2007-01-03
Zum Konsens im Dissens ...
von ein paar konsensinteressierten Personen, basierend auf einem Papier von Rhythms of Resistance Berlin
Siehe auch: www.all4all.org/2006/01/2293.shtml (Englisch)
insbesondere: Handbuch mit Handzeichen von EYFA: http://www.all4all.org/media/2006/01/2295.pdf
1. Vorbemerkungen
2. Was ist Konsens?
3. Rollen
4. Handzeichen
5. Konsensstufen
6. Formales Konsensmodell
7. Kleingruppen
8. Wenn es keine Einigung gibt
9. Wann besser keinen Konsens?
10. Literatur
1. Vorbemerkungen
Beim ersten Treffen in Hamburg im Oktober wurde versucht, Entscheidungen im Konsens zu treffen. Entschieden werden sollte über den Vorschlag, die PGA-Hallmarks als gemeinsame inhaltliche Grundlage anzunehmen, sowie über den Namen für unser Netzwerk. Dabei kam es hinsichtlich des "formalen Verfahrens" zu Unklarheiten.
In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurden in verschiedenen Zusammenhängen jeweils eigene Erfahrungen mit Diskussionskultur, Entscheidungsfindung und Konsens gemacht. Immer wieder gab es Austausch quer durch die Bewegungen, Lernprozesse, Veränderungen und Anpassung der Verfahren (zum Beispiel die Handzeichen sind für viele relativ neu).
Uns ist wichtig, diese Erfahrungen für unsere Zusammenarbeit nutzbar zu machen und Möglichkeiten für eine Diskussions- und Entscheidungsfindungskultur darzustellen. Dabei geht es uns nicht darum, extra komplizierte formale Vorgaben zu erfinden. Doch wie so oft: in einer Gruppe, die sich nicht auf ein bisschen Struktur geeinigt hat, haben die noch mehr Vorteile, die laut und viel reden und ihre Interessen am geschicktesten durchdrücken können.
Wir finden, dass zu einer hierarchieablehnenden Organisierung auch die Reflexion der internen Umgangsweisen gehört. Und eine Form von "Konsens" halten wir für die in dieser Hinsicht grundsätzlich beste Art der Entscheidungsfindung, beim Treffen in Hamburg gab es dazu auch keine Gegenvorschläge.
Die Grundlage für Konsensentscheidungen in unserem Netzwerk sehen wir
- in den PGA-Hallmarks
- darin, dass Austausch und Kooperation im Vordergrund stehen und keine absolute Einigkeit zu allen inhaltlichen und organisatorischen Punkten nötig ist
- im Zuhören und Anerkennen (und ggf. auch Benennen) unterschiedlicher Positionen, statt langwieriger Erarbeitung eines Minimalkonsens und/oder der Dominanz einzelner Gruppen
Damit ist die Feststellung verbunden, dass wir nicht zu allen Fragen einen "formalen Konsens" brauchen.
Wichtig finden wir dabei aber, und das ist auch unsere Kritik am letzten Treffen in Hamburg, dass wichtige Entscheidungen nicht durchgewunken werden in angeblichen Konsensentscheidungen oder Stimmungsbildern, die in Wirklichkeit dann doch Mehrheitsabstimmungen sind.
Zum Konsens gehört unserer Ansicht nach maßgeblich die Frage "Gibt es Einwände?" anstatt der Frage "Ist das Konsens?". Und wenn es keine Einwände gibt, oder nur "leichte" Einwände, die kein Veto darstellen (s.S.4) - dann handelt es sich wirklich um Konsens. Die Handzeichen, v.a. "Twinkeln" (s.S.3) sind übrigens dazu gedacht, die Stimmung und Haltung der Zuhörenden während oder nach einem Redebeitrag auszudrücken - nicht eine Entscheidung durchzuwinken.
Auch sollte vor einer Entscheidung geklärt werden, ob eine Abstimmung aller überhaupt nötig und erwünscht ist oder nicht. Denn auf viele Fragen, die scheinbar zentral entschieden werden müssen, ist die Antwort einfach, dass es jemand macht, wenn sich jemand findet, oder es eben (erst mal) nicht passiert. Oder das Problem kann direkt dort gelöst werden, wo es auftritt - von denen, die es angeht.
Unser Anliegen mit diesem Papier ist, eine Reflexion anzustoßen, mit dem Ziel, die für uns alle passende Form der Diskussionskultur und Entscheidungsfindung weiter zu entwickeln. Gut finden wir die in Hamburg begonnene Struktur (wechselnde, offene Moderationsteams, viel Kleingruppendiskussionen, viel Autonomie, wenig zentrale Entscheidungen).
Wichtig finden wir es, bei konkreten Anlässen innezuhalten und gemeinsam zu überlegen was schief läuft und wie es besser laufen könnte - und dabei ggf. offen zu sein für "Experimente". Das wollen wir mit diesem Papier - und ggf in Zukunft durch verbale Einmischung im Diskussionsprozess - mit anregen und einfordern.
2. Was ist Konsens?
Konsens kann gewährleisten, dass alle Beteiligten die Entscheidung auch wirklich mittragen und niemand übergangen wird. Konsens bedeutet nicht unbedingt, dass alle einer Meinung sind - aber immer, dass alle mit der Entscheidung leben können und niemand mit seinen Bedürfnissen übergangen wird.
Das Konsensverfahren ist Teil unserer Bemühungen, uns basisdemokratisch und herrschaftsfrei zu organisieren. Dadurch sind wir natürlich nicht davor geschützt, dass einzelne ihre Meinung ändern, um Harmonie und Übereinstimmung zu erreichen oder von der Gruppe akzeptiert zu werden!
Konsens erfordert also von allen die Bereitschaft, verantwortungsbewusst mit den eigenen Bedürfnissen umzugehen, und die der anderen zu akzeptieren. Konsens ist keine Wundermethode.
In Situationen, die besonders kontrovers sind, oder in denen es schnell gehen muss, ist besonders viel Übung und Konzentration nötig. Deshalb ist es wichtig, dass wir es auch als Lernraum begreifen, wenn wir uns mal ein bisschen Zeit lassen können mit einer Entscheidung.
3. Rollen
Auf dem ersten Treffen wurde ja bereits mit einem ModeratorInnen-Team, Redeliste und ProtokollantInnen gearbeitet.
Weitere Rollen könnten sein:
*· Das "Stimmungsbarometer". Achtet auf die Atmosphäre und Stimmung in der Gruppe und greift ein, wenn z.B. Müdigkeit, Aggressivität oder Überlastung zu spüren sind. Ist diese Rolle nicht besetzt, sollten alle verstärkt darauf achten.
*· Wer etwas sagen möchte und sich selbst nicht traut, kann zum "Mund" gehen, der dann für eineN spricht, einen Punkt einbringt.
Hinsichtlich der Redeliste ist es auch möglich, z.B. hinsichtlich versch. Kategorien (Geschlecht, Personen aus Städten, die nicht so stark vertreten sind, etc) abzuwechseln, oder, damit nicht immer dieselben reden, die Personen, die noch gar nichts gesagt haben, in der Redeliste vorzuziehen.
4. Handzeichen
Vorteile der Handzeichen:
* bei internationalen Debatten: erleichtern die gleichzeitige Übersetzung (wird nicht durch Applaus oder Zwischenrufe übertönt, Zwischenrufe sind für DolmetscherInnen nicht so einfach zu übersetzen)
- Machen Diskussion interaktiver, ermöglichen mehr Beteiligung
- Unterstützen / erleichtern Kommunikation und Entscheidungsfindung.
- Unterstützen / ergänzen die Moderation.
- Stören nicht so wie Dazwischenreden, sind eine anderer Ebene als Sprache, können nebenher wahrgenommen werden.
- Sind einfacher auszuführen als Wortmeldung bzw. Dazwischenrufen.
Name, Zeichen, Beschreibung, Beispiel:
"Stille": Alle Fingerspitzen berühren sich:
Die erste Person die Stille möchte macht dieses Zeichen, jede die es sieht greift es auf, bis alle still sind. Bitte alle ruhig sein!
"Meldung": Mit einer Hand melden:
Ich möchte auf die RednerInnenliste. Ich will was sagen.
"Direct Point": Mit beiden Zeigefingern melden:
Ich möchte direkt zu dem aktuellen RednerInnenbeitrag was sagen. Nicht mehr als zwei Sätze! - Ich kann das schnell klären ...
"Twinkeln": Mit beiden Händen wedeln:
Zustimmung. Sehe ich ganz genauso!
"Technical Point": Mit Händen ein "T" bilden:
Technische Bemerkung, die nichts mit dem Inhalt der Diskussion zu tun hat, aber sofort drankommen soll. Das Dach stürzt ein! / Essen ist fertig!
"Proposal / Process": Mit den Fingern ein "P" bilden:
Konkreter Vorschlag, inhaltlich oder zur Vorgehensweise. Ich hab ne Idee was wir jetzt machen!
"Disagree": Fingerflächen beider Hände voreinandergelegt mit ausgestreckten Armen:
Ablehnung. Das sehe ich nicht so.
"Lauter": Mit beiden Händen mit Handflächen nach oben:
RednerIn redet zu leise, ich verstehe nichts. Bitte lauter reden!
"Langsamer": Mit beiden Händen mit Handflächen nach unten:
RednerIn redet zu schnell, ich komme nicht mit. - Bitte langsamer reden!
"Veto": Erhobene Faust:
Ganz starke Ablehnung. Damit kann ich absolut nicht leben.
"Wiederholung": Hände umeinander kreisen lassen:
Die RednerIn wiederholt sich. Komm zum Punkt!
"Hä?": Die Finger einer Hand vor dem eigenen Gesicht bewegen:
Ich verstehe nicht was du meinst. Bitte Erklärung!
"Language": "L" aus Zeigefinger und Daumen:
Ich verstehe etwas sprachlich nicht. Bitte Übersetzung!
Ein Treffen, auf dem von allen viel Handzeichen verwendet werden, hat eine ganz andere Gesprächskultur als das normale "EineR redet, die anderen bohren in der Nase". JedeR kann durchgehend während der anderen Redebeiträge äußern, wie sie das findet, wie sie sich fühlt, ob sie mitkommt. Das klappt nur, wenn wir die Handzeichen auch wirklich oft benutzen! Nur dazusitzen und gar nichts zu tun heißt, leider, "Ich hör grad nicht zu", "Ich versteh nix, trau mich aber nicht das zu sagen" oder "Is mir egal". Wir sind alle dafür verantwortlich, dass die Entscheidungsfindung möglichst gut läuft. Wenn nur einige regelmäßig Feedback geben, fällt ihre Meinung viel stärker ins Gewicht. Es ist also an allen, sich während der ganzen Diskussion zu beteiligen, nicht nur mitzudenken wenn mensch selber redet. Dann ist es auch nicht mehr nötig, explizit ein Stimmungsbild abzufragen (mit dem man Gefahr läuft, zur Mehrheitsentscheidung zurückzufallen). Handzeichen benutzen ist vor allem Gewöhnungssache.
5. Konsensstufen
Beim Entscheiden über einen Vorschlag meldet sich jede Person bei einer der folgenden Konsensstufen und bezieht so Stellung zu dem Problem. Letztlich sind die Stufen natürlich auch nur irgendwo gezogen - ob es jetzt drei, vier oder fünf sind: es geht darum meine Position dazu zu finden, und zu entscheiden wie wichtig sie mir ist im Vergleich zur Gruppenmeinung.
1. Zustimmung: "Ich stimme dem Lösungsvorschlag zu." Ja auf der ganzen Linie, meine Bedürfnisse werden voll berücksichtigt.
2. Zustimmung mit Einschränkungen: "Ich stimme dem Lösungsvorschlag mit Vorbehalten zu." Ich finde die Lösung nicht optimal, sie steht aber meinen Bedürfnissen nicht im Weg und ich kann sie deshalb mittragen.
3. Ablehnung / Stand Aside: "Ich stimme nicht zu, kann den Vorschlag aber tolerieren." Ich bin gegen den Vorschlag, finde es aber okay wenn die anderen das so machen, wenn sie wollen. Ich werde dann unter Umständen nicht mitmachen.
4. Veto: "Ich bin so sehr gegen den Vorschlag, dass die Gruppe ihn nicht umsetzen darf." Es ist kein Konsens erzielt worden. Der Vorschlag ist entweder blockiert, oder die Gruppe muss sich trennen. Mit dem Veto übt eine einzelne Person eine große Macht aus, deshalb sollte jedeR damit verantwortungsvoll umgehen.
Ein Konsens ist hergestellt, wenn kein Veto eingelegt wird, und sich ausreichend viele Leute bei Stufe eins oder zwei melden. Denn - auch wenn es zwar kein Veto gibt, aber auch niemand so richtig für den Vorschlag ist, steht die Gruppe nicht wirklich dahinter.
6. Formales Konsensmodell
Für die Konsensmethode gibt es folgende schematische Vorgehensweise, die allerdings mehr als Orientierung dient, und streng durchgezogen v.a. in turbulenten Entscheidungsprozessen weiterhelfen kann:
1. Problemklärung: Verständigen über Situation und Einschätzen der Lage. Das Problem und alle dazugehörigen Informationen werden dargestellt, im Normalfall von der Person, die den Punkt auf die Tagesordnung gesetzt hat. Es gibt Nachfragen, damit alle Beteiligten auf dem gleichen Stand sind.
2. Entscheidungsfrage formulieren: Wichtig ist es genau zu klären, über welche Frage ein Entscheid ansteht, um Missverständnisse zu vermeiden. Unklare Fragestellungen führen zu unklaren Lösungen. Gibt es mehrere Sachen zu entscheiden: eins nach dem anderen.
3. Jede Person äußert ihr Bedürfnis zu der formulierten Frage: Jede Person äußert sich zu ihren Ängsten und Wünschen. Es wird noch nicht diskutiert. Reicht die Zeit, ist hierfür eine Runde gut. Muss es schnell gehen, nimmt die Moderation einige Wortmeldungen dran. Sie hält die Beiträge kurz und achtet darauf, dass viele etwas sagen können.
4. Ideenfindung: Es werden verschiedene Lösungsideen gesammelt und kurz vorgestellt. Wichtig: exakt formulieren. Bewertet werden die Vorschläge noch nicht, so kommen oft die ungewöhnlichsten Lösungsvorschläge zur Sprache.
5. Vorschläge diskutieren: Jetzt werden alle Vorschläge auf Vor- und Nachteile hin überprüft. Gebrauch von Handzeichen machen! Ist die Zeit sehr knapp, fallen Punkt 4 und 5 zusammen.
6. Konsensvorschlag herausarbeiten: Jetzt wird ein möglicher Konsens formuliert (oder mehrere, s.u.). Aus der Diskussion wird die Lösungsidee zusammengefasst, die den Bedürfnissen von allen möglichst nahe kommt. Einwände werden mit eingebaut.
7. Entscheiden: Jede Person bewertet den Vorschlag nach den oben beschriebenen Konsensstufen. Wenn es zu einem Konsens kommt, geht es mit Punkt 8 weiter. Wenn nicht, zurück zu Punkt 4.
8. Der Konsens wird umgesetzt: Das Ergebnis wird noch einmal genau genannt. Verantwortlichkeiten werden festgelegt (Wer macht was wann?)
9. Überprüfen: Nach einer festgelegten Zeit (beim nächsten Plenum, bei der Auswertung,...) sollte die Lösung noch einmal überprüft werden. Gab es Probleme, war die Lösung umsetzbar?
Mehrere Konsensvorschläge:
Idealerweise ergibt sich in Phase 6 ein Konsensvorschlag, der alle Bedürfnisse mit einbezieht. Oft stehen aber mehrere Vorschläge unvereinbar nebeneinander (z.B.: Nennen wir das Netzwerk so oder so?). In diesem Fall ist der Ablauf folgendermaßen:
- Wiederholen der Vorschläge (vielleicht kann man sie ja auf zwei oder drei reduzieren ...)
- Gibt es Vetos gegen einen der Vorschläge? Wenn ja, wird dieser hinten angestellt.
- Stimmungsbild, welcher der (übrigen) Vorschläge zuerst abgefragt wird.
- Mit Vorschlag 1 geht's dann weiter durchs Modell.
- Wenn ein Konsens zustande kommt, super. Wenn nicht, durchs Modell mit Vorschlag 2.
7. Kleingruppen
Auch die Aufteilung in Kleingruppen wurde beim letzten Treffen schon praktiziert, wodurch besser diskutiert werden kann und mehr Personen zu Wort kommen.
Eine Möglichkeit, mit den Vorschlägen aus den Kleingruppen einen Konsens zu entwickeln, wäre der klassische "SprecherInnenrat", in dem Informationen aus allen Gruppen zusammengetragen und Vorschläge für die Entscheidungsfindung gemacht werden, wobei diese dann (ggf. mehrfach) an die Kleingruppen zurückgegeben werden, die abschließend entscheiden.
Für unsere großen Treffen halten wir dieses Verfahren erst mal nicht für notwendig. Ggf. könnte darauf aber zurückgegriffen werden (wobei die Kleingruppen dann einzelne politische Zusammenhänge, Städtegruppen, etc. wären).
8. Wenn es keine Einigung gibt
In den meisten Fällen wird das Modell zum Konsens führen - vorausgesetzt, wir wollen wirklich eine Entscheidung treffen. Es kann aber auch Fälle geben, in denen eine oder mehrere Personen ganz anderer Meinung sind als der Rest der Gruppe und keine Lösung in Sicht ist. Hier einige Möglichkeiten, damit umzugehen. Die ersten beiden, Ablehnung und Stand Aside (Konsensstufe 3), erlauben, Vorbehalte zu äußern und die Gruppe mit der Entscheidung weitermachen zu lassen.
*· Ablehnung: "Finde ich nicht gut, aber ich kann damit leben und werde es auch mittragen".
*· Stand Aside: "Ich persönlich mache das nicht mit. Aber ich werde andere nicht davon abhalten". Ich bin dann nicht für die Konsequenzen verantwortlich. Das sollte im Protokoll festgehalten werden.
*· Veto / Großer Einwand: Blockiert den Vorschlag. Du sagst nicht "Ich finds echt nicht gut" oder "Ich fand den anderen Vorschlag besser" - du sagst "Ich kann mit dem Vorschlag nicht leben, und hier ist warum...!" Die Gruppe kann das Veto entweder akzeptieren, dann ist der Vorschlag vom Tisch. Das kann auch gut sein, um eine Diskussion zu beenden, die sich schon ewig im Kreis dreht. Oder sie kann entscheiden, dass sie es trotzdem machen will, und wenn sich der Vorschlag nicht so ändern lässt, dass das Veto zu einem Stand Aside wird, muss sich die Gruppe trennen.
*· Agree to disagree: Entscheidung, dass eine Entscheidung jetzt nicht getroffen werden kann. Wenn es doch sein muss, sind die Möglichkeiten:
Würfeln, eine Person entscheiden lassen, Rollentausch, Vorschlag aufsplitten, Grundsatzdiskussion, Mediation, Mehrheitsentscheidung.
*· Gruppe verlassen: Wenn eine Person oder Teilgruppe ständig anderer Meinung ist als der Rest der Gruppe, macht es Sinn sich zu trennen - für kurz, den Rest der Aktion, für länger oder für immer. Unter freien, gleichen Menschen mit unterschiedlichen Positionen kommt so was vor, das ist nicht schlimm. Spannend ist jetzt, wie die Ressourcen verteilt werden, und die Trennung respektvoll geschieht.
9. Wann besser keinen Konsens?
Im Konsensverfahren werden alle Bedenken, Einwände und Argumente gleich ernst genommen. Im Willen zur Zusammenarbeit und zur Berücksichtigung aller bei der Entscheidungsfindung unterscheidet sich der Konsens deutlich vom Mehrheitsentscheid. Wir können uns aber trotzdem darauf einigen, in bestimmten Situationen per Mehrheitsentscheid abzustimmen, die Person, die sich am meisten betroffen fühlt, entscheiden zu lassen, eine (rotierende) AnführerIn zu wählen (in Aktionsgruppen), oder eine Münze zu werfen. So etwas kann Sinn machen:
*· Wenn es keine gute Wahl gibt. "If the group has to choose between being shot and hung, flip a coin". Wenn wir uns zwischen schlechten Möglichkeiten entscheiden müssen, oder es gar keinen Entscheidungsspielraum gibt, kann eine Diskussion darüber einfach nur aufreibend sein.
*· "Wenn wir das Weiße in unseren Augen sehen können". Wenn sofortiges Handeln nötig ist, z.B. inmitten einer Aktion oder im Notfall, sollten entweder einige für alle entscheiden, oder jede Bezugsgruppe für sich. Gut, wenn wir uns vorher über diesen Fall verständigt haben.
*· Wenn die Sache trivial ist. Man kann auch eine halbe Stunde lang diskutieren, ob die Mittagspause 45 oder 60 Minuten lang sein soll.
*· Wenn wir ungenügend Informationen haben. Wenn wir das Problem im Moment nicht lösen können, hilft das Konsensverfahren auch nichts.
10. Literatur
# http://seedsforchange.org.uk/free/resources#grp
# http://seedsforchange.org.uk/free/consens
# http://www.x1000malquer.de/bezug.html
# http://www.jungdemokratinnen.de/material/reader/antiatom.pdf
# http://www.jukss.de/de/utopie/utopiearchiv/
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Konsens. Handbuch zur gewaltfreien Entscheidungsfindung. Werkstatt für gewaltfreie Aktion Baden, 2004
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