2007-01-03
Jungle World Nummer 01 vom 3. Januar 2007
Vereinnahmen lässt sich, wer sich vereinnahmen lassen will. von anita baron
Campino kommt, Dr. Motte darf nicht fehlen, und vielleicht ist auch Claudia Schiffer wieder dabei. Vor zwei Jahren, anlässlich des G 8-Gipfels in Schottland, traten sie mit Bob Gel dof und Bono bei »Live 8« auf, um die »Menschen für Afrika zu sensibilisieren«. Die selbst ernannte Vorhut der Zivilgesellschaft wird sich auch in diesem Jahr die Gelegenheit kaum nehmen lassen, beim G 8-Gipfel in Heiligendamm auf sich und auf die Gefahren der Globalisierung aufmerksam zu machen.
An prominenter Unterstützung aus der deutschen Politik wird es ihnen nicht mangeln. Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach, der den Gipfel maßgeblich vorbereitet, hat sich bereits im November mit Bono getroffen und sich »exzellent mit ihm verstanden«, wie er dem Tagesspiegel verraten hat.
Pfaffenbach weiß, dass der Gipfel nicht mehr in einer Form organisiert werden kann, die an ein Tête à Tête von Fürsten und Königen erinnert. Spätestens seit dem medialen Desaster von Genua, als die Berichterstattung in Tränengasschwaden unterging, hat sich das Konzept geändert. Heute müssen Gipfeltreffen wie popkulturelle Ereignisse zelebriert werden, um einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Entsprechend leutselig lautet nun die Botschaft. »Es kann nicht bloß um mehr Geld gehen. Was wir vorhaben, ist mehr wert als Geld«, philosophiert Pfaffenbach, der den G 8 gerne als eine Art Philantrophen-Club darstellt. »Es geht um Frieden, Sicherheit und vor allem um gute Regierungsführung.« Der Abbau globaler Ungleichgewichte solle ebenso besprochen werden wie die katastrophale Lage in Afrika. Zudem habe die Erfahrung gezeigt, dass die Zivilgesellschaft in die Debatte einbezogen werde müsse.
Unter dem ungelenken Motto »Die Welt ist zu Gast in Mecklenburg-Vorpommern« möchte die Bundesregierung deswegen ausdrücklich Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) ansprechen. Schließlich hat sie ihnen einiges anzubieten. Auf ihrer offiziellen Webseite zum Gipfel lobt sie das zivile Engagement und betont, dass sie »intensive Gespräche mit NROs« führen werde. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Treffen mit diesen Organisationen vereinbart, denn im Grunde gehe es allen um die gleiche Sache: »Das Ganze menschlich zu machen in dem Wissen, dass Wirtschaft kein Selbstzweck ist«, wie sie Ende November auf der Konferenz »Globalisierung fair gestalten« erläuterte.
Eine Vorstellung, die durchaus Zustimmung findet. Denn nicht nur die Regierung hat ihre »Performance« reformiert, auch die NRO-Szene ist professioneller und in ihrer Kritik »nachhaltiger« geworden. Aus den laienhaften Bürgerinitiativen sind professionelle Politikberater geworden, die heute »ebenso gut organisiert sind wie Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften«, wie die Bundesregierung anerkennend bemerkt.
So lobt die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam auf der »G 8-NGO-Plattform« ausdrücklich Bundeskanzlerin Merkel, die »Führungskraft bewiesen« habe, indem sie Afrika weit oben auf der Tagesordnung des Gipfeltreffens platzierte. »Für die ärmsten Menschen der Welt muss der Gipfel in Heiligendamm mehr als ein G 8-Fototermin sein«, erklärt dort ganz staatsmännisch Jörn Kalinski, der Kampagnenleiter von Oxfam-Deutschland.
Bei so viel Sympathie von allen Seiten hat Angela Merkel gute Chancen, im nächsten deutschen Sommermärchen zum »Klinsmann der Politik« zu werden, wie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kürzlich prophezeite. Fehlt nur noch, dass Franz Beckenbauer in Heiligendamm zum Fotoshooting für Afrika erscheint.
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