2008-02-17 

some militant activists: diskussionsbeitrag zur militanzdebatte

in diesem beitrag soll es kurz um unsere einschätzung zu einigen aktuellen beitragen zur militanzdebatte und um einige entwicklungen in der militanten linken nach dem g8 gipfel gehen. wir wissen, dass dieser abriss einige beitrage nur anreisst und andere ganz ignoriert, wir haben aber erstmal nur über das geschrieben, was uns am meisten unter den nägeln brennt.
wir denken, dass, wenn wir als militante linke jenseits des g8 spektakels ernst genommen werden wollen, es gerade jetzt, nach dem event wichtig ist weiterzumachen und die verstärkt bereitschaft zur militanten aktion und die diskussion darüber weiter zu entwickeln, die, von einigen gruppen aufgeworfene frage, ob vor dem g8 eine militante kampagne stattgefunden hat, oder nicht ist für uns erstmal zweitrangig, wir halten es für bedeutsamer, die diskussionen über mögliche kampagnen, strukturen und inhaltliche schwerpunkte fortzusetzen, offensichtlich ist, dass es eine ganze menge sehr unterschiedlicher aktionen und diskussionsbeiträge zur (militanten) mobilisierung gab. wir möchten nun zunächst auf verschiedene beiträge eingehen.

Bild: HRO

zur broschüre “texte zur mobilisierung gegen den g8-gipfel 2007” :

an der broschüre fanden wir die intensive auseinandersetzung mit dem kapitalismus, gerade auch zur vermeidung einer “verkürzten” kapitalismuskritik sehr interessant, wir stolperten dann allerdings über den text “notwendigkeit der Organisierung.” an diesem text ist uns aufgestoßen, dass hier, wie von vielen gruppen, die klassische trennung zwischen haupt- und nebenwiderspruch aufgemacht wird, es wird viel von der Zerschlagung des kapitalistischen systems und der vergesellschaftung der Produktionsmittel geredet. für diesen prozess soller antifa und antira gruppen die politische basis bilden, die politikfelder dieser gruppen werden aber als nebensächlichkeit im kampf gegen den kapitalismus und also folglich als nebenwiderspruch abgetan, frauen—, lesben—, queer— und transgenderzusammenhänge werden hier nicht einmal mehr erwähnt. dabei sollte es doch längst zu den linksradikalen
grundkenntnissen gehören, dass patriarchale und/oder rassistische gesellschaftsformen genau wie antisemitismus auch jenseits des kapitalismus existieren können.

“verhältnisse in denen du ein privilegierter teil bist, sind nicht ohne eigenen machtverlust revolutionierbar” (zitat, klaus viehmann “3 zu 1”)

nach wie vor halten wir die triple opression theorie/praxis für die fortschrittlichste/ emanzipatorischste theorie der letzten Jahrzehnte, jede gruppe, egal ob antipat oder antifa sollte für sich erkennen und diskutieren können, dass patriarchat, kapitalismus, rassismus und antisemitismus sehr gut ineinandergreifend funktionieren und niemals unabhängig voneinander betrachtet werden können.
wir halten zudem einzelne gruppen mit unterschiedlichen schwerpunkten für absolut legitim und notwendig, denn nur so können verschiedene zusammenhänge voneinander lernen, ohne sich z.b. an weißen, deutschen heteros/as abarbeiten zu müssen.
viel wichtiger als der kampf um einen vermeintlichen hauptwiderspruch ist es doch unter gegenseitiger bezugnahme teilbereiche (den oft gescholtenen “gemischtwarenladen” siehe u.a. den text von “einige kommunistInnen”, Interim) miteinander in bezug zu setzen und damit in einen plattformprozess einzutreten, um unsere militante kritik an den verhältnissen gebündelt deutlich zu machen und die verhältnisse immer wieder radikal in frage zu steiler doch zurück zur kritisierten broschüre (“texte zur mobilisierung gegen den g8-gipfel 2007”) wir halten es ebenfalls für unangemessen, wie sich zur antideutschen bewegung positioniert, denn diese ist nicht homogen, wie in dem artikel unterstellt wird, antideutsche guppen lediglich als “selbstherrliche (…) besserwisserische kritiker ohne perspektive” darzustellen, dient den autorInnen nur zur diskreditierung ungeliebter politischer Positionen um sich nicht tiefer gehend mit bestimmten fragen auseinandersetzen zu müssen. sicherlich gibt es an vielen antideutschen gruppen berechtigte kritiken. gerade die kritik der selbstherrlichkeit und des besserwissertums könnte aber symptomatisch für einen großteil des in der linken üblichen stils der auseinandersetzung stehen, es ist für eine ernsthafte politische auseinandersetzung nicht zweckmäßig und zudem ein unding politische Positionen mit dem etikett antideutsch (oder aber in anderen fällen auch antiimp) zu brandmarken, um sich damit pauschal einer beschäftigung mit den jeweiligen Inhalten zu entziehen. insbesondere die kritik am innerlinken und gesellschaftlichen antisemitismus, sowie das Bewusstsein um die notwendigen konsequenzen aus dem ns, also Inhalte, die oft gerade auch (aber sicher nicht nur) von antideutschen gruppen getragen werden kamen bei der mobilisierung zum g8 viel zu kurz, ein mehr an antifaschistischen aktionen hätte den gegenaktivitäten verdammt gut getan. so wurde gebetsmühlenartig bei der bevölkerung, der gipfel berührten städte und regionen um verständnis geworben und die gipfelgegnerInnen aufgefordert, mit der bevölkerung gemeinsam zu protestieren.
ALLE die wut auf g8 haben” sollten kommen und so fühlte sich auch der udo voigt von der angesprochen:

“wir werden uns an die spitze der deutschen friedensbewegung und aller globalisierungsgegner stellen” (Zitat: Udo voigt, NPD)

dies wurde kaum wahrgenommen, schnell wurde verdrängt, in was für einem bundesland und was für einer bevölkerung die aktivistInnen sich hier anbiedern wollten, über das bundesland Mecklenburg vorpommern, welches die npd mit über 7% in den landtag wählte, wurde kaum ein wort verloren, es ist für seine neonazistischen übergriffe und mobilisierungen bekannt. schulklassen und UrlauberInnen, die nicht “deutsch” genug aussehen wird vom besuch abgeraten, da ihnen ihre körperliche Unversehrtheit nicht garantiert werden kann, große gebiete können im nazi jargon als “national befreite zonen” bezeichnet werden. nur eine woche nach dem g8 gipfel kam es zu auseinandersetzungen vor einer rostocker nazikneipe, ein paar tage darauf wurden menschen, die auf dem weg von einem festival in rostock waren von nazis zusammengeschlagen… wir könnten hier viele weitere vorgänge benennen.

was wir zur volxsportbroschüre und freundInnen dieser praxis zu sagen haben:

den mangel an Inhalt, wie auch den durch punktevergabe (10 punkte für glasbruch etc.) angefachten wettbewerbscharakter finden wir fragwürdig, die durch die punktevergabe vorgenommene hierarchisierung von aktionsformen, durch die sinn, zweck und vermittlung eine aktion in den hintergrund treten, lehnen wir ab.
sicherlich auch als konsequenz dieser art von mobilisierung brennen fast jede nacht autos wir finden es gut, wenn gruppen wieder vermehrt militante erfahrungen sammeln. wir teilen jedoch weitgehend die kritik der mg. (stichwort: ungenauigkeit und unvermittelbarkeit) das wahllose abfackeln von (nobel)karossen mit Inkaufnahme von “beifängen”, ist für die meisten menschen, aus sich heraus unvermittelbar und erscheint uns als stumpfer aktionismus die abwertung von bezirken für mögliche investorinnen sehen wir als mögliche strategie gegen gentrification und finden das auch unterstützenswert. es sollte aber immer hinterfragt werden, wann wir welches mittel gegen wen oder was einsetzen, manchmal können farbbeutel, schlösser verkleben, buttersäure oder sprühen, direkter, genauer wirken und vor allem vermittelbarer sein als andere mittel, in scharfem gegensatz zu eurer praxis stehen beispielsweise die aktivitäten von hamburger genossInnen, die z.b. mit einem farbeutelangriff auf das haus des verfassungsschutzchefs ein großes echo herbeiführten. ihre aktion vermittelte sich weitgehend selbst. wir sehen auch die angriffe auf bahn und siemensautos als positive beispiele einer zielgerichteten politik, wobei auch hier eine deutliche inhaltliche positionierung der aktivistlnnen unserer meinung nach, den druck auf betreffende unternehmen erhöhen könnte.
dennoch wollen wir nicht alle aktionen gegen (nobel-)karossen in einen topf schmeißen, obwohl gerade dies von den aktivistlnnen nicht leicht gemacht wird, da selten etwas von ihnen zu hören ist, lässt sich oft über die motivation nur spekulieren, wir fänden es gut, wenn sich das ändern würde! die anforderung, dass militante aktionen auch durch sich selbst sprechen können bleibt hier auf der strecke.
auch der text von “itchy und scratchy” (aus der Interim, als antwort auf die kritik der mg), beantwortet für uns keinerlei fragen, im gegenteil, beim lesen wird unser fragezeichen immer größer, zum thema, wie wir es gemeinsam schaffen können, militante theorie und praxis wieder zusammenzubringen, schreibt ihr: “das von der mg vorgelegte niveau an genauigkeit und vermittlung, kann bei uns nur eine untergeordnete rolle spielen.” und weiter: “zur zielwahl hat die mg auch nichts beigetragen.” was seid ihr denn für militante, wenn ihr eure ziele nicht selbst wählen könnt? die weit ist voll von zielen, auf die gruppen, kampagnen, gewerkschaften etc. in ihren mobilisierungen seit jahren aufmerksam machen, aber wenn beim ausmachen von zielen schon eure probleme anfangen, erledigt sich die frage, was ihr gegen genauigkeit und vermittlung bei aktionen habt. das wegschieben einer eigenverantwortlichkeit bei der militanten praxis ist erschreckend, wenn ihr schreibt: “woher wisst ihr, dass der renault oder opel von tante erna war und nicht von vattenfall oder dass der typ aus der luxussanierten dachgeschosswohnung keinen kleinwagen fährt?”
nein, das wissen wir nicht! ihr wisst es aber auch nicht, also recherchiert richtig, und wenn das zu schwierig ist, muss mensch sich eben ein eindeutigeres ziel suchen. grundsätzlich finden wir aktionen gegen nobelkarossen, nur weil das auto teuer ist, problematisch, die verbindung über eine assoziationskette von der vermeintlich reichen autobesitzerIn, hin zum an sich bösen bonzen kann leicht zu einer gefährlich verkürzten kapitalismuskritik führen. diese kritik ist dann leicht mit reaktionären elementen aufzuladen, es geht um unmissverständliche, zielgerichtete aktionen und keinen schwammigen “volkszorn”, gegen “die da oben”
es kann bei linker politik nicht darum gehen, irgendwas kaputt zu machen, weil es einfach ist. sondern das mit köpfchen anzugreifen, “was uns kaputt macht.”

zum umgang mit repression

was wir außerdem in der “volxsportbroschüre” vermissen und gerade auch bei den aktionen gegen nobelkarossen im kopf behalten sollten ist, dass bei der planung von aktionen mit brandsätzen immer auch eine intensivierte auseinandersetzung mit repression stattfinden sollte, diese diskussion muss letzten endes von der ganzen szene oder den bewegungen getragen werden.
es kann nicht sein, dass das thema repression immer nur dann kampagnenartig thematisiert wird, wenn es durchsuchungen, anquatschversuche oder verhaftungen gegeben hat. antirepressionsarbeit, wie auch die auseinandersetzung mit knast, sowie der solidarität mit gefangenen, sollte ein zentrales thema unserer politik sein, es ist immer wieder erschreckend zu beobachten, wie schnell gefangene vergessen werden, als es vor einigen jahren ein 129a verfahren gegen magdeburger linke gab, wurde gegen genau dieses vergessen mit bundesweiten infoveranstaltungen, demos etc., regelrecht angekämpft, dabei haben viele leute bewusst, z.b. durch aussageverweigerung als zeugInnen repression auf sich genommen. dass auch die auseinandersetzung mit beugehaft immer relevant ist, zeigen auch zeuglnnenvorladungen zum mg verfahren. in berlin saßen bis vor kurzem auch drei genossen aufgrund des ermittlungs-paragrafen 129a im knast, ihnen wird immer noch mitgliedschaft in der mg vorgeworfen.
gingen nach den razzien im vorfeld des g8 noch tausende gegen die repression mit der
kraftvollen parole “wir sind alle 129a” auf die strasse, waren es bei den solidemos für die
aktuellen beschuldigten nur wenige hundert.
zwar überschlugen sich die solidaritätsbekundungen für den beschuldigten soziologen andrej,
während die anderen drei, die nach bullenangaben angeblich auf frischer tat ertappt worden
waren, im großen und ganzen ignoriert wurden.
dafür müssen zum teil haarsträubende argumente herhalten: so sei die mg zu abgehoben und die
texte ja auch so kompliziert… hier wird erstens die “schuld” der beschuldigten
vorausgesetzt, zweitens die auseinandersetzung mit der linksradikalen politik der mg durch
solidaritätsentzug der bundesanwaltschaft übertragen und so eine staatsschutzlogik verfolgt.
viel wichtiger wäre, in dem bewusstsein zu kämpfen, dass der angriff gegen die 4 uns allen
gilt und selbst wenn jemand bei einer militanten aktion erwischt wird, so hat er/sie
solidarische Unterstützung und nicht legalistische distanzierung verdient, ansonsten laufen
wir gefahr, ebenso wie die bürgerliche presse, in “gute” zu “unrecht” verdächtigte
wissenschaftlerinnen und “böse terroristInnen” zu spalten,
wir solidarisieren uns hier ausdrücklich mit den 4 verhafteten und der ihnen zur last
gelegten politischen praxis!
linke, radikale gruppen, sollten sich unabhängig davon, ob sie die mg gut oder schlecht
finden, solidarisch zeigen und über die militanten aktionsformen der mg ernsthaft
diskutieren.

zur positionierung von fels zur mg und zur Zusammenarbeit öffentlicher mit klandestinen strukturen

in einige gruppendiskussionen über die politik der mg gehen in unseren augen die kritiken zum teil in eine diffamierende richtung. der text von fels (siehe aranka sondernummer zu g8) hat uns in dieser beziehung besonders geärgert: sie kritisieren die mg in wenigen nebensätzen als, “auf falscher analyse” basierend und nicht den “realen kräfteverhaltnissen” angemessen.
es gibt kein ideales kräfteverhältnis für militante politik, wann immer der staat konfrontiert und so seine autorität in frage gestellt wird, reagiert er mit repression. es ist dabei unerheblich, wie stark/schwach diese herausforderung auch ist. militante politik ist nur eine mögliche antwort auf die staatliche gewalt. militante aktionen können nicht nur gegengewalt im sinne von verteidigung bleiben, jeder offensive ansatz ist auch eine antwort auf die brutalität der verhältnisse, militante aktionen bieten eine möglichkeit zu blockieren, intervenieren, zu verhindern und entwicklungen perspektivisch aufzuhalten.
das kräfteverhaltnis verschiebt sich extrem wenn militante, klandestin agierende gruppen und “legale” gruppen voneinander isoliert politik machen und nicht mehr zusammenarbeiten. eben diese zusammenarbeit ist wichtig um kampagnen durchzuführen, große, vielseitige öffentlichkeit herzustellen und linke forderungen durchzusetzen, hierbei sollte eine selbstbestimmte solidarität unter den verschiedenenen “teilbereichen” und ihren kämpfen gelebt werden, die mg hat dies teilweise erfolgreich praktiziert, mit ihren angriffen auf lidl, sozialämter, polizei, ihrer solidarität mit anderenen linken bewegungen weltweit und ihren antirassistischen aktionen u.v.m. viele ihrer aktionen sprechen auch ohne erklärung für sich selbst. es gab eine etwas höherere mediale aufmerksamkeit und sehr viele menschen hatten mehr als klammheimliche freude. durch ihren gleichbleibenden namen haben sie sich für ein höheres risiko entschieden, der vorteil dieser form besteht u.a. in verantwortlichkeit und der ansprechbarkeit in der auseinandersetzung mit anderen gruppen und des vermittelns einer kontinuierlichen politischen linie.

es ist sehr schade, dass nur wenige öffentliche gruppen einen klar positiven bezug auf militante gruppen nehmen und es meist bei der klammheimlichen freude bleibt. Sicherlich ist dies auch der repression geschuldet, aber wir würden uns dennoch darüber freuen, wenn wieder mehr gruppen und einzelpersonen über militante Intervention nachdenken.
wir unterstützen den ansatz der mg, eine militante plattform für eine kontinuierliche Zusammenarbeit aufzubauen.
in diesem kontext wollen wir den text “this is a love song III” (interim 661) hervorheben, dessen initiative zur Wiederbelebung der militanten debatte, wir mit unserem text weitertragen wollen, wir können uns der kritik an den geschehnissen um den g8 gipfel in vielen punkten nur anschließen, dieser text soll den Vorschlag zur schaffung eines forums in der interim unterstreichen.

für eine militante plattform, schafft drei, vier, viele militante kerne!

some militant activists