2008-06-03
Erneut steht in diesem Jahr die Verlängerung des Vertrag zur Nutzung der Bardenas an. Im südlichsten Zipfel des Baskenlands werfen hier die Nato-Flugzeuge mitten in einem Naturschutzgebiet ihre Bomben ab und schießen auf Flugzeuge, Panzer und Feuerwehrfahrzeuge, die in der Wüste als Ziele abgestellt sind. Seit langem wird versucht, den Abzug der Militärs zu erreichen. Erneut demonstrieren am Sonntag knapp 1000 Menschen gegen das Bombodrom.
Meist scheint alles friedlich im Naturpark in der Provinz Navarra. Der Schein trügt. Plötzlich schießen Bomber bodennah heran und laden ihre tödliche Fracht ab: Mitten im Naturschutzgebiet. Seit Jahrzehnten gibt es Streit um das Bombodrom, denn die Bardenas sind das einzige Schutzgebiet, das einen Bombenabwurfplatz beherbergt. Wegen der klimatischen Bedingungen der Wüste kann die Nato hier fast das ganze Jahr über üben.
Nun wird der Streit wieder besonders heftig um die Bardenas geführt, die am Fuß der Pyrenäen liegen, wo der südliche Zipfel Navarras auf die trockenen Ebenen von Aragon trifft. Zum Jahresende läuft erneut der Nutzungsvertrag des spanischen Verteidigungsministeriums aus, welches ihn erneut mit allen Mitteln verlängern will und mit Enteignung droht, weil es keine Alternativen gäbe. Gegen die Verlängerung demonstrierten am Sonntag knapp 1000 Menschen durch die Wüste, um am Militärgelände, wie jedes Jahr, den Abzug zu fordern.
Zuletzt war der Vertrag 2001 ausgelaufen, mit dem der Diktator Franco zuvor die Nutzung des Gebiets über 50 Jahre diktiert hatte. Der Diktator hatte den Bauern 1951 genau 2222 Hektar Land abgenommen. Als Gegenleistung erhielten die eine geringe Entschädigung von 20.000 Peseten im Jahr. Damals trauten sich niemand, gegen die gefährlichen Luftmanöver aufzubegehren, die das innere einer von Erosion geprägten bizarren Mondlandschaft zum Bombenabwurfgelände degradiert hatten. Die bildete sich, nachdem der Mensch die Gegend in den letzten eintausend Jahren restlos abgeholzt hat. Auf etwa 500 Quadratkilometern entstand in einem sehr trockenen Mikroklima eine durch Erosion geprägte bizarre Wüstenlandschaft, in der viele bedrohte Tier und Pflanzenarten einen Lebensraum fanden.
Das Schweigen fand mit dem Tod des Caudillos 1975 sein Ende. „Am Ende der Diktatur blühten die Ökologie- und die Antimilitaristische Bewegung auf, füllten sich die Strassen mit Menschen die das Bombodrom mit noch verbotenen Demonstrationen in Frage stellten“, beschreibt die Gegnerin Milagros Rubio die Stimmung damals. Es war die Zeit der Hoffnung, des Aufbruchs im Übergang von der Diktatur zur Demokratie. Rubio war zwischenzeitlich Parlamentarierin im Regionalparlament von Navarra und sitzt heute im Stadtrat von Tudela. Sie war damals Teil der Bewegung, die gegen eine Verlängerung des Nutzungsvertrags ankämpfte, der 1976 nach 25 Jahren ausgelaufen war.
Nun war Präsident Carlos Arias Navarro zuständig, der vom König Juan Carlos I eingesetzt worden war. Doch der war schon unter Franco Präsident des Landes und er genau wurde vom König wieder als Chef der Übergangsregierung eingesetzt, nachdem Franco die Monarchie für seine Nachfolge restauriert hatte. Nichts sollte sich ändern im spanischen Staat, alles war "gut festgezurrt" und das galt auch für die Bardenas. So wundert es eigentlich nicht, wenn Arias den Vertrag mit den Militärs um weitere 25 Jahre verlängert und so gingen auch der Widerstand und die Repression weiter. Am Weltumwelttag 1979 in Tudela, der Heimatstadt von Rubio, ging die Polizei brutal gegen ein Widerstandsfest vor. Die junge Frau, Gladys de Estal, wurde bei einer Sitzblockade von einem Mitglied der Guardia Civil durch einen Genickschuss regelrecht hingerichtet. „Ich hatte das Unglück und das Glück sie in den letzten Stunden ihres Lebens zu begleiten“, beschreibt Rubio eine der zwiespältigsten Erfahrungen ihres Lebens. Ihr Tod eine Verpflichtung den Kampf fortzusetzen.
Doch heute werden die Stimmen gegen das Bombodrom auch in Navarra und in Aragon immer stärker. Das Regionalparlament von Navarra hat sich im März einstimmig für den Abzug der Militärs aus der einzigartigen Felslandschaft ausgesprochen. Allerdings sind das von der Rechten UPN, deren Koalitionspartner CDN und von den Sozialisten PSOE nur Lippenbekenntnisse, weil die Bevölkerung das Bombodrom ebenfalls fast einstimmig ableht. Wenn es darum geht, ernsthaft Schritte zu gehen, knicken die drei Parteien ein, die Sozialisten schon deshalb sofort, weil die sozialistische Zentralregierung an dem Übungsplatz mit allen Mitteln festhalten will.
"Wenn die Nato irgendwo angreifen will, wissen wir es zuerst“, sagte die Sprecherin der Antibombodrom-Initiativen, Rubio. Wenn auch nachts in den Bardenas gebombt werde, stehe ein Einsatz mit spanischer Beteiligung, wie zuletzt im Irak, bevor, sagte die Stadträtin der baskischen Koalition "Nafarroa Bai" im nahen Tudela. Neben der Umwelt sorgen sich die Menschen hier um ihre Sicherheit und Gesundheit. Bei etlichen Abstürzen haben Dutzende Piloten das Leben verloren und ein Schäfer wurde durch eine Bombe getötet. Dazu kommt die radioaktive Strahlung, vor der sich die Bevölkerung fürchtet. Es ist bekannt, dass die Krebsrate in der Gegend deutlich erhöht ist. Es wird davon ausgegangen, dass auch hier mit Geschossen geübt wird, die abgereichertes Uran enthalten.
Der Rat der Bardenas, der über die weitere Abtretung an die Militärs zu entscheiden hat, lässt eine Studie erarbeiten, um die radioaktive Belastung zu untersuchen. Mehrfach wurden Studien des Verteidigungsministeriums angefordert, die aber stets verweigert wurden. Die Gegner hoffen, dass die neue Studie mit "wissenschaftlicher Genauigkeit" und von "Spezialisten" ausgeführt wird. Die Vereinte Linke (IU) fordert, dass der Präsident des Rats José Antonio Gayarre und die Verteidigungsministerin Carme Chacón im Parlament Rechenschaft ablegen. Es sei "nicht zu tolerieren", dass das Ministerium "Informationen verborgen hält" und das bisher vom Bardenasrat toleriert wurde. Es wird befürchtet, der listige Gayarre wolle letztlich nur die Pacht in die Höhe treiben.
Der hat ohnehin eine spezielle Sichtweise auf das Gebiet. Das Mitglied der rechtsradikalen UPN, seit fast 30 Jahren Chef des Bardenasrat, der 19 Gemeinden, zwei Täler und ein Kloster vertritt, die im 9. Jahrhundert die Rechte zur Nutzung der Bardenas zugesprochen bekamen, erklärt sich offiziell zum Gegner des Bombodroms, wegen der großen Ablehnung in Navarra. Das Mitglied er Regionalregierung erklärte: "Da wir das Bombodrom bisher nicht auflösen konnten, haben wir die Bardenas zum Naturpark erklärt, um das spanische Militär unter Druck zu setzen, und werden sie zum Biosphärenreservat erklären".
Doch in Wirklichkeit sieht er keinen Widerspruch zwischen Naturpark und dem Bombodrom, wohl solange die Millionen in die Kassen des Bardenasrats fließen: "Das Bombodrom liegt in einem Naturpark, aber man muss bedenken, dass der Luftwaffe 1951 die Nutzung gewährt wurde, der Naturpark wurde aber erst 1998 gegründet. Tatsächlich ist es also ein Naturpark in einem Bombodrom und nicht anders herum".
Ralf Streck, den 03.06.2008