2007-12-18 

Mit Kanonen auf Spatzen geschossen - 3 Strafverfahren gegen Gipfelgegner eingestellt

Die ehemalige G8-Polizeitruppe Kavala hat heute erneut eine Niederlage vor
dem Rostocker Amtsgericht hinnehmen müssen. Staatsanwaltschaft und Gericht
einigten sich heute unter dem vorsitzenden Richter Klimasch und Staatsanwalt
Herrn Spieß darauf, 3 Verfahren gegen G8 Gegner wegen geringer Schuld, bzw.
schwieriger Beweisermittlung einzustellen. Zweimal erfolgten die
Einstellungen ohne Auflagen, einmal sollte ein Angeklagter lediglich 300
Euro Bußgeld an den Beratungsverein für Opfer rechtsextremer Gewalt
„Lobbi e.V.“ zahlen. Von den ursprünglich von der Staatsanwaltschaft
geforderten Strafbefehlen von bis zu 30 Tagessätzen blieb am Ende des
Verhandlungstages mal wieder nichts mehr übrig, beschrieb ein Sprecher der
Rostocker Prozessbeobachtungsgruppe das heutige Fiasko der
Strafverfolgungsbehörden.

Gesucht: Abramowski

Gesucht: Verantwortliche

Dem ersten Angeklagten wurde vorgeworfen, gegen das Schutzwaffenverbot bei
Teilnahme an Versammlungen verstoßen zu haben. In seinem Auto wurde im
Rahmen einer Fahrzeugkontrolle, ein Teleskopschlagstock gefunden, der aber
juristisch nicht eindeutig als Waffe zu bezeichnen war. Dabei blieb unklar,
inwieweit diese Situation mit den G8 Protesten im Zusammenhang stand.
Aufgrund rechtlicher Probleme bei der Tatbestandsbewertung erfolgte eine
Einstellung ohne Auflagen.

Im folgenden Strafverfahren wurde einem 20jährigen Heranwachsenden
vorgeworfen, während seiner Festnahme den festnehmenden Beamten geschlagen
zu haben. Nach Aussagen des Angeklagten, wurde er auf dem Nachhauseweg von
einer Anti-G8 Veranstaltung am 3.6 im Rostocker Stadthafen im Rahmen eines
Angriffs einer Polizeieinheit aus Göppingen zu Boden geworfen, an der
Schläfe verletzt und musste sofort wegen Verdachts auf Gehirnerschütterung
ins Krankenhaus eingeliefert werden. Der Angeklagte wurde nach eigenen
Worten gefesselt. Während eines folgenden Befreiungsversuches durch andere
DemonstrantInnen soll er nach schriftlichen Aussagen zweier festnehmender
Polizeibeamter einem davon ins Gesicht geschlagen haben. Der Heranwachsende
bestritt die Tat. Im Übrigen, so führte er aus, konnte er gar nicht
geschlagen haben, da seine Hände gefesselt waren. Für seine Unschuld
fehlten ihm aber die Entlastungszeugen, daher, so der Richter, würden die
schriftlichen Aussagen der beiden Polizisten schon sehr schwer wiegen. Weil
eine weitere, zudem sehr arbeitsaufwändige, reguläre
Verfahrensfortführung, egal wie es für den Angeklagten ausgeht, enorme
Erschwernisse mit sich bringt, z. B. Anreisekosten für Zeugen, Anwälte
usw. stimmte der Angeklagte einer Verfahrenseinstellung mit der Auflage der
Zahlung von 300 Euro an den Beratungsverein für Opfer rechtsextremer Gewalt
„Lobbi e.V.“ zu.

Im heutigen dritten Verfahren gegen einen 19 jährigen Heranwachsenden wurde
diesem vorgeworfen, sich während der Auseinandersetzung auf der
Großdemonstration am 2. Juni mit einem Schal vermummt zu haben, um sich
einer Identifizierung zu entziehen. Der Angeklagte sagte, er hätte sich
lediglich ein Tuch vor den Mund gehalten, um seine Schleimhäute vor dem
Tränengas zu schützen, welches die Polizei großräumig auf die
Demonstranten spritzte. Da das von der Polizei beschlagnahmte
Vermummungsobjekt zwischenzeitlich bei den Strafverfolgungsbehörden
verlustig gegangen war, konnte nun nicht mehr geklärt werden, ob es
tatsächlich ein Schal oder Tuch gewesen sei. Die Klärung dieser Frage
hätte aber Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Aussage des
Angeklagten gehabt. Auch gab es weder Bild- noch Fotomaterial von der
Festnahme, wie dieses normalerweise üblich ist. Aufgrund dieser mangelnden
Beweislage und weil eine eventuelle Schuld ohnehin nur sehr gering sein
würde, stellten Staatsanwaltschaft und Richter das Verfahren ein.

Richter Klimasch kommentierte diesen G8 Prozesstag mit Strafverahren gegen
Heranwachsende mit den Worten: „Hier wurde mit Kanonen auf Spatzen
geschossen.“
Die Einstellung aller heutigen Prozesse gegen heranwachsende Gipfelgegner
hat einmal mehr gezeigt, dass Staatsanwaltschaft und Polizeitruppe Kavala
keinen Anlass ausließen, um mit einer z. T. grotesk schlechten Beweislage
Gipfelkritiker vor das Gericht zu zerren, obwohl von vornherein klar war,
dass dies sowieso zur Einstellung führt, sobald sich die Betroffenen mit
Einsprüchen zur Wehr setzen. Ziel war es offensichtlich, möglichst viele
Verfahren gegen Gipfelgegner in Gang zu setzen, in der Hoffnung, dass etwas
hängen bleibt und man so die Kriminalitätsstatistik der G8-Proteste in die
Höhe schrauben kann, so ein Sprecher der Rostocker
Prozessbeobachtungsgruppe der G8 Kritiker.

Prozessbeobachtungsgruppe Rostock