2008-01-15
Auswertung der Antirepressionsarbeit vor, während und nach Heiligendamm
Freitag 11 – 13 Uhr
Gegenüber anderen Großereignissen fällt beim G8-Gipfel die frühe und intensive Vorbereitung verschiedener Antirepressionsstrukturen, vor allem bzgl. der internationalen Dimension auf. Einige Zeit später startete der in Heiligendamm tätige Ermittlungsausschuß (EA) wie auch der Anwaltliche Notdienst (AND) mit AnwältInnen des RAV mit der Vorbereitung. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie übernahm die Demonstrationsbeobachtung. Es gab eine Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, z.B. der Campinski Pressegruppe und Gipfelsoli Infogruppe. Medienberichte, speziell über den 2. Juni, wurden von Polizeipropaganda dominiert. Dennoch wurde zumindest der Versuch gemacht, der Desinformation von “Kavala” etwas entgegen zu setzen. Beeindruckend war die koordinierte Arbeit von EAs und AND in und vor den Gefangenensammelstellen und bei Blockaden. Die Polizei fühlte sich verunsichert.
Anders ist das Bild, das sich in den folgenden Monaten einstellte: Ermittlungsausschüsse und AnwältInnen machten wieder ihre “normale” Arbeit bzw. sind zunehmend mit Verfahren betraut. Das Interesse der Bewegungen die gegen den Gipfel mobilisiert hatten an weiterführenden Aktivitäten (wie Klagen, Dokumetationen usw.) ebbte ab. Eine politische Antirepressionsarbeit über individuelle Fälle hinaus fand nur in Ansätzen statt. Dem massiven vor allem medialen Wirken von “Kavala” und Staatsanwaltschaft, die 3.000 Verfahren gegen G8-GegnerInnen ankündigte, konnte monatelang nichts entgegengesetzt werden. Die wenigen Kräfte aus EA, RAV, Rote Hilfe und bundesweiten Antirepressionsstrukturen arbeiteten wenig vernetzt. Leider wurde bislang keine szeneöffentliche Diskussion über dieses Manko angestoßen. Warum es zu guter Letzt nicht zur anfangs befürchteten Repressionswelle gegen G8-GegnerInnen kam, ist offen: Lag es an der schlechten Abstimmung zwischen Staatsanwaltschaft und “Kavala” bei der Vorbereitung der Strafbefehle oder war es von vornherein Kalkül, die Szene mit Drohgebärden einzuschüchtern und mittels später eingestellten Strafverfahren massiv Datensätze über DemonstrantInnen anzulegen. Die massiven Ingewahrsamnahmen hatten auch das Ziel, überzogene Polizeimaßnahmen während des Gipfels zu legitimieren.
Im Workshop wollen wir mit Hilfe von Inputs des RAV/AND, EA, RH und der Prozessbeobachtungsgruppe Rostock die Antirepressionsarbeit vor, in und nach Heiligendamm auswerten. Welche Strukturen haben sich bewährt? An welche Grenzen stießen diese – besonders nach Ende des Ereignisses? Was lässt sich aus den Erfahrungen in Heiligendamm für die Entwicklung einer nachhaltigen politischen Antirepressionsarbeit lernen?
Für eine politische, staatskritische Debatte um Grund- und Freiheitsrechte und eine Repolitisierung klassischer Antirepressionsarbeit
Freitag 17:30 – 19:30 Uhr
Nicht nur durch die massive Repressionsmaschinerie staatlicher Agenturen vor, während und nach dem G8 Gipfel ist das Interesse der staatskritischen Linken am Thema “Innere (Un) Sicherheit” in letzter Zeit wieder gewachsen. Beispielhaft erwähnt seien die in diesem Umfang nicht erwarteten Proteste nach den Hausdurchsuchungen am 9. Mai und die breit unterstützte Kampagne zur Freilassung der wegen 129a Inhaftierten. Die Beteiligung der staatskritischen Linken an der zunächst eher liberal entworfenen Kampagne gegen die Vorratsdatenspeicherung (vom “Schutz des Privaten” zum “Recht auf Assoziation und Versammlung”), Debatten um Ausmaß und Bedeutung des “präventiven Sicherheitsstaats” aber auch einzelne detailgenaue Auseinandersetzungen über Verletzungen von (Bürger-) Rechten spezifischer Gruppen (z.B. ALG II-Betroffene) haben das Feld politischer Aktivitäten über die Soliarbeit mit Betroffenen und Drangsalierten hinaus wieder erweitert. Die Einbeziehung der klassischen Antirepressionsarbeit in einen größeren politischen Kontext könnte dessen bisherige reine Dienstleistungsfunktion für die individuell von Repression Betroffenen erweitern und ins Politische zurückholen.
Die Verteidigung von Grund- und Freiheitsrechten hat, gerade weil sie im Kontext des herrschaftlich geführten “Anti-Terror-Kampfes” so unter Druck geraten sind, vorsichtig Konjunktur. Nichtsdestotrotz bleibt die Politik einer staatskritischen Linken zu “Innerer Sicherheit” einem grundsätzlichen Dilemma verhaftet: Denn sind nicht die zu verteidigenden Grund- und Freiheitsrechte genau diesem Staat verhaftet, der sie permanent beugt, aufweicht und gleichzeitig symbolisch auflädt? Sind deswegen staatskritische linke Perspektiven notwendig zahnlos? Worin könnten emanzipatorische Perspektive liegen, die sich nicht im verteidigen des (alten) Status Quo erschöpfen, sondern neue, politische und auf grundsätzliche Veränderung ausgerichtete Perspektiven liegen?
Diese Fragen sollen den Ausgangspunkt dieser Open-Space-Diskussion bilden, die von VertreterInnen von felS und vom Komitee für Grundrechte und Demokratie angestoßen wird. Ausgehend von den oben beschriebenen Entwicklungen und Dilemma sollen offen die Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer emanzipatorischen, staatskritischen Perspektive auf “Innere (Un) Sicherheit” und Bürgerrechte diskutiert werden. Wie könnten weiterführende politische Aktivitäten und Debatten aussehen?
Fiese Tricks von Polizei und Justiz – Die witzig spannende Ton-Bilder-Schau zum Machtmissbrauch in Robe und Uniform
Freitag, 20:15 Uhr
“Die Vorwürfe klingen ungeheuerlich: Polizisten basteln einen Brandsatz oder fertigen Gipsabdrücke selbst an, um Beweismittel zu haben. Beweisvideos und -fotos verschwinden, Falschaussagen werden gedeckt, Observationen verschwiegen, um Straftaten erfinden zu können. Alles Hirngespinste von Verschwörungstheoretikern? Offenbar nicht.” (ddp am 22.11.2007, 10.26 Uhr)
Aus erster Hand: Ein erschreckender, zuweilen witziger und immer spannender Vortrag mit konkreten Fällen, Auszügen aus nichtöffentlichen Polizei- und Gerichtsakten auf Overheadfolien – ein tiefer Blick hinter das Grauen von Polizei- und Justizalltag! Die Polizeiakten selbst belegen alles. Verfolgung wegen Graffitis, die es nie gab. Inszenierte Falschaussagen durch Polizei- und Gerichtsbeamte. Geheime Observationen, die plötzlich vertuscht werden, um Straftaten zu erfinden: Das Leben ist ein Bond-Film.
Dieser Abend wird eine Mischung aus Enthüllung, Kriminalroman, Kino und Kabarett. Staunen über die Dreistigkeit der Staatsmacht. Kopfschütteln über uniformierte Dummheit. Lachen über die kreative Gegenwehr! Mehr Infos unter www.projektwerkstatt.de/fiesetricks!
Kreative Antirepression versus Anna und Arthur halten`s Maul
Samstag 14 – 16 Uhr
Fragen: Gefährden offensive Umgangsformen mit Polizei und Justiz AktivistInnen und Strukturen? Ist Maulhalten wie Kanninchen vor der Schlange? Kann es Wege einer egenwehr geben ohne Aussagen zu machen? – Projektwerkstatt Saasen
Sicherheitsstaat und stärkere Willkür bei Polizei und Justizmaßnahmen erfordern andere Handlungsoptionen bei uns – Repolitisierung klassischer Antirepressionsarbeit: neue Strukturen, Vernetzungen, Arbeitsfelder
Samstag 20:30-22:00 Uhr
Die Auswertung der Antirepressionsarbeit in der G8-Kampagne wie auch die Diskussion um die politische Bedeutung von Freiheitsrechten zeigt, dass es zum einen die Notwendigkeit der Re-Politisierung von Antirepressionsarbeit gibt, zum anderen aber auch neuer, kontinuierlicher Arbeitsformen bedarf, um angemessen auf den Sicherheitsstaat und Willkür staatlicher Organe zu antworten.
Die klassische Antirepressionsarbeit der Strukturen von EAs, Roter Hilfe und RAV hat sich in den letzten 30 Jahren nur wenig verändert. Eine Strategie gegen moderne Repressionskonzepte der Polizei, die gerade bei Großveranstaltungen wie dem G8 zunehmend auf mediale Macht setzt, die sich eigene vom Staat nicht zu kontrollierende Exeklutionsorgane und Organe der Rechtsprechung (“Kavala” und “Kavala-Justiz”) schafft, ist trotz Installation des AND bislang noch nicht mal in Ansätzen erkennbar. Es ist offensichtlich, daß eine Debatte über das, was die Szene von den klassischen Antirepressionsstrukturen erwartet, gemein-sam diskutiert werden und zurück ins Politische geholt werden muß. Diese Debatte muß breit und offen geführt werden. In diesem Workshop sollen drei verschiedenen Handlungsoptionen vorgestellt und auf ihre Umsetzung hin diskutiert werden:
1.) Politische Diskussionen müssen in den Antirepressionsstrukturen öffentlich gemacht werden – wie kann das unter den gegenwärtigen Unsicherheitsbedingungen gehen?
2.) Statistische Daten in anonymisierter Form über die G8 Prozesse müssen für alle zugänglich sein. Dies muß von einer szenenahen Dokumentationsgruppe gewährleistet werden. Wie kann eine sinnvolle Dokumentationserstellung aussehen und wer macht diese?
3.) Eigene Klagen mehr in den Focus stellen. Der G8 hat gezeigt, daß in der öffentlichen Debatte nur noch wahrgenommen wird, wer am meisten Vorwürfe lancieren kann. Es sollte daher neben politischen Kampagnen gegen Polizeirepression auch Wert auf Klagen gegen die Polizei und Polizeiführung gelegt werden. Damit würde politisch das Terrain für Klagen gegen DemonstrantInnen geschmälert. Wer macht die notwendige koordinierende Arbeit und wer finanziert die Klagen?
Anwaltliche Beratung von Betroffenen von Polizeirepression beim G8-Gipfel
voraus. Sa. 22:30 – achtet auf Ankündigungen
Im Anschluß an diese Veranstaltung am Samstag abend gibt es einen Workshop für von G8-Repression und von G8-Polizeigewalt Betroffene. Es werden Informatonen gegeben über die Möglichkeit eigene Klagen zu führen und was zu tun ist, wenn Strafbefehle und Bußgeldbescheide ins Haus flattern. AnwältInnen werden dafür bereit stehen.