2007-11-30
Nicht jeder militante Widerstand ist Terrorismus – dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. Autos anzünden ist etwas anderes als Bomben legen. Doch womit muss rechnen, wer seine Überzeugung mehr oder minder gewaltsam vertritt? Einige Beispiele.
Wenn ein Auto – sei es von Privat, von einem Unternehmen, von der Polizei oder von der Bundeswehr – in Flammen aufgeht, so macht dies laut BGH aus dem Täter noch keinen Terroristen. Weder verbreitet die Tat Angst und Schrecken unter der Bevölkerung, noch beeinträchtigt es den Staat als Ganzes.
Im konkreten Fall mussten drei Mitglieder der linksextremen “Militanten Gruppe” umgehend aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Ihnen wird vorgeworfen, Fahrzeuge angezündet zu haben. Für Ermittlungen nach dem Terrorismus-Paragraphen 129a muss allerdings ein gewisses Mindestmaß an Staatsgefährdung nachgewiesen werden, urteilt der BGH. Dafür genügen Brandanschläge alleine nicht. Die Gruppe sei zwar kriminell, aber nicht terroristisch, so die Richter. Denn solche Straftaten müssen die Bevölkerung erheblich einschüchtern, eine Behörde nötigen oder die Grundstruktur des Staates erheblich beeinträchtigen. Ein gewichtiger Unterschied: Bei einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung wird mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet.
Luft aus dem Auto lassen
Die Luft aus mehr als einem Autoreifen zu lassen, ist natürlich auch kein terroristischer Akt – aber eine Sachbeschädigung. Seit einiger Zeit ist in Berlin eine Anti-SUV-Guerilla unterwegs, deren Aktivisten kleine Steinchen oder Stifte in die Ventile von Luxusautos drücken und damit die Luft aus den Reifen lassen. An der Windschutzscheibe hinterlegen sie Bekennerschreiben, mit der Bitte: „Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie die kurzfristige Stilllegung ihres Riesenautos in eine langfristige verwandeln würden.“ Die Täter wollen so auf die Belastung des Klimas durch die PS-Protze hinweisen.
Nach Polizeiangaben wurden so schon mehr als 200 Fahrzeuge “stillgelegt”. Auch wenn die Reifen nicht beschädigt werden, so liegt eine Sachbeschädigung laut Bundesgerichtshof durch die „erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung“ des Autos vor. Eine Sachbeschädigung kann laut Paragraph 303 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Allerdings gibt es Juristen, die angesichts einer Schadenssumme von null Euro gegen den Tatbestand der Sachbeschädigung in diesem Fall argumentieren. Umstritten sind zudem die Ermittlungen des Staatsschutzes gegen die Umweltaktivisten. Dieser ist für politisch motivierte Kriminalität zuständig.
Ein Terrorcamp besuchen
Schwerer wiegt vor dem Gesetz unter Umständen der Besuch eines Terrorcamps. Wer sich dort ausbilden lässt, muss mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen – vorausgesetzt er plant auch einen konkreten Anschlag. Dies sieht ein Gesetzesentwurf von Bundesjustizministerin Zypries (SPD) vor. Ein neuer Paragraph 89a soll sich auf die „Vorbereitung einer Gewalttat“ beziehen – die einfache Bildungsreise nach Pakistan bleibt davon unberührt. Diese Regelung wird nicht dem Paragraphen 129a zugeordnet, sondern dem allgemeinen Staatsschutzrecht. Dadurch können auch Einzelpersonen überwacht werden – die Zugehörigkeit zu einer Vereinigung ist nicht notwendig.
Die Vorbereitung eines terroristischen Anschlags umfasst nach dem Modell auch das Beschaffen von Sprengstoff und Zubehör zum Bombenbau sowie die Finanzierung. Im Zuge dieser Verschärfung des Strafrechts soll auch betraft werden, wer Bombenbau-Anleitungen ins Internet stellt, und zwar mit bis zu drei Jahren Haft. Dazu soll ein weiterer Paragraph (91) ins Strafgesetzbuch eingefügt werden.
Über Widerstand und Terrorismus berichten
Gestützt auf den Terrorismusparagraphen 129a bespitzeln staatliche Stellen auch Journalisten. So hat die Bundesanwaltschaft zuletzt Gespräche mit Informanten aus der linken Szene abhören lassen und die Inhalte protokolliert. Im Zusammenhang mit der “Militanten Gruppe” kontrollierten die Behörden zudem die Post von vier Berliner Tageszeitungen. Betroffen waren der Tagesspiegel, die „Berliner Zeitung“, die „Berliner Morgenpost“ und die „BZ“. Die Ermittler suchten Bekennerschreiben der mutmaßlichen Linksextremisten. Das BGH-Urteil zum Terrorismusparagraphen dürfte auch auf die Ermittlungsmethoden bei der Suche nach „Störenfrieden“ Auswirkungen haben.