2008-01-22
Nachdem der Gemeinderat die bereits erteilte Bewilligung für die Anti-WEF-Kundgebung zurück nahm, haben trotz Verbot über 1000 Menschen versucht ruhig in der Bundeshauptstadt gegen das World Economic Forum in Davos zu demonstrieren.
Das größte Polizeiaufgebot, welches die Stadt Bern seit Jahren gesehen hat, schaffte es nicht, die Menschen aus der Stadt zu vertreiben oder eine Kundgebung zu verhindern. Die KundgebungsteilnehmerInnen stimmten immer wieder Antistaatsgewalt-Sprechchöre an. Damit wurde eindrücklich bewiesen, dass weder die Stadtpolizei noch Police Bern in der Lage sind die Menschen Schweigen zu bringen.
Weit mehr als 100 Verhaftete wurden zum Teil seit dem Morgen um 11.00 Uhr im Waisenhaus und in der Laubeggstr. 6, (Visanagebäude) festgehalten. Bernmobil war so freundlich ihre Linienbusse für die Gefangenentransporte zur Verfügung zu stellen. Ein für Bern einmaliges Vorgehen. So wurde der Organisator Giovanni „Fashion“ Schumacher während einer Medienkonferenz auf dem Waisenhausplatz kurz vor 15.00 Uhr verhaftet. Christof N. von einer Pressegruppe wurde vor der Kundgebung verhaftet.
Das Bündnis für Globalen Widerstand forderte die Polizei und Stadtbehörden auf alle politischen Gefangenen sofort freizulassen. Von den ruhigen Menschen gingen keine Aggressionen aus. Fünfmal gelang es 200 bis über 1000 Menschen sich zu einem Demonstrationszug zu formieren, der jeweils mehrere Hundert Meter weit kam, bevor sie von der Polizei gestoppt werden konnten.
Keine Sachbeschädigungen durch Demonstranten
Es gab den ganzen Tag keine erwähnenswerten Sachbeschädigungen (außer von Seiten der Polizei) und es wurden keine unbeteiligten Menschen durch KundgebungsteilnehmerInnen gefährdet. Dies nur dank dem disziplinierten und zurückhaltenden Verhalten der DemonstrantInnen. Die Polizei legte mehrmals mehrere Tram- und Buslinien lahm.
Wegen dem martialischen Polizeiaufgebot konnten zum Großteil die Inhalte zum World Economic Forum nicht geäußert werden. Die Meinungsäußerungsfreiheit war in der Hauptstadt der Schweiz, welche sich demokratisch nennt, zu keinem Zeitpunkt möglich.
Die Haltung des Berner Gemeinderates und der Medien wurde durch den 10vor10 Beitrag am Mittwochabend im Fernsehen entscheidend sehr negativ Beeinflusst. Zu keinem Zeitpunkt hat das Bündnis für Globalen Widerstand zu Gewalt aufgerufen. Wie alle heute in Bern Anwesenden Menschen bezeugen können, kam es zu keinem Zeitpunkt zu überraschenden Aktionen oder Ausschreitungen von Seiten der KundgebungsteilnehmerInnen, die Aktionen der Staatsgewalt ausgenommen.
Schon am Vormittag bezog die Polizei Stellung. Schon alleine schwarze Handschuhe oder ein schwarzer Hut reichten aus um willkürlich kontrolliert zu werden. Außer einigen Punks und Skins konnten sonst kaum Leute verhaftet werden. Die Taktik unauffällig und individuell nach Bern zu reisen ging voll auf. Je näher die ursprüngliche Demostartzeit anrückte umso mehr Polizei war zu sehen.
Erlebnisbericht
Um 15 Uhr versammelten sich einige Leute wie geplant beim Waisenhausplatz, an die 200-300. Die Polizei war vor Ort und zog ihren Kessel auf. Währenddessen versammelten sich rund 50 Leute beim Loeb. Rund acht Wannen bei der Spitalgasse fuhren in Richtung Waisenhausplatz. Die Demo konnte jedoch ausbrechen und ging ihrerseits zur Spitalgasse Richtung Bubenbergplatz und wurde wieder gestoppt. Also kehrten die Menschen wieder Richtung Waisenhausplatz wo jedoch die Gitterfahrzeuge aufgefahren wurden. Diesmal hielt der Kessel. Ob und wie viele Verhaftungen durchgeführt wurden war schwierig zu sehen. Jedoch konnten einige wegrennen bevor die Gitterfahrzeuge in Position gebracht wurden. Hinter der Polizeireihe waren rund 200-300 Leute. Dann starteten rund 20 Leute gegenüber dem Kessel eine weitere Demo Richtung Zytglogge.
Innerhalb Minuten wuchs die Menge auf mehrere Hundert Leute an. Die Polizei hatte wohl nicht genug Fahrzeuge da, so mussten sie den Kessel wieder öffnen um die zweite Demo einzuholen. Beim Kornhausplatz war nur noch der Theaterplatz frei. Auch ein neuer blauer Wasserwerfer stand da. Als die Wannen und Sperrfahrzeuge anrückten überfuhren sie beinahe ein paar Jugendliche, beim Wasserwerfer war es dann mehr Glück als Verstand dass niemand unter die Räder kam. Als auch beim Thunplatz wieder ein Kessel bezogen war begann eine weitere Demo Richtung Kramgasse.
Zwischen Thunplatz und Kramgasse kam es dann zu vereinzelten Scharmützeln. Die Polizei nahm daraufhin jedoch einige unbeteiligte Jugendliche fest. Die Situation beim Kornhausplatz war ziemlich unübersichtlich. Beim Kornhausplatz und rundherum waren so gegen 1000 Leute unterwegs. Auch bei der Kramgasse konnte die Polizei nur mit Mühe und Not den Kessel beziehen. Die Demo zog vorher einmal zum Rathaus und zurück. Die Polizei trat hier schon aggressiver auf und setzten auch immer wieder Pfefferspray ein. Gegen 17Uhr zogen dann wiederum rund 150-200 Leute vom Kornhausplatz Richtung Marktgasse. Die Polizei hatte jedoch kaum noch Personal welches die Demo hätte stoppen können. Rund 12-20 Polizisten gingen jedoch mit und wurden dann beim Waisenhausplatz eingekesselt. 10 Minuten später kam dann der erste Wasserwerfer. Beim Bahnhof fuhren dann 5 Minuten später auch rund vier volle Wannen auf. Griffen jedoch vorerst nicht ein.
Polizei ist sich ihres „Sieges“ sicher – 242 Festnahmen
Die Polizei wirkte sehr erschöpft, zum Einsatz läst die Kantonspolizei Bern vermelden, dass sie ihren Auftrag, nämlich die Sicherheit in der Stadt Bern zu gewährleisten, rechtmäßig und verhältnismäßig erfüllt hat. www.police.be.ch. Insgesamt seien 242 Personen vorübergehend festgenommen worden, darunter 49 Frauen und 50 Jugendliche. Aus dem Kanton Bern stammen 117, aus der übrigen Schweiz 122 Personen. Drei weitere festgenommene Kundgebungsteilnehmende stammen aus Deutschland bzw. Österreich. Die Kantonspolizei Bern verzichte zurzeit darauf, öffentlich eine Gesamtbilanz des Einsatzes zu ziehen. Nach Abschluss des WEF’s erfolge eine interne Analyse; die gemachten Erfahrungen werden ausgewertet und daraus Schlüsse für weitere Grosseineinsätze gezogen. Die Kantonspolizei Bern habe ebenso von vereinzelter Kritik bezüglich der Verhältnismäßigkeit Kenntnis genommen. Grundlegend für Einsatztaktik und Umfang der eingesetzten Mittel seien die ständigen Lageanalysen gewesen, die von klarer schweizerischer Militanz ausgegangen waren, und der Auftrag des Gemeinderates der Stadt Bern, keine Demonstrationen oder Spontankundgebungen zu tolerieren und damit auch größere Sachschäden zu verhindern, auch wurde bestätigt, an der Anti-WEF-Demo am Samstag zwei Journalisten verhaftet zu haben. Eine Festnahme sei irrtümlich geschehen, so die Polizei. Wie viele Personen angezeigt würden, könne erst in ein paar Tagen gesagt werden, erklärte ein Polizeisprecher am Montag auf Anfrage.
Brutales Vorgehen der Polizei
Gemäss zahlreichen Augenzeugenberichten ging die Polizei in vielen Fällen unverhältnismäßig brutal vor. Beobachtungsstellen wurden mehrere Personen gemeldet, die bei ihrer Festnahme verletzt wurden. Ein Grossteil der Betroffenen wurde in Außenzellen der Polizeihauptwache am Waisenhausplatz festgehalten. Dabei wurden bis zu 60 Personen in einer Zelle zusammengesperrt. Die Betroffenen mussten bis zu 10 Stunden ohne Angabe eines Grundes in der Kälte ausharren. Mehrere Insassen wurden zudem von Polizeikräften aus dem Gebäude heraus mit Wasser begossen. Grundlegende Bedürfnisse wurden nur sehr beschränkt respektiert. Toilettengang und Zugang zu Wasser waren lediglich in der kurzen Zeit möglich, als die Regierungsstadthalterin Regula Mader anwesend war. Sobald Frau Mader die Wache wieder verlassen hatte, wurden selbst medizinische Notfälle ignoriert. So reagierte die Polizei auf einen verletzten Bluter erst nach massiven Protesten von Mitgefangenen. Ungefähr 40 Personen wurden nach ihrer Festnahme mit einem Bus von Bern Mobil in eine Zivilschutzanlage an der Laubeggstrasse verfrachtet und dort ebenfalls mehrere Stunden festgehalten.
Videos zum Geschehen:
Gestern:
http://real.xobix.ch/ramgen/srdrs/regibern/2008/rbe1720012008.rm?start=00:01:34.159&end=00:07:18.159
Interview mit dem Polizei und Militärdirektor:
Bilder auf:
Demonstration in St. Gallen
Rund 120 Personen haben am Samstagnachmittag in St. Gallen ebenso friedlich gegen das World Economic Forum (WEF) demonstriert. Der Protestmarsch war von den Behörden bewilligt worden. Dutzende von Polizisten beobachteten die Demonstration. Organisiert wurde die Kundgebung vom St. Galler Anti-WEF-Bündnis, dem unter anderem die Grünen, die Jungen Grünen, die Jusos und das Solidaritätsnetz Ostschweiz angehören. Mit Transparenten und Lautsprechern zogen die WEF-Gegner vom Bahnhofplatz durch die Gassen der Innenstadt und wieder zurück.
[http://de.indymedia.org/2008/01/205737.shtml]