2008-01-03 

Bundesgerichtshof entscheidet über Ermittlungsmaßnahmen im Vorfeld des Weltwirtschaftsgipfels

Waren die Polizeieinsätze rechtmäßig?

Der Bundesgerichtshof (BGH) will heute schriftlich bekanntgeben, wie er polizeiliche Ermittlungsmaßnahmen im Vorfeld des G 8-Gipfels in Heiligendamm bewertet. Unter anderem hatte die Polizei im Mai etwa 40 Wohnungen und linke Kulturzentren durchsucht sowie Computer und Unterlagen beschlagnahmt. Ermittelt wurde außerdem gegen Mitglieder einer angeblich terroristischen Vereinigung von G-8-Gegnern, die für zahlreiche Brandanschläge in Norddeutschland verantwortlich sein soll. Von fünf Verdächtigen waren zudem Geruchsproben genommen worden.

Am Rande des Gipfeltreffens selbst wurden rund 1500 Ermittlungsverfahren gegen Demonstranten eingeleitet, insgesamt aber nur wenige verurteilt. Gegen rund 1000 Beschuldigte wurden die Verfahren eingestellt, bevor es zu einer Anklage vor Gericht kam - in rund der Hälfte dieser Fälle deshalb, weil den Beschuldigten nichts nachgewiesen werden konnte. In den übrigen Fällen handelte es sich um Ordnungswidrigkeiten, oder die Staatsanwaltschaft ging nur von geringer Schuld aus.

Flora

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei

Freigesprochen wurde beispielsweise ein 19-jähriger aus Göttingen: Der Freizeit-Rugbyspieler hatte einen Gummi-Zahnschutz bei sich getragen, weshalb er von der Polizei als potenzieller Gewalttäter mit ''Schutzbewaffnung'' eingestuft wurde. Ähnlich habe die Polizei in vielen Fällen gehandelt, so der Vorwurf der Hamburger Rechtsanwältin Britta Eder, die mehrere G8-Gegner vertritt und im Vorstand des Republikanischen Anwaltsvereins aktiv ist.

Während des Gipfels kam es Kritikern wie Eder zufolge zu haltlosen Beschuldigungen und massenhaftem rechtswidrigen Verhalten der Polizei gegenüber Demonstranten: ''Die Beamten machten erst einmal, was sie wollen, und sagen den Demonstranten: 'Sie können ja dagegen Beschwerde einlegen.''' Das haben etwa 14 Globalisierungskritiker mit Unterstützung durch Eder und den Republikanischen Anwaltsverein getan. Sie werfen der Polizei willkürliche und menschenunwürdige Inhaftierung in durchgehend beleuchteten und videoüberwachten Großkäfigen vor. Die Kläger gehören zu einer Gruppe von 193 Personen, die in einem Waldstück von der Polizei festgenommen wurden, nachdem in der Nähe eine brennende Barrikade errichtet worden war.
BGH liegt ''eine Vielzahl'' von Beschwerden vor

Nach BGH-Angaben haben Betroffene ''eine Vielzahl'' von Beschwerden gegen die Polizeimaßnahmen eingelegt. Der 3. Strafsenat soll nun über die erste derartige Beschwerde entscheiden. Um welchen Vorfall es sich konkret handelt, wollte das Gericht vorab nicht mitteilen.

Es wird damit gerechnet, dass die Richter in diesem Verfahren klären, ob die militanten Gipfelgegner tatsächlich eine terroristische Vereinigung gegründet haben, um den Gipfel zu verhindern. Denkbar ist, dass die Richter nur von einer ''kriminellen Vereinigung'' ausgehen, die geringer bestraft wird. Möglich ist sogar, dass der BGH gar keine gemeinsame Organisationsstruktur erkennen kann.

Quelle: tagesschau.de

[http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=3003116/11cwa8f/]