2007-11-16
Der Schwarze Block sei Wahlhelfer der SVP gewesen, denn die Ausschreitungen in Bern hätten der SVP zum Wahlsieg verholfen, tönte es einhellig aus der Schweizer Medienlandschaft. Besonders die linken Parteien wurden nicht müde diese Aussage immer wieder als Erklärung für den Ausgang der Wahlen heran zu ziehen.
Doch welche Wahl?
Am 21. Oktober gingen nur die Hälfte der Stimmberechtigten wählen, die andere Hälfte hat - bewusst oder unbewusst - die Wahlen boykottiert. AusländerInnen und Jugendliche, welche einen grossen Teil der ArbeiterInnenschaft ausmachen wurden noch nicht einmal gefragt. Und zur Wahl stand wie immer nicht das System sondern nur VertreterInnen innerhalb desselben.
Und welcher Wahlsieg?
Die SVP ist bereits seit 4 Jahren die wählerInnenstärkste Partei der Schweiz. Diese Schweiz wird seit Anbeginn von einem bürgerlichen Block regiert, daran ändern auch die beiden BundesrätInnen der SP nichts. Der Eintritt der SP in den Bundesrat war überhaupt erst möglich, nachdem sie ihre sozialistischen Forderungen aufgegeben hatte und so zur bürgerlichen Partei mit leicht sozialem Anstrich wurde. Die Schweiz war vor dem 21. Oktober bürgerlich regiert und kapitalistisch organisiert und sie ist es auch heute noch.
Wer zahlt, gewinnt
Den Aufstieg von der kleinen Bauern-, Bürger- und Gewerbepartei zur Massenpartei erlangte die SVP vor allem durch eine in letzter Zeit offen rassistische Politik, welche die latent vorhandenen fremdenfeindlichen Tendenzen in der Bevölkerung ansprach und zu schüren vermochte. Der Wahlkampf der SVP wurde professionell geführt und Geld spielte dabei offensichtlich keine Rolle. Rund 5'000'000.- Fr. wurden alleine nach Angaben der SVP investiert. Der Betrag dürfte aber tatsächlich viel höher sein, wenn wir an die vielen Elemente dieser Kampagne denken: die weltweit berühmt gewordenen Schäfchenplakate, das Zottelgame, indem gegen AusländerInnen und Linke gehetzt wird, eine vollständig auf Bundesrat „Duce“ Blocher fixierte Verschwörungstheorie, ganzseitigen Zeitungsinserate, Blocher-TV, Massenaufmarsch, „Himmel und Hölle“ und weitere Propaganda-Videos...
Angesichts dieser massiven Wahlkampagne und dem enormen Mitteleinsatz erscheint ein Stimmenzuwachs von drei Prozentpunkten eine doch eher bescheidene Ausbeute zu sein. Den Punktegewinn der SVP jetzt mit den Krawallen zu begründen erscheint vor diesem Hintergrund mehr als fragwürdig. Die Begründung wird für uns auch nicht glaubhafter, nur weil Medien und PolitikerInnen dies weiterhin in selten gesehener Eintracht behaupten.
Wer zahlt, befiehlt
Warum will man uns aber dieses Bild übermitteln? Warum wurde nicht über die mehreren tausend DemonstrantInnen berichtet, die sich der SVP mit bunten Aktionen entgegenstellten? Warum wurde nicht über die Solidarität der AnwohnerInnen berichtet, die Antifas in ihre Hauseingänge flüchten liessen um sie vor der Polizei zu schützen? Über die PassantInnen, die applaudierten? Warum überhaupt diese Schuldzuweisungen an RevolutionärInnen und AntifaschistInnen?
Die Tagesmedien entblössen hier ihr wahres Gesicht. Die „vierte Gewalt“ im Lande ist letztlich eine bürgerliche Instanz, welche sich sobald Risse im System sichtbar werden, mit aller Kraft auf die Seite des Staates und des Kapitals stellt. Mit der absurden Behauptung, wer etwas gegen die SVP mache, nütze ihr nur, wollen sie die Bewegung lähmen. Indem die Medien den Menschen, die den Marsch der SVP verhindert haben, ein schlechtes Gewissen machen, sollen zukünftige Aktionen im Vornherein sabotiert werden. Allgemeine Ohnmacht soll an die Stelle von Widerstand treten. Auch die Taktik „teile und herrsche“ wird wieder einmal angewendet: Die AntifaschistInnen sollen sich durch die „Gewaltfrage“ selbst zerfleischen.
Selbst kritische JournalistInnen haben dabei keine Wahl, da sie auf den Goodwill ihrer Redaktion angewiesen sind, welche wiederum von den BesitzerInnen und dem Verwaltungsrat (hier lohnt sich ein Blick zum Beispiel in das Organigramm von Tamedia) abhängig ist. Zudem ist klar, dass auch die Medien nicht auf Werbeeinnahmen verzichten können - streng nach dem Motto: Wessen Brot sie essen, dessen Lied sie singen.
Aussen rot und innen?
Bei den Linken Parteien, allen voran der SP, erklärt sich diese Sündenbocksuche nicht zuletzt aus ihren eigenen Wahlschlappen. Nicht fähig, selbst eigene Themen in den Wahlkampf einzubringen, suchen sie nun bei andern die Fehler für ihr eigenes Versagen. Selbst wenn man uns nachsagt, dass wir als AnarchistInnen wenig vom Wahlkampf verstehen, ist uns dennoch aufgefallen, dass grosse Teile der Linken sich alleine auf die Person Blochers konzentrierten - wobei politische Inhalte gänzlich auf der Strecke blieben - während der andere Teil bestrebt war, die SVP mit eigenen Forderungen rechts zu überholen (Knast für 14-jährige, Demoverbote, Gassen(küchen)hatz...). Diese Unentschlossenheit zeigte sich bei der SP sowohl darin, dass Wahlplakate zwar entwickelt, im letzten Moment jedoch zurück gezogen wurden, als auch im inflationären Gebrauch von Distanzierungen - es fehlte nur noch eine Distanzierung der SP gegenüber sich selbst. In Anbetracht dieses „Wahlkampfes“ ist es für uns ein Rätsel, wie es die SP überhaupt geschafft hat, zweitstärkste Partei zu bleiben.
Gegen Gewalt?
In einem Punkt aber sind sich SP, grosse Teile der Grünen, die Medien und die restlichen bürgerlichen Kräfte bis aufs Haar gleich. Ihre scheinbare Ablehnung der Gewalt ist heuchlerisch. Solange die Gewalt von den Besitzenden des staatlichen Gewaltmonopols (Polizei, RichterInnen) oder den KapitalistInnen (strukturelle Gewaltformen wie Ausbeutung) ausgeht, haben sie nämlich kein Problem damit. Im Gegenteil, sie unterstützen diese Gewalt sogar. Erst wenn das Gewaltmonopol durchbrochen wird - oft gerade wenn sich Menschen direkt gegen dieses System und seine Auswüchse zu wehren beginnen - sprechen sie überhaupt von „Gewalt“.
Kampf auf der Strasse, Kampf in der Fabrik...
Alle wollen sie uns weiss machen, jene Gewalt vom 6. Oktober habe unseren Anliegen nur geschadet. Doch wir wissen, dass das nicht stimmt. Denn wir haben gezeigt, dass sich RassistInnen auch mit Grossaufmärschen und unter Polizeischutz nicht sicher fühlen können, wenn AntfaschistInnen und RevolutionärInnen Widerstand ankündigen und leisten. Und wir haben die Fronten geklärt, indem wir die angeblich „neutralen“ Medien entlarvt haben. Wir haben gesehen, dass sich Widerstand und direkte Aktion lohnen, dass wir gewinnen können, wenn wir uns organisieren und zusammen halten! An diesen Erfolg gilt es anzuknüpfen. Bauen wir den Druck der Strasse aus und machen wir Druck in den Fabriken, auf den Baustellen, in den Schulen, den Quartieren...
...das ist unsere Antwort auf ihre Politik
Für uns gilt auch heute noch, was wir bereits am 7. Oktober gesagt haben: „Wir brauchen uns nicht zu schämen; im Gegenteil, wir können stolz sein. Wir haben es geschafft einer Partei, die für Führerkult, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Kapitalismus steht, den Zutritt in unsere Stadt zu verwehren - wir haben Stand gehalten!“
der Kampf geht weiter - jetzt erst recht!
Anarchistische Aktion Bern, Autonome Gruppe Bern, Bündnis Alle gegen Rechts, Freie ArbeiterInnen Union Bern, Organisation socialiste libertaire Biel
Siehe auch: SVP scheitert mit „Marsch auf Bern“
http://de.indymedia.org/2007/10/196800.shtml
[http://de.indymedia.org/2007/11/199550.shtml]