2007-12-10 

Was vom Gipfel übrig blieb

Weltpolitik zum Anfassen

Als Mitarbeiterin eines Fernsehsenders beim G8 Gipfel dabei zu sein: das klang wie eine einmalige Gelegenheit, ganz nah ranzukommen an einen Bereich voller wichtiger Geheimnisse von weltbewegender Bedeutung. Im Ostseebad Kühlungsborn, rund fünf Kilometer westlich von Heiligendamm, lag das eigens für den G8-Gipfel errichtete Pressezentrum – eine doppelstöckige Holz-Aluminium-Konstruktion, mehr Zelt als Haus, mit dem Namen „Emperor“. Auf einer Fläche von 8500 Quadratmetern wurden 1800 Arbeitsplätze für etwa 3500 JournalistInnen eingerichtet. War die Sicherheitsschleuse am Eingang überwunden – wie an einem Flughafen wurde jedes Gepäckstück einzeln durchleuchtet, jede Person einzeln überprüft – konnte mensch schnell feststellen, dass das Pressezentrum weit mehr zu bieten hatte, als schnöde Arbeitsplätze.

Bild: HRO

Den ganzen Tag gab es ein reichhaltiges Angebot an Brötchen, Würstchen, Obst, Keksen Kuchen und Eis. Dazu selbstverständlich diverse Getränke. Angeregt durch das Bundespresseamt, handelte es sich um regionale Produkte aus Mecklenburg-Vorpommern, der Kaffee stammte aus ‚fairem Handel’... Wer frustriert war von der Tatsache, hier in Kühlungsborn weit entfernt vom eigentlichen Geschehen des Gipfels zu sein – denn innerhalb des Zaunes durften sich nur wenige, speziell akkreditierte JournalistInnen und diese auch nur unter persönlicher Begleitung von BGSBeamtInnen bewegen – konnte sich den Tag und das Ereignis mit Bier und Sekt schöntrinken. Zusätzlich bot ein benachbartes Hotel ein reichhaltiges Buffet an.

Für die Eröffnungsparty, auch ‚Kennenlern- Party’ genannt, wurde noch mal eins draufgesetzt. Neben einem riesigen Buffet – von Anti-Pasti, über Spanferkel bis hin zu meterlangen Kühltruhen gefüllt mit gigantischen Eisbomben, sorgten verschiedene Showeinlagen für die Unterhaltung der Gäste aus aller Welt. Da waren beispielsweise bunt gekleidete, seltsame Laute von sich gebende StelzenläuferInnen, weiße Hosenanzüge tragende Saxophon- SpielerInnen, die sich durch das Publikum bewegten und seichte Stücke wie „Pink Panther“ hauchten oder in bunte Stretchstoffe gehüllte, undefinierbare Gestalten, die sich auf Podesten zu ‚komischen’ Posen aufstellten. Fast hätte man glauben können, auf einem Kindergeburtstag zu sein, wenn da nicht noch der Pavillon eines Sportartikel- Herstellers samt Laufband und die Probefahrt mit einem Sportwagen gewesen wären. Sonnenuntergang und Meer vor Augen, konnte auch eine simulierte Jet-Ski-Fahrt gewagt oder das eigene Handicap auf einem Golf- Parcours verbessert werden. Die selbst gemachten Fotos, von den Kollegen oder vom gelungenen Fest, konnten schließlich an einem Photoprinter ausgedruckt werden – wie schön!

Fast enttäuscht war ich am nächsten Tag, als sich das Angebot auf kostenlose Massagen und ein Beach-Volleyball- Feld am eigens für die Presse abgesperrten Strand reduzierte. Doch schon verteilten freundlich lächelnde Hostessen Seesäcke, die das Logo des G8-Gipfels trugen und bedruckt waren mit dem Slogan: „Heiligendamm – The Place to be“. Dass die meisten PressevertreterInnen in Kühlungsborn festsaßen, schien in diesem Falle niemanden weiter zu stören. Hatte man diesen Beutel erhalten, wurde der Akkreditierungsausweis mit einem Strich gekennzeichnet – schließlich galt zu verhindern, dass jemand möglicherweise zweimal beschenkt wurde! Der Sack enthielt weitere Präsente: ein Handtuch mit der Stickerei „Mecklenburg-Vorpommern tut gut“, eine G8-Frisbeescheibe, Handcreme, ein Rezeptbuch für Milchshakes, eine Tüte (regionaler) Kekse und Weingummis – alles, was man für einen gelungenen Strandaufenthalt braucht. Und schließlich konnten kostenlose Postkarten verschickt werden, um den Lieben zu Hause mitzuteilen, wie gut es einem hier im schönen „Mecklenburg- Pommerania“ ergeht!

Schlenderte man dann mit den neuen Präsenten hinter dem Pressezentrum an unzähligen Strandkörben vorbei gen Strand, kam man direkt auf eine Wiese aus kleinen schwarzen, roten und gelb-goldenen Windmühlen. Dahinter stand ein Pavillon, den schwarze, rote und gelb-goldene Blumen zierten. Hier hielten VertreterInnen der Wirtschaft Vorträge zu den auf dem Gipfel verhandelten Themen. Sie sollten den JournalistInnen als Anregung für die eigene Berichterstattung dienen oder ihnen neue Themenfelder eröffnen... Den niedlichen Plüsch-Eisbären Knut gab’s allerdings nur, wenn man sich für den Medienservice der Initiative „Germany – Land of Ideas“ registrierte.

Alles in allem hatte ich schnell den Eindruck, in einer Dauerwerbesendung festzustecken. Über die Ereignisse rund um den Gipfel in Heiligendamm war man zu Hause vorm Fernseher vermutlich besser informiert. Doch glücklicherweise war auch dieser Werbespot nach einer Woche zu Ende.

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