2008-01-09 

Camping08? - für ein Camp mit Klimaklammer

Nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm entwickelten sich in der Bewegungslinken zwei Prozesse, die auf das Konzept von Camping verbunden mit Aktionen abzielten: Klima und AntiRa. Angestoßen durch das „Mehrsäulen“ Papier, gibt es seit einigen Wochen eine Debatte, wie und ob es ein Camping08 mit mehreren thematischen Schwerpunkten geben könne. Die Debatte erreichte uns in der Gründungsphase, schließlich hat es noch kein Klimacamp – geschweige Klimabewegung in der BRD gegeben, weshalb diese Antwort auf sich hat warten lassen. Als bundesweite Klimacampvorbereitungsgruppe wollen wir im Vorfeld der Perspektiven Tage jedoch einen Beitrag zu dieser Debatte leisten, in dem wir zum einem auf die bisher gemachten Vorschläge eingehen, zum anderen darlegen wollen warum wir das Klimathema als Klammer für ein spektrenübergreifendes Camp das verschiedene politische Felder integrieren kann politisch als auch bewegungspolitisch für wichtig halten.

Eine Klammer – viele Säulen

Ein Jahr nach Heiligendamm ist die Frage berechtigt – was bleibt? Trotz des Erfolges verschiedener Bündnisse, der großen spektrenübergreifenden „Gesamtchoreografie des Widerstandes“ unter der Klammer des G8-Protestes und einer gewissen verbreiteten Aufbruchsstimmung besteht die Gefahr, der Rückkehr zu einer eng umgrenzten Politikfeld-Perspektive. Hier teilen wir in wesentlichen die Analyse der Mehrsäulenpapiere, die vor einem Rückfall in den Partikularismus aus verschiedenen Gründen warnen. Bereits beim ersten bundesweiten Vorbereitungstreffen des Klimacamps in Kassel Ende Oktober, wurde deshalb beschlossen, dass in einem möglichen Camp „ein gleichberechtigtes Miteinander der verschiedenen Bewegungen“ geben soll. Gleichzeitig denken wir, dass es notwendig ist, dass ein mögliches Camp nicht nur spektrenübergreifend und offen für verschiedene politische Richtungen ist, sondern auch, dass ein Camp eine zentrale vermittelbare thematische Klammer haben sollte, um politische Inhalte besser an eine breite Öffentlichkeit zu transportieren, aber auch um tatsächlich fokussierte fundierte Auseinandersetzungen zu katalysieren.
Diese Klammer, die eine Anschlussfähigkeit zu vielen politischen und sozialen Kämpfen bietet – im vergangenen Sommer war dies das G8 Treffen – könnte und sollte unserer Meinung nach für ein großes Camp 2008 das Thema Klimawandel sein.

Soziale Kämpfe sichtbar machen – Die Klimaklammer:

Mit dem Klimathema haben wir ein Thema gewählt, welches gerade kein single–issue ist, sondern direkt und indirekt viele der gesellschaftlichen Kämpfe betrifft. Um die Dimensionen der Thematik zu erkennen, ist es notwendig sich davon zu lösen den Klimawandel auf eine ökologische Frage zu reduzieren, wie es leider auch in den Mehrsäulenpapieren tendenziell geschieht. Vielmehr muss eine Linke die Klimathematik als soziale Problematik verstehen, anhand deren die sozialen und emanzipatorischen Kämpfe (und mögliche drastische Veränderungen durch den Klimawandel) sichtbar gemacht werden müssen/können. Viel zu lange wurde gerade von linker Seite die soziale Dimension die mit den gesellschaftlichen Naturverhältnissen im Allgemeinen, und den Themen Energieproduktionsweise (jenseits von Atomkraft) und speziell Klimawandel einhergeht unterschätzt. Neben Bereichen wie öffentliche Dienstleistungen/Daseinsvorsorge, Militarismus, oder globale Landwirtschaft, die offensichtlich eng mit der Thematik verbunden sind, tangiert die Klimaproblematik direkt eine Vielzahl andere Aspekte wir Migration, (globale)Herrschaftsverhältnisse oder Nord-Süd Aspekte. Hier gilt es grade jene Aspekte die in der öffentlichen Diskussion bisher ausgespart wurden, von linker Seite zu thematisieren.

Gleichzeitig ist es so, dass ein linker Diskurs über das Klima ein noch zu entwickelnder ist. Es ist nicht so, dass alles schon klar ist – und dass es nur darum geht die Aktion zu organisieren. Vieles ist völlig unklar. Klar ist, dass eine linke Beschäftigung mit dem Thema nicht „Klimapolitik“ bedeutet, sondern die derzeitigen Produktions- und Konsumtionsweisen des fossilen Kapitalismus hinterfragen muss. Was aber bedeutet das konkret, wenn man doch sonst sagt „alles für alle“ – wie ist unter Prämisse akuter Endlichkeit von Ressourcen sozial gerecht zu organisieren – auf eine Weise, die die Nord-Südverhältnisse in den Blick nimmt. Denn Globale Soziale Rechte – wie das auf Versorgung mit Energie – gelten überall, oder? Und: wie kann also eine Linke hier und heute hedonistisch sein und gleichzeitig internationalistisch temperiert sein? Wie organisieren wir so etwas? Diese Fragen – weil sehr schwierig und für viele neu – brauchen ihren eigenen Raum, auch deshalb sprechen sich viele für ein Klimacamp aus.

Neben sehr konkreten themenspezifischen Prozessen und Forderungen, bietet sich die Problematik um den Klimawandel unserer Meinung aber auch an, um grundsätzliche Forderungen anderen Politikfeldern aus einem anderen Blickwinkel zu thematisieren. Müsste nicht auf Grund der Diskussion über die (historische) Verantwortung am Klimawandel durch die Industrieländer, die Forderung nach der Öffnung der Grenzen folgen? Sollten nicht klar die Zusammenhänge zwischen der von der EU oft propagierten Klimaverantwortung und den Migrationslagern in Nordafrika dargestellt werden? Sollte der aufkommende Diskurs um Gerechtigkeit nicht dazu genutzt werden um das menschenverachtende EU-Migrationsregime zu thematisieren?

Auch auf anderer Ebene, jenseits von konkreten Folgen aus klimatischen Veränderungen, kann die Klimathematik kritisch reflektiert werden. Gerade in Bezug auf Institutionen wie die G8 – wo der Klimawandel seit zwei Jahren auf der Spitze der Agenda steht – oder die Weltbank, die just bei den letzten Klimaverhandlung dazu auserkoren wurde die globalen Klimafonds für Anpassungsmaßnahmen zu verwalten, besteht die Gefahr das Herrschaftsverhältnisse neue Formen der Legitimität über die (populäre) Klimathematik versuchen zu akquirieren. Hier bedarf es einer herrschaftskritischen Antwort, deren Ziel es ist die Verschleierung der Ursache des Problems klar auf zu zeigen.

Mit dem Wandel der Betrachtungsweise des Klimathemas als gesellschaftliches und nicht rein ökologisches, ergeben sich unserer Meinung nach solche Anknüpfungspunkte wie oben ausgeführt. Eine Klimaklammer hätte dabei nicht das Ziel zu zeigen, dass alles doch irgendwie mit einander verknüpft ist, sondern dass es jeweils spezifische Verknüpfungen gibt, die die Eigenlogiken bestimmter Kämpfe nicht negieren. Aus diesem Grund ist das Klimathema nicht nur sehr anschlussfähig in Bezug auf andere Themen, sondern um die Komplexität des Themas und der Praktiken zu erfassen, bedarf es gerade der Zusammenarbeit von verschiedenen Bewegungsakteuren aus verschiedenen Politikfeldern.

Strategisches Camping:

Oben haben wir versucht darzulegen, warum wir glauben, dass eine Klimaklammer für ein Camp nicht nur dazu führen könnte, wichtige Debatten miteinander zu verknüpfen, sondern auch aufzuzeigen, dass zumindest Ansatzweise eine solche Klammer genügend Platz für Eigenlogiken bestimmter Bewegungen lässt. Gleichzeitig ist uns sehr wohl bewusst, dass selbst durch eine sehr offene und anknüpfungsfähige Klammer, wie die Klimathematik, bestimmte Gegenstände nicht thematisiert werden (etwas ein Euro Jobs) bzw. es eine Konzentration in anderen Themen geben wird (im AntiRa Feld etwa die Konzentration z.B. auf Grenzen). Für uns stellt sich die Frage, ob es wirklich der Anspruch eines Camps sein sollte, alle Kämpfe auf einmal zu vertreten oder ob dies nicht zu einer Verwässerung der politischen Auseinandersetzungen führt. Auch die Außenwirkung eines „Mehrsäulencamps“ ohne Schwerpunkt, sehen wir wie oben schon erwähnt kritisch.

Jedoch wollen wir vermeiden, auch wenn wir uns ein Mehrsäulen-Camp ohne Klimaklammer nicht vorstellen können, dass wir hier nur eine Entweder-Oder-Situation entsteht. Für uns ist der Prozess auf den Perspektiven-Tagen zentral. Auch wenn es nicht zu einem gemeinsam Camp kommt, mit gleichberechtigten Säulen, die thematisch eingebettet sind, besteht großes Interesse unsererseits weiterhin daran zu arbeiten zumindest einen engen Bezug zu möglichen anderen Camps aufzubauen. Dies könnte möglicherweise in Form des vorgeschlagenen strategischen Doppelcampings passieren oder etwa einer gemeinsamen Mobilisierung oder anderer Formen der Koordinierung.

Die Perspektiven-Tage nehmen wir als den Ort wahr um die Dimensionen des Campings08 endgültig auszuloten. Um die Diskussion im Vorfeld weiterzuführen, haben wir uns entschlossen unsere Ideen auch bei den Treffen des Aktionsnetzwerks Globalen Landwirtschaft und dem Treffen der AntiRa Gruppen in Hamburg in der ersten Januar-Hälfte vorzustellen.

„Make social change not climate change“ – die Klimacamp-Vorbereitungsgruppe