2008-04-24 

Konfetti und Gewalt - 1500 Polizisten üben den Ernstfall in Oldenburg

Auf die Polizisten regnete es Konfetti - aber auch Wurfgeschosse. Bei der größten Polizeiübung in der Geschichte Niedersachsens haben mehr als 1500 Beamte am Mittwoch in Oldenburg den Ernstfall trainiert.

In realistischen Szenarien mit rund 500 Statisten aus den Reihen der Polizei mussten die Uniformierten schnell und vor allem umsichtig handeln. Auf engstem Raum hatten sie auf Gewalt, aber auch auf friedlichen Protest zu reagieren. Vorbilder für die Großübung waren nach Polizeiangaben Demonstrationen, zu denen es etwa beim Castor-Transport oder dem G8- Gipfel gekommen war.

Acht Hundertschaften der Bereitschaftspolizei, Spezialkräfte sowie Hunde- und Reiterstaffeln hatten sich auf dem ehemaligen Fliegerhorst der Bundeswehr versammelt. Auch Beamte aus Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern waren dabei. Die Übung startete gleichzeitig an vier Orten. Das Drehbuch war den Einsatzkräften nicht bekannt.

Polizeiübung

Punkt 10 Uhr beginnt die Übung: Ein erster Funkspruch führt 30 Polizisten zu einer Straßenbarrikade aus Baumstämmen, hinter der sich rund 60 Vermummte verschanzt halten. Sie entzünden die Barriere, werfen Holzklötze und Böller auf die Mannschaftswagen. Die Polizei hält sicheren Abstand und fordert Verstärkung an. Reiter und weitere Kollegen mit Helmen und schweren Körper-Protektoren treffe ein. Die Protestler entzündeten Rauchbomben, die Situation an der Barrikade wird zusehends chaotisch. Sprechchöre hallen über ein Megafon:
„Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“, skandieren die meist schwarz gekleideten Demonstranten, die von Polizisten dargestellt werden.

„Ein Lerneffekt dieser Übung besteht auch im Perspektivenwechsel“, sagt Polizeisprecher Karsten Wolff aus Hannover. Es sei gut, dass sich Polizisten auch einmal in der Rolle der Demonstranten sähen. An der Barrikade schallt über acht Lautsprecher derweil die erste „Polizeiliche Auflösungsverfügung“. Es hagelt neue Holzklötze. Zwei Polizeigruppen signalisieren, dass die Barriere nicht seitlich zu umgehen ist. Ein Wasserwerfer und ein Räumfahrzeug rollen an, weitere Aufforderungen zur Versammlungsauflösung folgen - so will es das Gesetz. Die Polizei hält das Vorgehen auf Video fest.

Plötzlich stürmen 15 als Clowns verkleidete Demonstranten hinter einem Haus hervor. Sie protestieren friedlich, werfen den Polizisten Konfetti auf den Helm oder blasen ihnen Seifenblasen vors Visier. Ein Clown mit Weihnachtsmannmütze putzt einem Polizisten mit einer Klobürste die Stiefel. Eine solche „Clowns-Armee“ war auch bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm vertreten. Die Polizisten umringen die Kostümierten und drängen sie sanft zur Seite. Nur Meter daneben schlagen Holzklötze ein. Schließlich löscht ein Wasserwerfer die brennende Barrikade, ein Räumfahrzeug prescht vor und rund 80 Polizisten können die gewalttätigen Demonstranten einkesseln.

In den folgenden Stunden gilt es unter anderem noch, besetzte Busse und Häuser zu räumen. Zur Halbzeit am Mittag ziehen Alfred Soetbeer, Präsident der Zentralen Polizeidirektion in Hannover, und der Einsatzleiter der Großübung, Peter Wempe, eine positive Bilanz. „Die heutige Übung war von realen Herausforderungen kaum zu unterscheiden“, sagt Soetbeer. Die einzelnen Einheiten hätten reibungslos zusammengearbeitet. Laut Jürgen Schubert, dem Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, sind die Bereitschaftspolizeien rein rechnerisch jeden dritten Tag in einem anderen als ihrem eigenen Bundesland unterwegs.