2007-11-08 

8.11.2007 Heiligendamm -- Genua

- Rostock G8: Urteile im Berufungsverfahren
- MVregio: Haftstrafe für 22-Jährige wegen Steinwurfs bei G8-Demonstration
- Prozesswelle gegen G8-GegnerInnen - Demonstration in Rostock
- Abendblatt: Terrorverdacht Prozess vor Bundesgerichtshof - G8-Gegner und Rote Flora heimlich verwanzt?
- stattweb.de: Ist die militante Gruppe etwa gar keine terroristische Vereinigung?
- Ein Gespräch mit Mirko Mazzali
- Schnüffelstaat explodiert

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Rostock G8: Urteile im Berufungsverfahren

Heute fanden zwei Berufungsverfahren vor dem Landgericht in Rostock wegen der Ausschreitungen vom 2. Juni im Rostocker Stadthafen statt. Ein 20-jähriger Spanier und eine 22-jährige Deutsche waren in einem beschleunigten Verfahren jeweils zu 9 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt wurden. Beide hatten die Urteile angefochten, so dass es heute im Saal 035 zu einer erneuten Verhandlung kam.

Das erste Verfahren dauerte nicht viel mehr als halbe Stunde. Das Urteil wurde aufgehoben und an das Amtsgericht zurückverwiesen. Der aus Saragossa stammende Spanier war in seinem ersten Verfahren am 06.06.07 verurteilt wurden. Die Kammer monierte die fehlende Zuständigkeit.

So war der junge Mann von einem Strafrichter verurteilt worden, gleichzeitig stand jedoch eine Zuständigkeit des Jugendgerichtes im Raum. Da aus den Protokollen und dem Urteil nicht genau hervorging in welcher Funktion der Richter urteilte, wurde nun eine Neuverhandlung beschlossen. Die Staatsanwaltschaft scheiterte damit mit ihrem Versuch, das Urteil zu berichtigen. Stattdessen setzte sich die Verteidigung mit ihrer Linie durch. Denn auch das Gericht sah in dem bisherigen Procedere einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Strafprozessordnung.

Im zweiten Prozess zeigte sich die Angeklagte weitgehend geständig. Sie räumte ein, aus einer unfriedlichen Menge heraus einen Stein in Richtung Polizei geschleudert zu haben. Dank Videobeweis und der Aussage des 27-jährigen Polizeibeamten Stefan Golz galt der Tatvorwurf bereits vor der Verhandlung als unstrittig. Spannend hingegen war die Frage inwieweit die zur Zeit arbeitslose Frau mit einer Aussetzung zur Bewährung rechnen konnte. Besonders bemerkenswert war ferner, dass auf dem Polizeivideio deutlich ein Übergriff des festnehmenden Beamten der 23. Einsatzhundertschaft aus Berlin dokumentiert worden war. Die währendder Flucht vor den anrückenden Beamten gestrauchelte Angeklagte, war von noch am Boden liegende Angeklagte war mit dem Fuß in den Oberkörper getreten worden. Der Beamte rechtfertigte die Handlung, als Schockmaßnahme um die Flucht zu verhindern. Gegen ihn läuft bereits ein Ermittlungsverfahren in dieser Angelegenheit. Bei der weiter andauernde Gewalt seitens der Beamten während der Festnahme, erlitt die aus Bayern stammende Frau erhebliche Hämatome und Schürfwunden im Gesichtsbereich. Nachdem ein Arzt jedoch die Haftfähigkeit festgestellt hatte, saß sie bis zum 06. Juni 07 4 Tage in Untersuchungshaft.
Nachdem der Tathergang und ihre Täterschaft unstrittig waren, begutachtete das Gericht ausführlich alle Umstände die für und wider der Angeklagten sprachen. Dabei wurde dem Geständnis nur wenig Beachtung geschenkt, zumal die Angeklagte Reue vermissen ließ. Zu ihren Ungunsten sprach nach Auffassung des Gerichts weiter, dass die Angeklagten bereits mit ähnlichen Delikten aktenkundig geworden ist. So erhielt sie Geldstrafen nach Angriffen auf Polizeibeamten. Am 6.09. wurde sie zu einer 3 - monatigen Bewährungsstrafe verurteilt, nachdem sie am 1. Mai in Nürnberg einen Beamten angegriffen hatte. Diese Vorstrafe wurde in dem Urteil einbezogen und so stand am Ende das Urteil über eine 11-monatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Das Gericht konnte keine günstige Sozialprognose erkennen. Allgemein wurde das Urteil nachdem Verfahrensverlauf von allen Beteiligten erwartet. In ihrem Schlusswort geißelte die Angeklagte die Politik der G8 und griff mit scharfen Worten insbesondere imperialistische Bestrebungen der G8-Staaten im Irak, Afghanistan und Tschetschenien an. Als scheinheilig bezeichnete sie die Klimapolitik der G8 sowie die Maßnahmen zur Entschuldung der 3. Welt.

[http://de.indymedia.org/2007/11/198801.shtml]

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MVregio: Haftstrafe für 22-Jährige wegen Steinwurfs bei G8-Demonstration

08.11.2007: Rostock/MVregio Wegen eines Steinwurfs gegen Polizisten bei einer Anti-G8-Demonstration im Juni in Rostock ist eine 22-Jährige vom Landgericht Rostock zu elf Monaten Haft verurteilt worden.

Die junge Frau aus Bayern war vier Tage nach der Demonstration bereits in einem beschleunigten Verfahren vom Amtsgericht Rostock zu neun Monaten Haft ebenfalls ohne Bewährung verurteilt worden. Die 22-Jährige, die mehrfach wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt vorbestraft ist, hatte im Prozess ein Geständnis abgelegt. Demnach habe sie reflexartig zu einem Stein gegriffen und diesen gegen die Polizisten geworfen, um Freunde gegen Angriffe von Beamten zu schützen. Mit dem in einem Video dokumentierten Wurf hatte sie niemanden getroffen oder verletzt.

In einem weiteren Prozess hob das Landgericht am Mittwoch ein ebenfalls in einem Schnellverfahren gefälltes Urteil von neun Monaten Haft gegen einen 20-jährigen Spanier auf und verwies den Fall an das Amtsgericht zurück. Laut Landgericht war in dem Urteil nicht genügend geklärt worden, ob es von einem Straf- oder Jugendrichter ausgesprochen worden wurde. Beide Angeklagten hatten gegen die Urteile des Amtsgerichtes Berufung eingelegt.

Am Rande der ansonsten friedlichen Demonstration mit mehreren zehntausend Menschen war es am 2. Juni, dem Samstag vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm, im Rostocker Stadthafen zu einer Straßenschlacht zwischen rund 2000 militanten Autonomen und der Polizei gekommen. Dabei waren mehrere hundert Menschen leicht verletzt worden, einige schwer.

Bei der Verurteilung der 22-Jährigen sah es das Landgericht als erschwerend an, dass sie in den vergangenen Monaten wiederholt Polizisten bei Demonstrationen angegriffen hatte. Zuletzt war sie deshalb vom Amtsgericht Nürnberg zu drei Monaten Haft mit Bewährung verurteilt worden. Diese Strafe wurde vom Landgericht in den Urteilsspruch miteinbezogen. Zudem zeige sie keine Reue, kritisierte der Richter. Sie habe nichts aus früheren Verurteilungen gelernt.

[http://www.mvregio.de/nachrichten_region/70045.html]

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Italien: Prozesse gegen Globalisierungskritiker sechs Jahre nach dem G-8-Gipfel in Genua. Prozesswelle gegen G8-GegnerInnen - Demonstration in Rostock

Pressemitteilung 7. November 2007

* Prozesswelle gegen G8-GegnerInnen
* Demonstration gegen Justizwillkür und Überwachungsstaat am 17.11 in Rostock

Mit einer Veranstaltungswoche und einer Demonstration am 17.11 unter dem Motto: „Gegen Überwachungsstaat und Justizwillkür“ reagiert ein Bündnis verschiedener linker Rostocker Gruppen auf die von Staatsanwaltschaft und G8-Polizei angekündigte Prozesslawine gegen G8-GegnerInnen.

Aufgrund der ersten anberaumten Verfahren gehen VertreterInnen des Antirepressionsbündnis inzwischen allerdings davon aus, daß die angekündigten 1100 Strafverfahren hauptsächlich dem Zweck dienen, den Widerstand zu kriminalisieren und der Polizei im Nachhinein eine Rechtfertigung für die während des Gipfels durchgeführte Massenfestnahme von über 1000 Gipfelgegnern zu geben.

Bei den Strafbefehlen handelt es sich zumeist um sehr abenteuerliche Vorwürfe, wie z. B. das Vermummen mittels einer Regenhose, das passive Bewaffnen mittels eines Gebissschutzes oder den Verstoß gegen das Versammlungsgesetz durch das Verlassen des Bürgersteiges während einer Demonstration. Polizei und Staatsanwaltschaft setzen darauf, daß nur wenige Gipfelgegner bereit sind, wegen eines Strafbefehls von 50 Euro oder 20 Tagessätzen den Weg zum Gerichtssitz nach Rostock auf sich zu nehmen und gegebenenfalls noch auf den Anwaltskosten sitzen zu bleiben.

Neben der Kritik an der Kriminalisierung der G8-Proteste wendet sich das Antirepressionsbündnis auch gegen das Verhalten der Strafverfolgungsbehörden bzgl. des Naziladens im Rostocker Stadtteil KTV. Während sich die Nazis unter den Augen der Polizei mit Knüppeln und Eisenstangen bewaffnen können wird gegen friedliche Anwohner massiv mit Polizeigewalt und Ermittlungsverfahren vorgegangen.

Die Rostocker AktivistInnen wollen mit der Demonstration am 17.11, zu der Unterstützung aus dem gesamten norddeutschen Raum erwartet wird, sowohl gegen die Einschüchterung durch die Justiz protestieren als auch auf die zunehmende internationale Vernetzung der Repressionsbehörden aufmerksam machen, für die die G8 Gipfel und deren justizielle Nachbereitung ein wichtiges Testfeld sind. Bewußt wird dabei an eine am gleichen Tag stattfindende Demonstration in Genua angeknüpft. Derzeit wird in Genua 25 Leuten wegen der Teilnahme an den Auseinandersetzungen um dem G8-Gipfel 2001 ein Prozess gemacht, bei dem die Staatsanwaltschaft insgesamt 225 Jahre Haft fordert und von den Beschuldigten Schadensersatz für den Imageverlust der Stadt Genua verlangt.

Ab morgen beginnt die Veranstaltungswoche des Antirepressionsbündnis ab 19 Uhr 30 im Cafe Median, Niklotstr.5-6 unter dem Titel „Reise nach Absurdistan“ mit einem Überblick über die laufenden Verfahren gegen die Gipfelgegner durch VertreterInnen des anwaltlichen Notdienstes und der Roten Hilfe. In den folgenden 4 Veranstaltungen wird z. B auf die internationale Polizeizusammenarbeit sowie die Möglichkeiten kreativer Antireperession mittels direkter Aktion eingegangen.

Kontakttelefon: Dieter Rahmann, 0179-6268785

* Webseite zur Demonstration: http://antirep.blogsport.de
* Veranstaltungswoche: http://antirep.blogsport.de/Veranstaltungswoche

[Rostocker Antirepressionsbündnis]

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Abendblatt: Terrorverdacht Prozess vor Bundesgerichtshof - G8-Gegner und Rote Flora heimlich verwanzt?

Hamburger Linksautonome, die im Vorfeld des G8-Gipfels (Anfang Juni in Heiligendamm) als Terrorverdächtige ins Visier der Ermittler geraten waren, sind offenbar in ihren Wohnungen belauscht worden. Auf Veranlassung der Bundesanwaltschaft (BA) sollen mehrere Wohnungen einen Monat lang heimlich verwanzt worden sein, so der Hamburger Rechtsanwalt Andreas Beuth. Telefonate und private Gespräche seien aufgezeichnet worden. Beuth: "Ein großer Lauschangriff, der sich nahtlos in eine Kette überzogener Maßnahmen einreiht." Laut Beuth steht die BA zudem im Gerichtsverfahren, das derzeit beim Bundesgerichtshof anhängig ist, "unmittelbar vor einer schweren Schlappe".

Nach mehreren Anschlägen auf Häuser und Autos von Persönlichkeiten aus Politik und Industrie hatte die Bundesanwaltschaft Wohnungen und den Autonomen-Treff Rote Flora durchsuchen lassen. Verdächtige wie der Hamburger Altlinke Fritz S. (68) mussten DNA- und Geruchsproben abgeben. Die Anklagebehörde vermutete, dass ein Netzwerk hinter den Anschlägen steckte. Sie leitete ein Verfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung (Ý 129 a StGB) ein. Im Rahmen der Ermittlungen, das bestätigte die Bundesanwaltschaft drei Hamburger Anwälten, sind offenbar Abhöranlagen installiert worden. Am 9. Mai sollen die Wanzen heimlich ein, am 8. Juni heimlich wieder ausgebaut worden sein. Laut den Anwälten habe die BA auch versucht, die Rote Flora zu verwanzen. Davon habe man aber "aufgrund der Sensibilität des dort verkehrenden Publikums" Abstand genommen. Laut Anwalt Beuth könnten gleichwohl bei der Razzia in der Flora Überwachungsanlagen eingebaut worden sein. Beuth: "Unter dem Deckmantel der Terrorabwehr werden die Betroffenen bis in die Privaträume bespitzelt. Die BA hat versucht, eine totale Kontrolle aufzubauen." G8-Gegner hatten schon kurz nach der Razzia ihrem Unmut Luft gemacht: Die Ermittler hätten Kritiker vor dem Gipfel mundtot machen, sie quasi präventiv in Sippenhaft nehmen wollen.

Der Bundesgerichtshof, bei dem die Verfahren gegen die damals inhaftierten G8-Gegner derzeit anhängig sind, hat laut Beuth am 22. Oktober erste Tendenzen zur Wertung der Straftatbestände abgegeben. Demnach sehen die Richter den Straftatbestand des Ý 129 a bei den einzelnen Taten als nicht erfüllt. Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen und das Besprühen von Gebäuden seien keine Straftaten, die dazu bestimmt sind, die bestehende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu erschüttern. Die Sprecher der BA sagen zu den aktuellen Entwicklungen nur so viel: "Zu laufenden Verfahren nehmen wir keine Stellung. Es ist richtig, dass der Bundesgerichtshof voraussichtlich bald über die Beschwerden der Verteidiger zu entscheiden hat. Wir werden sehen, was dabei herauskommt."

erschienen am 7. November 2007

[http://www.abendblatt.de/daten/2007/11/07/813554.html]

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stattweb.de: Ist die militante Gruppe etwa gar keine terroristische Vereinigung?

In einer über indymedia vorab zur Verfügung gestellten Mitteilung des bei "Badische Zeitung" und "taz" schreibenden Rechtsexperten Christian Rath könnten die drei immer noch einsitzenden Berliner- als Mitglieder der mg und damit als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung verdächtigt - im Lauf dieser oder der nächsten Woche ihre Zellen verlassen und das weitere Verfahren in Ruhe bei sich daheim abwarten.

Nach einem Rath zur Kenntnis gebrachten Schreiben der Bundesrichter an die Bundesanwaltschaft steigen selbt unter roten Roben Zweifel auf, ob man über die bloße Absicht, drei Lastwagen zu grillen, tatsächlich die Grundfesern unserer Gesellschaftsordnung erschüttern kann. Das wäre nämlich nach der Novellierung eine Voraussetzung von 129a. Die alte Fassung des Paragraphen, wie sie gegen die RAF angewendet worden war, war so weit gefasst, dass Verdachtschöpfung und dringender Tatverdacht eins und das selbe wurden.

Die Bundesanwaltschaft führt derzeit mehrere Ermittlungsverfahren wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" gegen vermeintliche Aktivisten der mg.

Andrej ist vom "dringenden Tatverdacht" schon mal freigesprochen worden und unterliegt nur dem "einfachen Anfngsverdacht". Nun die übrigen drei, die unter verschärften Bedingungen in UHaft die Zeit verbringen, die ihnen gegeben war.Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft gehören die drei zur mg, weil der Anschlag "hinsichtlich des Anschlagsziels, der Tatzeit und der konkreten Tatausführung" mg-Anschlägen ähnelt. Ein klassischer Zirkelschluss, da noch nie ein Mitglied der mg verurteilt wurde. Weil ich schon einmal Gruppe x beweislos verdächtigt habe, Gruppe y aber Taten der Gruppe X aufgreift und nachahmt, verdächtige ich auch Gruppe y. Von dringendem Tatverdacht kann bei diesem Schneckennudelverfahren keine Rede sein.

Bei den dreien geht es also - anders als bei Andrej Holm - nicht um die Frage, ob überhaupt etwas strafrechtlich Relevantes passiert ist, sondern darum, ob diese Taten der mg zugerechnet werden können und wie die mg einzustufen ist. "Nach dem Ergebnis der Vorberatungen" sieht der 3. Strafsenat "nicht den dringenden Verdacht begründet", dass es sich bei der militanten Gruppe um eine terroristische Vereinigung handelt, heißt es in dem Schreiben der Richter, das am 24. Oktober an die Bundesanwaltschaft ging. In Frage komme eher die Mitgliedschaft in einer "kriminellen Vereinigung". Entscheidendes Kritieriums ist -wie oben ausgeführt -seit einer Reform des Strafgesetzbuches durch die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2003, ob die Anschläge den Staat "erheblich schädigen" können. Hieran zweifeln die Richter offensichtlich.

Der Unterschied ist relevant. Die Beschuldigten sitzen vor allem wegen des Terrorverdachts in Untersuchungshaft. Wenn dieser wegfällt, können sie vermutlich zu Hause auf ihren Prozess warten. Außerdem würde bei einer -nur- "kriminellen Vereinigung" wahrscheinlich die Bundesanwaltschaft ihre Zuständigkeit für das Verfahren an die Berliner Staatsanwaltschaft verlieren.

Die Bundesrichter stellen sogar die Frage, ob es sich bei der mg überhaupt um eine dauerhafte Vereinigung von Personen handelt, die "sich als einheitlicher Verband fühlen". Nach einem Bericht der Tageszeitung Welt aus dem August glauben nämlich manche Verfassungsschützer, dass unter dem Label mg mehrere Gruppierungen aktiv wurden. Die Anwälte der drei Beschuldigten gehen davon aus, dass der BGH noch in dieser Woche über ihre Beschwerde gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft entscheidet.

Die Betroffenen können sich mit Recht freuen, bald wieder die unwirtlichste Ecke Berlins verlassen zu können. Deshalb ist Entwarnung noch lange nicht angesagt. Dass die Schnaube-Hunde der Dienste Paprapgrpahne wie 129 a am liebsten auf alle ausdehnen wollten, die zusammen einer Wand ein paar Graffiti angediehen lassen, ist das eine. Das andere, dass die Bundesrichter und andere, die ein bißchen vorsichtiger vorgehen, die scharfe Waffe nicht leichtfertig abnutzen wollen. Man könnte sie für Wichtigeres noch nötig haben. Wer jedem Schlachtung androht, bedroht am Ende niemand mehr. Wenn jeder sowieso immer gleich mit der Höchststrafe rechnen muss, dann wird er sich nicht mit kleinen Aktionen begnügen. Er wird gleich zur großen Keule greifen. Über das Schlimmste hinaus gibt es nichts Schlimmeres mehr.

Die heute im ganzen Bundesgebiet laufenden Demonstrationen gegen den Überwachungsstaat sind auch nach der zu erwartebdeb Karlsruher Entscheidung nötiger denn je. Schäuble und seine Gefolgschaft sind wahrscheinlich wenige einsichtig und weniger genügsam als die paar Richter in Karlsruhe.

Quelle: Indymedia/ Christain Rath/ Artikel für taz und Badische Zeitung/ Vorabveröffentlichung
AutorIn: fg

[http://www.stattweb.de/baseportal/NewsDetail&db=News&Id=2457]

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Ein Gespräch mit Mirko Mazzali

»Das Urteil hätte schwere Folgen für die Angeklagten«

Björn Resener

Mirko Mazzali ist Anwalt. Er vertritt zwei der 25 Angeklagten, denen »Verwüstung und Plünderung« im Rahmen der Proteste gegen den G-8-Gipfel im Sommer 2001 in Genua (Italien) vorgeworfen wird. Für internationales Aufsehen hatte damals die Polizeibrutalität gesorgt. Demonstrationen wurden angegriffen und der 23jährige Carlo Giuliani wurde bei den folgenden Auseinandersetzungen von der Polizei erschossen.

Ihre Mandanten stehen zur Zeit im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G-8-Gipfel 2001 in Genua wegen »Verwüstung und Plünderung« vor Gericht. Um was für einen Paragraphen handelt es sich dabei?

Es handelt sich um den Artikel 419 des italienischen Strafgesetzbuches, der ein Strafmaß von acht bis 15 Jahren Haft vorsieht. Er entstammt dem Codice Rocco. Artikel wie »Verwüstung und Plünderung« sollten Überfälle fremder Truppen auf italienische Städte rechtlich verfolgbar machen. Der Artikel 419 ist damals jedoch nur sehr selten angewandt worden.

Wie ist der Vorwurf gegen die 25 angeklagten Globalisierungskritiker zu bewerten?

Unter juristischen Gesichtspunkten ist diese Anklage völlig absurd. Nicht einmal 1977 und in den folgenden heißen Jahren, als es Demonstrationen gab, auf denen geschossen wurde, kam dieser Artikel zur Anwendung. Dies war angesichts seiner ursprünglichen Intention auch absolut richtig.

Was für ein Strafmaß wird für Ihre Mandanten gefordert?

Sechs Jahre und acht Monate Haft für den einen sowie 16 Jahre Haft für die andere. Sie werden, neben diversen Einzeldelikten, vor allem der Mitgliedschaft in einer nichtexistierenden Vereinigung namens »Black Bloc« beschuldigt. Diese wiederum soll die Stadt Genua verwüstet und in Brand gesteckt haben.

Welche Folgen hätte eine Verurteilung nach Artikel 419?

Das wäre wirkliches Unrecht mit schwerwiegenden Folgen für die Verurteilten. Zudem wäre hiermit ein Präzedenzfall geschaffen, der weiterem Unrecht Vorschub leisten würde. Das Problem mit dem Artikel 419 ist, daß keinesfalls definiert wurde, was unter »Verwüstung und Plünderung« genau zu verstehen ist. Das Einwerfen eines Schaufensters wird normalerweise als Sachbeschädigung geahndet. Wird daraus »Verwüstung und Plünderung« gemacht, stehen schnell mehrere Jahre Gefängnis zur Debatte.

Auf die Angeklagten kommen auch zivilrechtliche Entschädigungsforderungen zu. Worum geht es dabei?

Der italienische Staat will finanzielle Entschädigung, und zwar hauptsächlich für den Imageverlust, den er im Sommer 2001 erlitten hat. Meiner Meinung nach sollten diese Forderungen an die Ordnungskräfte gestellt werden, die in aller Öffentlichkeit Demonstranten zusammengeschlagen haben.

Damals Festgenommene berichteten immer wieder von Folter und faschistischen Liedern, die von den Beamten auf den Wachen gesungen wurden. Den Einsatz gegen schlafende Gipfelgegner in der Diaz-Schule bezeichnete selbst ein leitender Polizeibeamter in einem anderen Prozeß als »Gemetzel«. Spielt das eine Rolle in den zur Zeit laufenden Verfahren gegen Gipfelgegner?

Die Anklage will diese Sachverhalte voneinander trennen. Ihrer Meinung nach gibt es keinen Zusammenhang zwischen den Polizeiangriffen auf angemeldete und genehmigte Demonstrationen und den darauf folgenden Reaktionen.

Mit dem Vorwurf der »Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung« (Paragraph 129a des Strafgesetzbuches) wurden im Rahmen des G-8-Gipfels auch in Deutschland absurde Verfahren gegen politische Aktivisten erhoben. Sehen Sie Parallelen?

Juristisch gibt es kaum Parallelen, weil dem deutschen Paragraphen 129 in der italienischen Rechtsprechung eher der Artikel »subversive Vereinigung« entspricht. Vom Strafmaß ist der Artikel »Verwüstung und Plünderung« nebenbei bemerkt noch schwerwiegender. Politisch hingegen ist die Parallele offensichtlich. Nicht opportune Meinungen sollen unterdrückt werden. Es geht darum, Angst zu machen und die Leute davon abzuhalten, auf die Straße zu gehen und zu protestieren.

Für den 17. November sind in Genua und in Rostock Demonstrationen in Solidarität mit den Angeklagten und gegen Polizeigewalt angekündigt, weitere Informationen: www.gipfelsoli.org/Home/Genua_2001

[http://www.jungewelt.de/2007/11-06/027.php]

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Schnüffelstaat explodiert

Die Deutsche Telekom vermeldet einen explosionsartigen Anstieg von Anfragen des Staatsapparates bezüglich genutzter IP-Adressen. Gab es im Jahr 2003 noch insgesamt 3,170 Anfragen an die Telekom, zu einer IP-Adresse die entsprechenden Nutzerdaten (Anschrift, etc) herauszugeben, so stieg die Anzahl im vergangenen Jahr auf 94,417. Für das laufende Jahr schätzt der Telekom-Jurist Bernd Köbele die Zahl der Anfragen auf insgesamt 210,057!

Pikant: Nur ein geringer Prozentsatz (0.42%) betreffe die Suche nach mutmaßlichen Terroristen, ein Motiv, welches in diesen Tagen oft als Totschlagargument verwendet wird. Bei fast 80% der Anfragen handele es sich um Ermittlungen in einfachen Betrugsdelikten. Bernd Köbele stellte diese Zahlen auf der Sommerakademie des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein vor. Ein PDF seiner Präsentation kann hier heruntergeladen werden.

[http://www.acepoint.de/index.php?id=181]