
Aussagen von zwei Krankenpflegern und zwei Gefängnispolizisten, die als erste
im Januar 2004 zugaben dass Gewaltaktionen in der Kaserne stattgefunden
hatten.
Die Aussagen der Festgenommenen, auch NebenklägerInnen im Verfahren, ergaben
eine Horrorerzählung von Schlägen, Beleidigungen, faschistischen Parolen und
systematischen Demütigungen der wegen ihres Zustands harmlosen Menschen
hervor.
Nach der Rekonstruktion der Staatsanwaltschaft wurde in Bolzaneto gegen den
dritten Artikel der europäischen Menschenrechtskonvention verstossen, der
Folter und unmenschliche und unwürdige Behandlungen verbietet. Trotzdem ist
das italienische Strafgesetzbuch im Sinne der Konvention noch nicht verändert
worden und beinhaltet keinen spezifischen
Folterparagraph.
Zusammen mit der Repression auf den Straßen und der Stürmung der Diaz-Schule
am Abend des 21. Juli stellt Bolzaneto eine der Etappen des Prozesses dar, der
den von der Antiglobalisierungsbewegung ausgedrückten Dissens zerstören will.
Während der Tage, an denen dieses temporäre Gefängnis errichtet war, wurden
den Gefangenen weder die Anklagen gegen sie noch ihre Rechte mitgeteilt, es
wurde ihnen jeglicher Kontakt mit AnwältInnen, Verwandten und, im Fall der
AusländerInnen, mit den Konsulaten
gewährt.
Die Menschen, die durch Bolzaneto gingen, wurden de facto gekidnappt.
Bolzaneto ist kein isolierter Fall der Suspendierung des Rechtsstaates
gewesen, sondern eine immer häufiger werdende Episode unter anderen, auf
globaler Ebene bekannten, wie Guantanamo, Abu Ghraib oder die “Extraordinary
Renditions”.
Der G8 in Genua wurde von Amnesty International als “die größte
Außerkraftsetzung der demokratischen Rechte in einem westlichen Land seit dem
Ende des zweiten Weltkriegs”
bezeichnet.
Auch wenn ein endgültiges Urteil wegen der Verjährungsfristen nie erreicht
werden wird, würde eine Verurteilung im ersten Grad die physischen und
moralischen Schäden, die die NebenklägerInnen erlitten haben, und ihre
ökonomische Entschädigung
anerkennen.
Wir wollen, dass der nächste Juli ein Anlass darstellt, um die die Tage der
den G8 2001 kennzeichnenden Ereignisse zu skandalisieren, und eine Gelegenheit
für alle diejenigen, die nicht vergessen werden wollen, sich Gehör zu
verschaffen.
Genua, Juni 2008
www.processig8.org