2008-04-02 

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Nato-Gipfel in Bukarest

Kassel/Hamburg, 2. April 2008 – Zum NATO-Gipfel, der zur Zeit in
Bukarest stattfindet, erklären die Sprecher des Bundesausschusses
Friedensratschlag, Lühr Henken und Dr. Peter Strutynski:

Auch wenn der Nato-Gipfel in Bukarest keine neuen strategischen Konzepte
für das Militärbündnis verabschieden wird, wird er Entscheidungen
treffen, die seinen weiteren Weg programmieren. Hierzu zählt einmal das
Ja zum sog. “Raketenschirm” der USA, das aus zwei Bestandteilen besteht:
der Installation einer Radaranlage in Tschechien und der Dislozierung
von zehn Abfangraketen in Polen. Diese angeblich gegen eine Bedrohung
aus Iran oder Nordkorea gerichtete Rüstungsmaßnahme zielt in Wahrheit
gegen Russland, das sich von der NATO immer mehr in die Defensive
gedrängt fühlt.

Bild: Bukarest

Dies umso mehr, weil zum anderen die USA auf die Aufnahme weiterer
ehemaliger Sowjetrepubliken drängt: Mit der Ukraine und Georgien würde
ein enger und fast lückenloser Ring von Nato-Staaten um die Russische
Föderation gezogen. Alle Beteuerungen des Westens, mit Russland auf der
Basis gleichberechtigter und partnerschaftlicher Beziehungen
koexistieren zu wollen, sind das Papier nicht wert, auf dem sie
geschrieben sind. Ein neues Wettrüsten zwischen den Nato-Staaten und
Russland wird die notwendige Folge sein. Russland hat bereits
angekündigt, die Raketenabwehrbasen mit eigenen Raketen ins Visier zu
nehmen.

Die Eile, mit der US-Präsident Bush sowohl die Osterweiterung als auch
die Errichtung der Raketenabwehr voran treiben will, ist nur zum Teil
mit dem Auslaufen seiner Amtszeit zu begründen. Beide Projekte sind auch
bei seinem Nachfolger unwidersprochen, gleichgültig ab es John McCain,
Hillary Clinton oder Barack Obama sein wird. Es geht vielmehr um die
zügige Realisierung einer irreversiblen strategischen Überlegenheit des
Westens gegenüber den potenziellen globalen Kontrahenten Russland und
China.

Schon heute tätigen die NATO-Staaten rund 70 Prozent der weltweiten
Militärausgaben. Das schlägt sich in einer drückenden Überlegenheit auf
den Weltmeeren nieder: Die NATO-Staaten haben zweieinhalbmal so viele
Überwasserkampfschiffe und 50 Prozent mehr U-Boote als China und
Russland zusammen. Aber auch die Lufthoheit gehört der Nato: Sie verfügt
über 50 Prozent mehr Kampfflugzeuge und über das Dreieinhalb-fache an
Kampfhelikoptern wie Russland und China zusammen. Dazu kommt ein
Zwölffaches (12-faches!) an Tankflugzeugen zur weltweiten Betankbarkeit
von Kampf- und Transportflugzeugen während des Fluges.

Die Neuausrichtung der NATO hat schon bei früheren Gipfeln (insbesondere
Prag) eine Rolle gespielt und wird in Bukarest nur weiter unterstrichen:
Das einstmalige Verteidigungsbündnis Nato wird in ein weltweit
einsetzbares Interventionsbündnis transformiert. Längst sind als
mögliche künftige Partner zur Einkreisung Chinas vom Pazifik her Japan
und Australien im Gespräch.

Die Nato ist nicht mehr das, was sie war, der Nato-Vertrag von 1949 ist
nur noch ein Fetzen Papier. Die logische Folge der Auflösung des
Warschauer Vertrags, dem einstigen Militärbündnis der osteuropäischen
sozialistischen Staaten, 1991 wäre die Selbstauflösung der Nato gewesen.
19 Jahre danach stellt sich die Frage der Auflösung der Nato erst recht,
ist sie doch selbst zu einer Bedrohung der Welt geworden.

Schon vor Beginn des Gipfels in Bukarest ist durchgesickert, dass der
Jubiläums-Gipfel 2009 nicht in Washington, sondern in Europa stattfinden
wird, und zwar in der französischen Stadt Strasbourg und im deutschen
Kehl auf der anderen Seite des Rheins. Der französische “Mouvement de la
paix” und der Bundesausschuss Friedensratschlag sind am Mittwoch
übereingekommen, den Doppelgipfel im Frühjahr nächsten Jahres zum Anlass
für eine gemeinsame internationale Protestaktion zu nehmen. Die
Friedensbewegung vertritt entschieden den Standpunkt, dass die Nato
einen historischen Anachronismus darstellt. 60 Jahre NATO sind genug!

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Hamburg
Peter Strutynski, Kassel

Bei Rückfragen:
P. Strutynski: Tel. mobil: 0160 976 28 972; dienstl. 0561/804-2314;
L. Henken: 040/222629

Empfehlung:
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Uni Kassel mit umfassenden Berichten und Analysen zu allen
Konfliktgebieten der Welt: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/