2007-10-23
- Kampagne gegen den "11. Europäischen Polizeikongreß"
- Bundesgerichtshof entscheidet über Haftbefehl gegen Berliner Soziologen
- Preisausschreiben: Was ist Terrorismus?
- Terroristenjäger suchen Zeugen
- Den Angriff auf den §129a ins Zentrum rücken
- BigBrother-Laudatio für „Generalbundesanwalt“ Monika Harms
- Soligruppe Berlin: Zum Stand der Dinge (§129a Ermittlungen)
- Stadtteilüberwachung mit Drohnen
- Japan Infotour goes to Germany
- Außenminister von Russland und Japan erörtern nächsten G8-Gipfel
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Kampagne gegen den "11. Europäischen Polizeikongreß" am 29./ 30. Januar 2008 in Berlin
* Gegen eine “globale Sicherheitsarchitektur”
* Für mehr sicherheitskritisches Verhalten
Im Verlauf der letzten Monate ist einiges öffentlich geworden über Ermittlungsmethoden von Sicherheitsbehörden: Vorratsdatenspeicherung, Online-Durchsuchung, so genannte “Textanalyse von Taterklärungen” (angewandt in den Ermittlungsverfahren nach §129a gegen G8-AktivistInnen) etc. Polizei und Nachrichtendienste wollen ungehinderten Zugriff auf Personendaten und User-Profile im Internet. Internetanbieter müssen ihren Traffic langfristig speichern und damit polizeiliche Datenbanken entlasten.
Die Debatte um die Einführung biometrischer Pässe hat in Erinnerung gerufen, dass die Industrie längst komplexe Überwachungssysteme entwickelt hat: Iris-Scanning, RFID-Chips (z.B. zum Einkauf im Supermarkt oder auf Ausweisen), automatische Gesichtserkennung etc. Im Bereich der “Border Control” sollen “privilegierte Reisende” mit biometrischen Pässen “automatisch einreisen” können. Die neue “Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen” (FRONTEX) ist beauftragt, eine permanente “Risiko- und Gefahrenanalyse” der EU-Außengrenzen zu erstellen und für mehr Koordinierung und Überwachung zu sorgen. Die technische Aufrüstung steht im Mittelpunkt.
Kontrolle, Normierung und Überwachung sind keine neuen Phänomene. Der Rückbau sozialer Sicherung im globalisierten Kapitalismus geht einher mit der Umstrukturierung von Innenstädten, “Gated Communities” mit Kameras, Zäunen und Security oder Video-Überwachung am Arbeitsplatz. Neben der Bewegungsfreiheit wird die freie Nutzung des Internets zunehmend eingeschränkt. Gegen politisch missliebige Bewegungen werden neue Gesetze erlassen.
Mit Rückendeckung von Polizei-Gewerkschaften, BKA- und Polizei-Hardlinern wollen Innenpolitiker politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Einführung neuer Sicherheitstechnologie schaffen. Dieser Umbau soll zu einer “globalen Sicherheitsarchitektur” beitragen, die auf Ansätzen des US-Heimatschutzministeriums (Department of Homeland Security) aufbaut. Dessen “Mission” ist, “Bedrohungen voraussehen, zuvorkommen und abwenden”.
Das Thema “Sicherheit” ist längst zum umkämpften Markt in der IT-Branche geworden. Dutzende Anwender konkurrieren wenn es darum geht, Informationen für beteiligte Behörden schnell verfügbar zu machen, Kommunikation über Digitalfunk zu verschlüsseln oder Software zu programmieren, damit unterschiedliche Datenbanken miteinander harmonisieren. Dabei handelt es sich um Software, die kommerziell vertrieben wird, etwa für Hochschulen, Behörden oder private Anwender, und auf den Betrieb bei Polizei und Nachrichtendiensten abgestimmt wird. Unterschiedliche technische Standards anderer Länder stellen dabei ein Problem polizeilicher Zusammenarbeit dar. Auf der nächsten Konferenz wollen deutsche Polizeigewerkschaften einen Aufruf zur Einführung einheitlicher Software veröffentlichen.
Der “Europäische Polizeikongreß” ist ein Forum, auf dem sich Politiker, Polizeibehörden, Nachrichtendienste, Bundeswehr und Sicherheitsindustrie über die Implementierung neuer Verfolgungsmaßnahmen verständigen. Der jährliche Kongreß hat den Charakter einer “Sicherheits-Messe” , in den ersten Jahren stand die technische Ausrüstung auf der Tagesordnung. Inzwischen stehen Verfolgungsbehörden allerdings vor der Frage wie der immense Umfang an Daten sinnvoll verarbeitet werden soll. Eine Antwort darauf ist das sogenannte “Data-Mining” , ein Prozeß mit dem Texte, Abhörmitschnitte oder Videos auf Schlüsselwörter oder Redewendungen untersucht und Personen zugeordnet werden. Einige Anbieter entwickeln Software die es ermöglichen soll, die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Gesetzesübertretungen mathematisch zu berechnen. Die Firma SPSS beschreibt diesen Vorgang in einem Referat auf dem “Europäischen Polizeikongreß” als “Die Evolution in der Verbrechensbekämpfung… Vom Reagieren… Zur Eigeninitiative… Zur Vorhersage…” . Damit wäre der erste Schritt der “Homeland Security” -Ideologie vollzogen: Das “Vorhersehen von Bedrohungen” .
Auch für das “Zuvorkommen von Bedrohung” , erfüllt der “Europäische Polizeikongreß” eine Funktion: eine Vernetzung internationaler Polizeibehörden, die weit über bereits bestehende Strukturen hinausgeht (Europäisches Polizeiamt EUROPOL, Schengen-Informationssystem SIS). Die Bundeswehr ist in die Neustrukturierung der Sicherheitsbehörden eingebunden. Im In- und Ausland ist mehr Einsatz im Innern vorgesehen (“Zivil-Militärische Zusammenarbeit”). Im “Kampf gegen Internationalen Terrorismus” , für “Border Control” oder die “Bewältigung polizeilicher Großlagen” wie Gipfeltreffen oder Sportereignisse sind neue Agenturen, Institute, Arbeitsgruppen und Forschungsprogramme entstanden. Zentrale Themen sind diskrete Aufklärung und Intervention. Dabei geht es um Kommando- und Kontrollsysteme, Zugriff auf Geheimdienstdatenbanken, den Umgang mit Beschwerden gegen Polizei, IT-Infrastruktur, Zäune, “Handhabung von Menschenmassen” (“Crowd Management”) sowie Medien- und PR Strategien.
Charakteristisch für diese neue polizeiliche Vernetzung ist ihre Arbeit im Verborgenen. Nationale und supranationale Polizeibehörden stellen sogenannte “Verbindungsbeamte” ab, die sich in “Closed door meetings” über Sicherheitsfragen abstimmen. Das neue Wissen um die Kontrolle “sicherheitskritischen Verhaltens” wird auf regelmäßigen Konferenzen, Workshops oder in Seminaren der Polizei-Akademien weitergegeben. Ziel ist die Entwicklung internationaler Standards. Die internationale Vernetzung von Sicherheitsbehörden setzt sich über limitierende politische Regelungen hinweg und agiert ohne rechtsstaatliche Kontrolle.
Die “globale Sicherheitsarchitektur” hat eine neue Qualität. Der Focus auf “vorhergesagte Risiken” setzt Menschen einem Generalverdacht aus. Dies stellt Soziale Bewegungen vor eine große Herausforderung. Wir schlagen deshalb eine Kampagne gegen den “11. Europäischen Polizeikongreß” im Februar 2008 in Berlin vor. Die Kampagne hat zunächst folgende, eher allgemeine Ziele:
* Protest gegen die Architekten der “globalen Sicherheitsarchitektur” des Neoliberalismus
* Eine Intervention in den Diskurs von Bedrohungsszenarien, die neue Sicherheitsmaßnahmen begründen sollen
* Das Sichtbarmachen informeller Strukturen europäischer Polizei-Zusammenarbeit
* Die Sensibilisierung für neue Überwachungsmethoden im IT-Bereich
* Die Skandalisierung des Einflusses der Industrie auf die “globale Sicherheitsarchitektur”
* Für mehr sicherheitskritisches Verhalten
Der Polizeikongreß 2008 steht unter dem Motto “Informationstechnologie – Ermittlung – Einsatz” . Am Dienstag den 29. Januar um 15.30 Uhr referiert Innenminister Schäuble im “Forum der europäischen Innenminister” . Zusammen mit anderen Gruppen organisieren wir zu diesem Termin eine Kundgebung, evtl. eine Demonstration.
Wir wollen mit der Kampagne ein breites Spektrum von Gruppen erreichen und denken, dass der “11. Europäische Polizeikongreß” eine Gelegenheit zur Verlängerung bestehender Kampagnen sein kann: Gegen Vorratsdatenspeicherung, gegen 129abc, Frontex, Oury Jalloh, Antimilitarismus etc.
* Hintergrund zum “Europäischen Polizeikongreß”: http://gipfelsoli.org/Home/4223.html
* Offizielles Programm: https://gipfelsoli.org/static/Media/Repression/euro-police-program-2008.pdf
six hills
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Bundesgerichtshof entscheidet über Haftbefehl gegen Berliner Soziologen
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten - einen promovierten Soziologen, der u. a. an der Berliner Humboldt-Universität beschäftigt ist - ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Auf seinen Antrag hatte der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 1. August 2007 Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen. Dieser ist auf den Vorwurf gestützt, der Beschuldigte habe sich mitgliedschaftlich an der linksextremistischen gewaltbereiten Organisation "militante gruppe (mg)" beteiligt, der die Strafverfolgungsbehörden, insbesondere aufgrund entsprechender Selbstbezichtigungsschreiben, eine Serie von Brandanschlägen zurechnen, die seit mehreren Jahren überwiegend in dem Gebiet Berlin/Brandenburg begangen worden sind. Mit Beschluss vom 22. August 2007 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, worauf der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist. Gegen diesen Beschluss hat der Generalbundesanwalt Beschwerde eingelegt. Der für Staatsschutzstrafsachen zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs wird voraussichtlich am Mittwoch, den 24. Oktober 2007, gegen 12.00 Uhr eine Entscheidung über dieses Rechtsmittel bekannt geben.
Karlsruhe, den 22. Oktober 2007
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Preisausschreiben: Was ist Terrorismus?
* Bündnis lobt Internationalen Preis aus
* Kein Terror vor vier – oder: Was ist eigentlich ein Feierabendterrorist?
Die Bundesanwaltschaft verfolgt ihn. Die rot-grüne Koalition hat versucht, ihn neu zu definieren. Der Bundesgerichtshof muss ihn prüfen und unsere Freunde sollen seinetwegen angeklagt werden.
Das Phantom “Terrorismus”.
Mit dem Paragraph 129a des Strafgesetzbuches sollen die Betätigung und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung juristisch verfolgt werden, doch selbst die höchsten Richter der Republik sind sich nicht ganz sicher, was darunter verstanden werden soll. Die Bundesjustizministerin denkt, dass nicht mal der 11. September terroristisch war, aber alle haben davor Angst. Das Strafgesetzbuch, die UNO und auch die EU haben gar keinen festgelegten Terrorismusbegriff und auch wir fragen uns aktuell: Was ist eigentlich Terrorismus? Wer ist ein Terrorist? Und was eine terroristische Handlung?
Das Bündnis für die Einstellung des § 129a-Verfahrens sucht Definitionen für ‘Terrorismus’: juristisch, humoristisch, politisch. Eingereicht werden können Texte, Fotos, Videos, Podcasts, Postkarten, Plakate, künstlerische, wissenschaftliche oder journalistische Beiträge. Vorschläge von Einzelpersonen, Kollektiven, mit oder ohne Künstlernamen können bis zum 30. November 2007 eingesandt werden.
Eine international besetzte Jury wird die Beiträge begutachten und die besten zur Prämierung vorschlagen. Ende des Jahres 2007 werden die besten Vorschläge öffentlich präsentiert und die Preise feierlich überreicht.
Wir freuen uns, wenn Sie über die Auslobung dieses neuartigen und ungewöhnlichen Preises in ihren Medien berichten. Für Fragen stehen wir unter der oben genannten Telefonnummer gerne zur Verfügung.
Weitere Infos gibt es unter: http://einstellung.so36.net/de/was-ist-terror
Bündnis für die Einstellung des § 129a-Verfahrens
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Terroristenjäger suchen Zeugen
In den Ermittlungen gegen die "militante gruppe" lädt die Bundesanwaltschaft ZeugInnen vor - darunter den Soziologen Hartmut Häußermann. VON PETER NOWAK
Der Sozialwissenschaftler Hartmut Häußermann wird sich kommende Woche Urlaub nehmen müssen. Er gehört zu den 14 Personen, die von der Bundesanwaltschaft zur ZeugInnenbefragung in die Berliner Zentrale des Bundeskriminalamtes geladen wurden. Die Befragungen stehen im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen des Verdachts auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Gemeint ist die "militante gruppe" (mg).
Drei der sieben Beschuldigten, Oliver R., Florian L. und Axel H., sitzen seit dem 31. Juli in der JVA Moabit in Untersuchungshaft. Sie wurden bei dem Versuch, in der Nähe von Potsdam Bundeswehrfahrzeuge anzuzünden, festgenommen. Der Stadtsoziologe Andrej H., der am selben Tag in seiner Wohnung verhaftet wurde, wurde nach drei Wochen gegen Kaution und mit Meldeauflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Drei weitere Beschuldigte waren von Beginn an auf freiem Fuß.
Gegen die Freilassung von Andrej H. hat die Bundesanwaltschaft (BAW) Beschwerde eingelegt. Der zuständige Bundesgerichtshof (BGH) will dabei gleich die Frage entscheiden, ob in dem Verfahren überhaupt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129 a ermittelt werden kann.
Sollte der BGH dies verneinen, "müsste das Verfahren gegen meinen Mandanten sofort eingestellt werden", sagt die Anwältin von Andrej H., Christina Clemm. Gegen die drei noch Inhaftierten könne dann nur noch wegen versuchter Brandstiftung ermittelt werden. "Dafür aber wäre die Bundesanwaltschaft nicht zuständig." Dann entfiele auch der Haftgrund, sagen die Anwälte der Inhaftierten, und legten am 15. Oktober Haftbeschwerde ein. Rechtsanwalt Stefan Schrage, der Axel H. vertritt, sieht in der Entscheidung des BGH, die in den nächsten Tagen erwartet wird, eine "Signalwirkung auch für andere 129 a-Verfahren".
In einer Presseerklärung kritisiert die ZeugInnengruppe, dass die BAW mit den Vorladungen begonnen hat, ohne die Entscheidung abzuwarten. Die Auswahl der Geladenen sei wahllos. "Neben Menschen aus dem näheren Umfeld der Beschuldigen sind hiervon auch Menschen betroffen, die bisher keinen Zusammenhang zu den Beschuldigen oder dem Verfahren erkennen können." Die ZeugInnen sehen eine neue Qualität darin, dass jetzt nicht mehr die Polizei, sondern die Staatsanwaltschaft vorlädt. Dem müssen die Betroffenen Folge leisten und sind rechtlich zur Aussage verpflichtet. Bei einer Weigerung kann die Justiz Zwangsgeld und Erzwingungshaft bis zu sechs Monaten verhängen.
Auch die JuristInnen sehen die ZeugInnenbefragung kritisch. Sie diene vor allem der Ausforschung des persönlichen und beruflichen Umfelds der Beschuldigten bis ins kleinste Detail, kritisiert Anwalt Alain Mundt. Dabei könnten Verhaltensweisen, die eigentlich völlig unverdächtig sind, wie eine Freundschaft und ein E-Mail-Kontakt mit einem der Beschuldigten, plötzlich strafrechtlich relevant werden.
Die Solidaritätsgruppen rufen für Samstag um 13 Uhr vor der JVA Moabit (Alt-Moabit 12) zu einer Kundgebung für die drei Inhaftierten auf.
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Den Angriff auf den §129a ins Zentrum rücken
Zum Ermittlungsverfahren wegen vermeintlicher "mg"-Mitgliedschaft
Die Linke ist wieder einmal mit einem 129a-Verfahren konfrontiert. Ende Juli wurden vier Personen verhaftet: Drei sollen versucht haben, Bundeswehrfahrzeuge in Brand zu setzen. Die vierte Person, der Soziologe Andrej H., soll für das Schreiben von Kommuniqués zu vorhergehenden Anschlägen verantwortlich gewesen sein. In allen Fällen geht es um den Verdacht der Mitgliedschaft in der - von BAW und Ermittlungsrichter beim BGH als "terroristisch" eingestuften - "militanten gruppe". Andrej wurde inzwischen gegen Kaution freigelassen. Dies ist aber kein Grund zur Entwarnung: Gegen Andrej und die drei noch Inhaftierten wird weiterhin - genauso wie gegen drei weitere Beschuldigte, die (bisher) nicht inhaftiert wurden - nach §129a StGB ermittelt.
In den letzten Wochen hat sich in der Linken eine genauso starke wie pauschale Rhetorik in Bezug auf die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft (BAW) durchgesetzt. Auch der ak hatte sich daran beteiligt. Die Anwendung des §129a StGB auf diesen Fall sei "unhaltbar", und die dem zu Grunde liegenden "Konstruktionen" seien "absurd". (ak 519) Kritisiert wird nicht der zu Grunde liegende Paragraf und seine Anwendung, sondern es wird behauptet, dass eben jener Paragraf hier gar nicht zur Anwendung kommen dürfte.
Keine falschen Schlussfolgerungen ziehen
Positiver Bezugspunkt ist dabei das Kriterium des Gesetzes, nach dem Terrorismus nur vorliegt, wenn es zu einer erheblichen Schädigung des Staates kommen solle (und kommen kann). Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Damit wird eine Gesinnungsjustiznorm, die die politische Motivation der Tat offen zum Anknüpfungspunkt der (erhöhten) Strafe macht, zum Bezugspunkt der Argumentation der Verteidigung und der Soli-Arbeit.
Für viele, die sich in der Soli-Arbeit und der Soli-Berichterstattung engagieren, stellt sich die Lage so dar: Wenn die Vorwürfe gegen Andrej H. brüchig würden, wird das ganze 129a-Konstrukt brüchig. Gehofft wird: Wenn sich der Vorwurf gegen Andrej H., die Anschlagserklärungen der "mg" geschrieben zu haben, ausräumen lässt, dann gibt es erstens auch im Falle der drei Personen, denen die versuchte Brandstiftung vorgeworfen wird, keine Verbindung zur "mg" mehr und zweitens komme dann auch in deren Fall die Anwendung des §129a nicht mehr in Betracht. Eine Kritik am 129a wäre dann in der Tat überflüssig.
Auch im ak wurde implizit so argumentiert. Die Schlussfolgerung ist wirklich spielend leicht zu ziehen: Wenn die ganze Konstruktion nur an zwei angeblich konspirativen Treffen zwischen Andrej und Florian hängt, dann muss nur Andrej aus dem Spiel sein und das ganze Konstrukt bricht zusammen.
Doch dieses Kalkül beruht auf einer selektiven Wahrnehmung des bisher bekannten Sachverhalts und kann - entgegen allen gut gemeinten Absichten - in einem strategischen Desaster enden, und deshalb wäre es dringend notwendig, die Argumentationsstrategie von Verteidigung und Soli-Arbeit zu überdenken und zu verändern. Die Behauptung der BAW, der versuchte Brandanschlag vom 31. Juli weise "hinsichtlich des Anschlagsziels, der Tatzeit und der konkreten Tatausführung eine Vielzahl von Parallelen zu Anschlägen der terroristischen Vereinigung ,militante gruppe (mg)` in der Vergangenheit auf" (BAW-Presseerklärung, 1.8.07), wurde im ak mit dem Satz, "Mehr hat sie (die BAW) nicht zu bieten", abgetan.
Den §129a grundlegend in Frage stellen
Man kann natürlich - durchaus von bestimmten Erfahrungen gesättigt - von der Hypothese ausgehen: "Die lügen." Eine fundierte Verteidigungsstrategie müsste aber vielmehr mindestens von dem fast worst-case-Szenario ausgehen: "Vielleicht lügen sie ausnahmsweise mal nicht." Falls die BAW an diesem Punkt tatsächlich etwas in der Hand hat, dann wäre nämlich die ganze eingangs skizzierte Verteidigungsstrategie auf Sand gebaut und würde früher oder später kläglich zusammenbrechen. Die umgekehrte Strategie wäre doch viel sicherer: Sich jetzt auf "bisher hat die BAW keine Beweise präsentiert" zu beschränken, und später dann aufzutrumpfen, wenn sie auch im Prozess nichts in den Händen hat, als schon jetzt laut "unhaltbar" und "absurd" zu tönen - und sich dann später vielleicht doch kleinlaut korrigieren zu müssen, dass es einiges gibt. Das, was die Verteidigung im Moment macht, beinhaltet doch das hohe Risiko, am Ende gegenüber Gericht, Öffentlichkeit und BündnispartnerInnen als völlig unglaubwürdig dazustehen!
1) Die laut tönende Rhetorik von "absurd" und "unhaltbar" in Bezug auf die von der BAW behauptete "mg"-Mitgliedschaft der drei "Brandenburger" sollte m.E. schleunigst zurückgefahren werden. Vielmehr ist in Bezug auf jene Behauptung der BAW juristische und kriminalistische Kleinarbeit erforderlich, die einer etwaigen Indizienkette der BAW konkrete Einwände (auf der Ebene von kriminaltechnischen Gutachten etc.) und den liberalen Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" entgegenhält.
Und weil wir uns 2) nicht sicher sein können, wie ein solcher Indizien-Streit über eine "mg"-Mitgliedschaft der drei "Brandenburger" ausgeht und auch ohnehin politisch etwas fragwürdig ist (was ja auch noch passieren kann: Vielleicht wollen die drei sich ja gar nicht von der "mg" distanzieren), muss der politische und verfassungsrechtliche Angriff auf den §129a im Zentrum von Solidaritätsarbeit und Verteidigung stehen. Und dafür stehen die Chancen im Prinzip nicht schlecht, wenn denn die Verteidigung bereit wäre, eine Modifizierung ihrer Argumentation vorzunehmen: Denn es ist gerade das "den Staat erheblich Schädigen"-Kriterium des neugefassten §129a, auf das sich die Verteidigung bisher positiv bezieht, um den Terrorismus-Vorwurf abzuwehren, an dem der Gesinnungsjustiz-Charakter der Neufassung des §129a viel deutlicher wird als an der alten.
Was versucht werden sollte ist, den §129a und den EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung (der ähnlich formuliert ist), anhand dieses Staatsfeindlichkeits-Kriteriums wegen Verstoßes gegen Art. 3 III (sowie 4 und 5 I, II) GG bzw. Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu kippen. Alle diese Vorschriften besagen, dass eine Benachteiligung wegen politischer oder sonstiger Anschauung strikt (d.h.: diese Grundrechte sind auch nicht durch Gesetz einschränkbar) verboten ist. Genau eine solche Benachteiligung stellt aber sowohl das an den §129a geknüpfte Sonderverfahrens- und Sonderermittlungsrecht als auch das in bestimmten Fällen gegenüber nicht als terroristisch klassifizierten Taten erhöhte Strafmaß dar, wenn dort die Angriffsrichtung "politische, verfassungsrechtliche, wirtschaftliche oder soziale Grundstrukturen eines Staates" zum Anknüpfungspunkt gemacht wird. Paragraphenamazone
Mehr Hintergründe und Einwände auf http://delete129a.blogsport.de
ak - zeitung für linke debatte und praxis / Nr. 521 / 19.10.2007 / Paragraphenamazone, 19.10.2007
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BigBrother-Laudatio für „Generalbundesanwalt“ Monika Harms
„Besonders frag- und preiswürdig“
Von Rolf Gössner
Die Generalbundesanwältin – die sich als oberste Ermittlungs- und Anklagebehörde immer noch „Der Generalbundesanwalt“ nennt – erhält den BigBrotherAward für ihre Maßnahmen gegen Gegner des G-8-Gipfels in Heiligendamm im Mai dieses Jahres. Die Jury hält dabei zwei Aspekte für besonders frag- und damit preiswürdig:
Zum einen hat Frau Harms beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) beantragt, auf der Suche nach Bekennerschreiben militanter G-8-Gegner in Hamburg systematische Briefkontrollen durchführen zu lassen. Zweitens hat Frau Harms angeordnet, von G-8-Gipfelgegnern, die der Militanz verdächtigt wurden, Körpergeruchsproben aufzunehmen und zu konservieren.
Harms
Beide Maßnahmen sind im Rahmen von Terrorismus-Ermittlungen und Razzien gegen Globalisierungskritiker durchgeführt worden, die sich damit bereits im Vorfeld des G-8-Gipfels unter Terrorverdacht gestellt sahen. Diese Ermittlungen haben zwar bislang zu keinen Anklagen geführt, dafür aber zu umfangreichen Vorfeld-Ausforschungen per Datenerfassung und -verarbeitung – Ausforschungen, die der Erstellung von Soziogrammen des G-8-Protest- und Widerstandspotentials dienen.
Postkontrollen: Präventivschlag gegen das Briefgeheimnis
Nach einem Brandanschlag in Hamburg am 22. Mai 2007 hatte der BGH-Ermittlungsrichter auf Antrag der Generalbundesanwältin noch am gleichen Tag eine umfangreiche Postkontrolle angeordnet. Überprüft wurden alle in der Zeit vom 22. bis 24.05. bei der Deutschen Post AG, Briefzentrum 20 in Hamburg, aufgegebenen Postsendungen – auf der Suche nach Briefen, die an bestimmte Zeitungsredaktionen adressiert waren. Dies geschah im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des „Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung“ gemäß § 129a Strafgesetzbuch gegen drei Beschuldigte, die einer „Militanten Kampagne zum Weltwirtschaftsgipfel (G8) 2007 in Heiligendamm“ verdächtigt worden sind.
Gesucht wurde nach Briefen, deren äußeres Erscheinungsbild – u.a. ohne Absender, Verwendung von Adressaufklebern – darauf schließen ließ, dass es sich bei ihrem Inhalt um Selbstbezichtigungsschreiben zu besagtem Brandanschlag handelt. Im Trefferfall sollte per Spurensuche – etwa Fingerabdrücke oder Geruchsspuren – herausgefunden werden, wer Urheber der aufgefundenen Schreiben und gegebenenfalls für den Anschlag verantwortlich war.
Zwar sei – so die Generalbundesanwältin – nur ein Brief unter Mitwirkung einer Staatsanwältin geöffnet worden. Doch sämtliche in den Zustellungsbezirken des Briefzentrums aufgegebenen Sendungen – und das waren Tausende – sind auf der Suche nach den Verdachtskriterien rund um die Uhr in Augenschein genommen und überprüft worden. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte sah dadurch „ganze Stadtteile unter Generalverdacht“ gestellt.
Die Postkontrolle haben Ermittler des Hamburger Landeskriminalamtes und des federführenden Bundeskriminalamtes vollzogen – obwohl diese Aufgabe ausschließlich Angehörigen des Postdienstleisters obliegt. Weder Staatsanwaltschaft noch ihre polizeilichen Hilfskräfte sind hierzu befugt, weil ein Eindringen von Ermittlungsorganen in Post-Gebäude das Briefgeheimnis über den gesetzlichen Rahmen hinaus beeinträchtigt. Denn die betreffenden Beamten erhalten dort auch Kenntnis von anderen, nicht unter die angeordnete Beschlagnahme fallenden Briefsendungen – auch über die Korrespondenz von Berufsgeheimnisträgern wie Anwälten oder Journalisten.
Das ist ein Eingriff in das durch Artikel 12 Grundgesetz geschützte Berufsgeheimnis und in das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses, das sich eben nicht allein auf den Inhalt einer Briefsendung erstreckt, sondern auf die gesamten Kommunikationsvorgänge – also auch auf die Tatsache, ob überhaupt ein Briefverkehr zwischen bestimmten Personen stattfindet. Die Gewissheit unbeobachteten Postverkehrs war also nicht mehr gegeben. Neben einer Beeinträchtigung des Briefgeheimnisses dürfte die Kontroll-Aktion auch gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben. Hierfür ist ursächlich Frau Harms verantwortlich, deren oberste Anklagebehörde den Beschlagnahme-Antrag beim BGH gestellt hatte.
Geruchsproben: der Duft des Terrors
In den genannten Ermittlungsverfahren sind auf Betreiben der Generalbundesanwältin während der Razzien am 9. Mai 2007 bei mindestens fünf verdächtigen G-8-Gipfelgegnern Körpergeruchsproben aufgenommen und konserviert worden. Solche intimen Daten dienen der Identifizierung mit Hilfe speziell abgerichteter Polizeispürhunde, die herausfinden sollen, ob eine verdächtigte Person an einem bestimmten Tatort war oder ein Tatwerkzeug oder Bekennerschreiben berührt hat. Es ging bei den konkreten Ermittlungen um diverse Farb- und Brandanschläge, also um Sachbeschädigungen. Die Ermittlungsbehörde von Frau Harms bezeichnet diese archaisch anmutende Schnüffelmethode – inmitten einer digitalen und vernetzten Fahndungswelt – als „ganz normal“, um nicht zu sagen „stinknormal“ – wenn sie auch noch selten angewandt werde.
Auch wenn die fünf Geruchsproben im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung zur Strafverfolgung erhoben worden sind, so können sie unter gewissen Voraussetzungen auch präventiv zur Gefahrenabwehr Verwendung finden oder an Geheimdienste übermittelt werden – zumal die Grenzen zwischen Prävention und Repression im Laufe der Entwicklung unserer so genannten „Sicherheitspolitik“ immer durchlässiger geworden sind.
Stasi-Methoden
Der kriminaltechnische Wert dieser Methode ist recht zweifelhaft, weshalb sie selbst nach Ansicht der Generalbundesanwältin allenfalls als Indiz in einer Gesamtwürdigung eine Rolle spielen dürfte und vor Gericht keinesfalls Beweiswert im klassischen Sinn erlangt. Geruchsproben sind also kein kriminaltechnischer Fortschritt, sondern ein unverhältnismäßiges Verfahren mit hoher Fehlerquote – ja, ein anrüchiges Verfahren, das stark nach Stasi-Methode riecht. Die Einmachgläser mit den heimlich erfassten Geruchsproben von Dissidenten sind noch als abschreckende Ausstellungsstücke eines übergriffigen Staatsapparates im MfS-Museum und im Bonner Haus der Geschichte zu bestaunen.
Heute geht es allerdings moderner zu: Die als unverwechselbar geltenden Körpergerüche, sog. olfaktorische Spuren, werden „Aroma-Asservate“ genannt und in wissenschaftlich standardisierten Verfahren verarbeitet. Verdächtige werden veranlasst, einige Minuten lang ein steriles Edelstahlröhrchen in der Hand zu halten, das dann in einem gasdichten Glasbehälter aufbewahrt wird. Schließlich bekommen drei abgerichtete Polizei-Schnüffelhunde – im Amtsdeutsch „Geruchsspurenvergleichshunde“ genannt – das duftende Röhrchen unter die Nasen gehalten, um das Duftbild mit einer am Tatort gefunden Geruchsspur zu vergleichen. Eine Übereinstimmung in den genannten Fällen hat sich nach Aussagen der Ermittlungsbehörde jedoch nicht ergeben.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries versichert, dass erfasste Duftmarken nach Gebrauch generell beseitigt würden – was im vorliegenden Fall auch geschehen sein soll – und Sammlungen zur olfaktorischen Wahrheitssuche nicht angelegt würden, so weiß man doch, was von solchen Beschwichtigungen zu halten ist – erinnert sei nur an die Gen- oder die Maut-Daten und ihre immer weitergehende Verwendung. US-Wissenschaftler arbeiten bereits intensiv an einer Digitalisierung des Geruchsverfahrens, von dem man auch hierzulande noch mehr hören wird. Denn die Generalbundsanwältin will es in geeigneten Fällen weiterhin anwenden – obwohl diese Methode stark in Persönlichkeitsrechte und Intimsphäre von Betroffenen eingreift und obwohl deren Vereinbarkeit mit der Menschenwürde von vielen Verfassungsrechtlern und Politikern fast aller Fraktionen bezweifelt wird.
Auch wir warnen mit der Vergabe des BigBrotherAwards und schließen mit einem Satz des SPD-Sicherheitsexperten Dieter Wiefelspütz an die Adresse von Frau Harms: „Sie ist auf den Hund gekommen und sollte so schnell wie möglich davon wieder runterkommen.“ – In diesem Sinne: herzlichen Glückwunsch, Frau „Generalbundesanwalt“ Monika Harms. (PK)
Dr. Rolf Gössner, ist Rechtsanwalt, Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte (ILMR) und Mitglied der BBA-Jury.
Neue Rheinische Zeitung, 17.10.2007
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Soligruppe Berlin: Zum Stand der Dinge (§129a Ermittlungen)
Informationen zum laufenden 129a-Verfahren gegen Antifazusammenhänge in Berlin und Norddeutschland
Am 13. sowie am 19. Juni durchsuchte das Bundeskriminalamt unter Federführung der Bundesanwaltschaft mit Hilfe der verschiedenen Länderpolizeien mehr als ein Dutzend Wohnungen in Hamburg und Schleswig-Holstein sowie drei Wohnungen in Berlin.Diese Hausdurchsuchungen stellen den vorläufigen Höhepunkt eines Ermittlungsverfahren nach Paragraph 129a (»Bildung einer terroristischen Vereinigung«) gegen politisch aktive AntifaschistInnen und junge Linke aus Bad Oldesloe, Hamburg und Berlin dar.In den vorangegangenen Ermittlungen des schleswig-holsteinischen LKA und des BKA kam das gesamte Instrumentarium, das der Polizei bei „Anti-Terror-Ermittlungen“ zur Verfügung steht, zur Anwendung. Es wurde observiert, teilweise bis in den Urlaub beschattet, Telefone abgehört, der Emailaccount und die Internetnutzung überwacht, Autos verwanzt und mit Peilsender versehen sowie mittels des großen Lauschangriffs auch Privatwohnungen abgehört. Diese Maßnahmen liefen teilweise gegen einzelne Beschuldigte und deren „Kontaktpersonen“ über ein Jahr.
Was war passiert?
Im Februar 2002 ereignete sich ein Brandanschlag auf ein Bundeswehrfahrzeug in dem Dorf Glinde, das in der Nähe der vor den Toren Hamburgs gelegenen Kleinstadt Bad Oldesloe liegt. Im März 2004 gab es Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge in Berlin und eine Rüstungsfirma in Bad Oldesloe. Im März 2006 fand ein Brandanschlag auf eine Rüstungsfirma in Bad Oldesloe statt. Es entstand jeweils Sachschaden. Menschenleben waren zu keiner Zeit gefährdet.Im Juli stieg eine “Ermittlungsgruppe Sudan” des LKA Schleswig-Holstein in das Verfahren ein und wertete den letzten Anschlag als Aktion gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm.Dieses Treffen der politischen Repräsentanten der acht führenden Industriestaaten lässt die verschiedenen deutschen Sicherheitsbehörden wie seit langem nicht mehr sich in Alarmbereitschaft versetzen und in ungezügelten Aktionismus verfallen gegen den fast schon in Vergessenheit geratenen Feind: Die radikale Linke.Eine „terroristische Bedrohung“ wird im Vorfeld des Gipfels an die Wand gemalt und mit einer martialischen Durchsuchungswelle am 9. Mai 2007 in ganz Norddeutschland und Berlin unterstrichen. „Linksextreme“ und „autonome Gewalttäter“ waren nun nach Jahren der öffentlichen Abstinenz als Gefahr wieder von Interesse bei Staatschutzbehörden und den mit ihnen befreundeten Journalisten. Das alte Angstgespenst des „Linksterrorismus“ wurde wieder aus der Gruft hervorgeholt, das im Innere Sicherheitsdiskurs der letzten Jahre durch Neonazis und Islamisten verdrängt worden war.
Die 129a-Ermittlungen in der norddeutschen Provinz laufen an
Die “Ermittlungsgruppe Sudan” des schleswig-holsteinischen LKA prüfte nun, welche Handies in der Tatnacht im Juni 2006 in Bad Oldesloe eingeloggt waren. Sie wurden fündig bei zwei linken AktivistInnen, die in dem Ort lebten und der Polizei aufgrund ihres antifaschistischen Engagements bekannt waren. Bei Ihnen wurde fortan das Telefon abgehört. Zeitgleich kam das Bundesinnenministerium zu dem Schluss, dass das Bekennerschreiben zu dem letzten Brandanschlag in der Region Übereinstimmungen zu den „Selbstbezichtigungsschreiben“, kurz SBS (so das abgebrochene Polizeideutsch) der von anderen Gruppen unterzeichneten Aktionen im Jahr 2004 und 2002 besitzen solle. Zwei weitere AktivistInnen aus der Region und aus Berlin werden den beiden ermittelten Handybesitzern aufgrund „polizeilicher Erkenntnisse” noch zugeschlagen. Fertig war die „terroristische Vereinigung“!
Verdächtig ist von nun an alles
Aus den vier Verdächtigen der herbeiphantasierten „terroristischen Vereinigung“ wird im Laufe des nächsten Jahres bis zu den Hausdurchsuchungen Mitte Juni 2007 eine Gruppe von elf Personen.
Hierbei nahmen die Konstrukte des BKA und der ihnen zuarbeitenden LKAs aus Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein immer abstrusere Formen an. Sie verliefen aber immer nach einem recht ähnlichen Schema: Person X aus der „terroristischen Vereinigung“ kennt Person Y. Person Y ist ebenfalls politisch aktiv und der Polizei bekannt, verkehrte in norddeutschen Antifazusammenhängen und ist vermeintlich konspirativ. Konspirativität ist in der behördlichen Logik schon, wenn nicht über Straftaten und politischen Aktivismus am Telefon gesprochen wurde. Umso unverdächtiger desto verdächtiger bzw. konspirativer und gerissener.Nun kennt Person Y, die über die Bekanntschaft mit Person X in den Kreis der Verdächtigen gerutscht ist aber auch noch Person Z. Person Z ist wiederum auch in linken Strukturen aktiv und führt nach Ansicht der Ermittlungsbehörden ein konspiratives Leben. Und wieder hat das BKA ein neues Mitglied der „terroristischen Vereinigung“ gefunden.
Mehr als widersprüchlich sind die Analysen der Sicherheitsbehörden in ihrem Konstrukt. Einerseits wird dem beschuldigten Personenkreis ihr ständiges “konspiratives Verhalten” am Telefon zur Last gelegt, auf der anderen Seite basiert das ganze Verfahren auf der Unterstellung, einige der Beschuldigten hätten während eines Brandanschlages nicht nur ihre Telefone dabei gehabt, sondern sogar noch mehrfach miteinander telefoniert während der Ausführung der Tat. Eine Logik die nur mit viel behördlicher Gesinnung logisch erscheinen mag.
Diese BKA-Spinnereien führten sogar dazu, dass das antifaschistische Engagement der Verdächtigen Person X, Y und Z, wodurch diese überhaupt erst in das Raster der Polizei gefallen waren, auf einmal nur noch die Tarnung für das eigentliche „terroristische Anliegen“ sein sollte.
Das Karussell der Absurditäten der im Ermittlungseifer festgefahrenen Beamten dreht sich aber noch weiter. Im November 2006 findet eine Aktionskonferenz zum bevorstehenden G8-Gipfel statt. Das ganze Arsenal, das den Ermittlern durch den Paragraphen 129a zur Verfügung steht, wie GPS-Sender, stille SMS und verdeckte Observationen wird angewandt, um zu beobachten, was die vermeintlichen Gipfelgegner an diesem Wochenende machen. Keiner der Verdächtigen nimmt an dieser Konferenz oder an thematisch ähnlichen Aktionen teil. Der Umstand, dass sich keiner der Beschuldigten für die Konferenz interessierte, wurde durch die behördlichen Stalker messerscharf als “demonstratives Fernbleiben” und “auffallend unverdächtiges Verhalten” gewertet. Das angeblich konspirative bzw. eben nicht-politische Verhalten der Beschuldigten wird auf die vermeintliche Planung militanter Aktionen gegen den nahenden G8-Gipfel geschoben. Die Überwachung wird noch weiter intensiviert. Bis zum G8-Gipfel begeht keiner der „Terrorverdächtigen“ eine thematisch verwandte Straftat.
Anstatt die Ermittlungen mit Schamesröte im Gesicht in irgendwelchen Archiven verschwinden zu lassen, schlagen Bundesanwaltschaft, BKA und die örtlichen LKAs vereint zwei Wochen nach dem G8-Treffen in Heiligendamm mit knapp 20 Hausdurchsuchen gegen Wohnungen, Arbeitstellen von Beschuldigten und Zeugen sowie linke Projekte los.
Und wozu das Ganze?
Bevor es an die Ursachenforschung gehen soll, muss noch einmal an die durch ihre andauernde Wiederholung abgedroschen wirkende Feststellung erinnert werden, dass die §§129 und 129a „Schnüffelparagraphen“ sind, denen selten Verurteilungen folgen. Diese von JuristInnen und BürgerrechtlerInnen getroffene Feststellung bleibt weiterhin statistische Wahrheit, wie sich aus einer kleine Anfrage an die Bundesregierung aus dem Jahr 2005 ersehen lässt!Was die Motivationen der Bundesanwaltschaft, des BKA, der verschiedenen LKAs und in diesen Behörden der einzelnen Abteilungen und ihrer Mitarbeiter sind, lässt sich nur erahnen. Ob die für die Maßnahmen verantwortlichen wirklich denken, einer „ganz großen Sache“ vor dem G8-Treffen auf die Schliche gekommen zu sein oder ob einzelne Beamte so ihren Hass auf Linke oder einzelne Aktivisten austoben können, lässt sich nur vermuten. Vielleicht denkt auch ein mancher Staatschüzer hinter dem Schreibtisch, ein paar ermittelte „Terroristen“ könnten ihn/sie auf der Karriereleiter nach oben stoßen oder vielleicht finden die Damen und Herren der Inneren Sicherheit auch nur, dass Autos anzünden kein Mittel ist, die eigentlich hehren Ziele durchzusetzen. Oder alles geschieht nur aufgrund des Kontrollwahns einzelner Behörden, die es nicht ertragen können, dass es Strukturen gibt, in denen sie nicht alles mitbekommen. Oder die Beschuldigten sind teil einer gigantischen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geworden. Alle diese aufgeführten möglichen Motivationen sind nur mehr oder weniger gut begründete Spekulationen. Denn niemand von uns steckt in den Köpfen der verschiedenen Strafverfolgungsbehörden und ihrer Mitarbeiter, welche sich auch untereinander nicht immer ganz grün sind.
Die Folgen eines 129a Verfahrens
Wenn die behördliche Motivation von außen schon nicht ergründet werden kann, so kann doch viel über die Folgen eines 129a-Verfahrens für die davon Betroffenen gesagt werden.Strukturen und die Privatsphäre der Beschuldigten wurden bis in den letzten Winkel durchleuchtet. Die von der Polizei gewonnenen Erkenntnisse fließen in neue Ermittlungen ein. Die getroffenen AktivistInnen sind gelähmt oder geben resigniert auf. Bürgerliche Existenzen und Karriereambitionen können vernichtet worden sein. Bündnispartner der von Ermittlungen betroffenen gehen eventuell auf Distanz. Beschuldigte und ihre Gruppen kümmern sich nur noch um Solidaritätsarbeit anstatt an gesellschaftlichen Veränderungen zu arbeiten. Die Möglichkeit eines Gefängnisaufenthalts steht im Raum. All diese möglichen Folgen zeigen die Erfahrungen aus den 129 und 129a-Verfahren gegen autonome Antifas, Atomkraftgegner und Linksradikale in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland.
Aus all diesem Irrsinn gibt es nur zwei Forderungen zu ziehen. Weg mit dem Gesinnungsparagraphen 129a und Solidarität mit den Betroffenen!!!
Ein Mittel Solidarität zu üben ist es die Betroffenen finanziell nicht alleine zu lassen.
Spendenkonto: Rote Hilfe e.V.
Kto Nr.: 191 100 462
BLZ.: 440 100 46
Postbank Dortmund
Stichwort: Razzien 2007
Soligruppe Berlin im Oktober 2007 http://soligruppe.blogsport.de/
[http://de.indymedia.org/2007/10/197600.shtml]
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Stadtteilüberwachung mit Drohnen
DIE USA UND FRANKREICH ORGANISIEREN VORTSTADTKONTROLLE J. M. Marti Font/Nick Turse; 17.Oktober 2007 Frankreich wird künftig “Modellbauflugzeuge” bei der Kontrolle konfliktueller Stadtviertel einsetzen. Die Apparatur, die von den Experten mit einer Taube vergilchen wird, ist einen Meter lang und 50 cm breit und beinhaltet eine Videokamera. Die von ihr erstellten Aufnahmen sollen der französischen Polizei die Kontrolle bei Demonstrationen und die Überwachung von konfliktreichen Stadteilen,- und gefährlichen Zonen aus der Distanz erleichtern.
Das “Täubchen” kann eine Höhe von bis zu 500 m errichen, arbeitet jedoch in 150 m am effektivsten. Die Funktionsdauer des Spions beträgt 40 Minuten und sein Überwachungsradius umfasst 2 km. Die Kamera kann durch Infrarot auch während der Nacht aufzeichnen und in penumbra perfekt arbeiten.
Jedes einzelen dieser “Modellflugzeuge” kostet 10.000 Euro. Hergestellt wird die neueste Spielart sozialer Kontrolle in Sirehna, in der Gegend des des bretonischen Nants, das den Wettbewerb gewonnen hat, der vom französischen Innenministerium organisiert worden war. Der Präsident der Gemeinde, Jean-Pierre Le Goff, stellte sich gestern im Zentrum des Salon Milipol, wo er sich an die im Sichrheitsbereich arbeitenden Unternehmen gewandt hat. In Paris hat dieser Tage ein internationales Treffen von PolitikerInnen und Polizeikräften zum Thema Sicherheit stattgefunden.
Der Flugspion mit Namen ELSA, so Le Goff, “arbeitet lautlos und kann quasi nicht bemerkt werden”. Bei einem Unfall, würde keinerlei Gefahr entstehen; ELSA nämlich ist dem Modell nachempfunden: der Rumpf ist aus Polyurethanschaum und die Propller bestehen aus biegsamem Plastik.
Der Chef des Technologischen Dienstes des Innenministeriums, Thierry Delville, bezeichnete das “Täubchen” “als zusätzlche Hilfe bei polizeilichen Interventionen, das bei grossen Demonstrationen und Massenereignissen, wie Aufstände in Stadtteilen, zum Einsatz kommen wird”. ELSA ist daher nicht zu unterschätzen: Mit ihr können z. B. Gebäude überwacht werden, in welchen Entführte oder terroristische Gruppen vermutet werden; eine bestimmte Personengeruppe auf der Strasse beobachtet oder bei einer Demonstration diejenigen herausgefiltert werden, die Sprengkörper Eisenstangen und Ähnliches mit sich führen.
Nach den Worten von Innenminsterin Michèle Alliot-Marie, ist ELSA kennzeichnend für die zukünftige Ausstattung der Polizei. Experimente mit ELSA haben bereits stattgefunden… im Stadtteil Seine Saint Denis, wo im Herbst 2006 die Aufstände stattgefunden haben.
(Quelle: http://www.eutsi.org/kea/control-social/francia-y-ee.uu-organizan-el-control-de-los-barrios-perifericos.html)
Aus dem Englischen übersetzt für Rebelión: Germán Leyens. Aus dem Spanischen: tierr@
Ähnliche Entwicklungen von Drohnen oder UAVs (unmanned aerial vehicles) gibt es in vielen „modernen“ Staaten.
* Sacramento Police, Kalifornien
* Flugdrohnen zur ‘Kontrolle von Menschenmassen’ bei der Euro-2008 in Österreich
* Liverpool, UK
* Der ‘Cyber-Bug’ der Firma cyberdefense wurde schonmal beim sicherlich besonders ungefährlichen Blessing of the Bikes getestet
* Überwachungszeppeline wurden schon bei vielen Großereignissen eingesetzt.
* usw usw…
[http://de.indymedia.org/2007/10/197458.shtml]
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Japan Infotour goes to Germany
Tonight there was an Info-evening in Cottbus, Germany at the radical space of the German Social Forum. The event was made by someone from the German Infotour group who had just returned from the Japan anti-G8 Infotour.
Actually, there was one small presentation at the official Social Forum as well, made after a film and discussion about G8 2007. From one report, the 2007 discussion with NGO’s was actually quite boring, but at the end the new Japanese 2008 G8 mobilisation film was shown and it was a highlight of the whole discussion.
The main presentation at the “Revolutionary Social Forum” was intended to last only 45 minutes, but with much interest and many questions lasted for 1 1/2 hours. The presenter was surprised when at the beginning a small number of participants had said they hoped to go personally to G8 2008 and started to ask serious questions about travel costs and the Japanese scene.
The presentation then took place, showing a few short videos of Japanese “Sound Demonstrations”, much like UK style Reclaim the Streets demonstrations, as well as another demonstration to defend student housing squats, and another video of an anti-Iraq war demonstration in Tokyo.
Also shown was the funny Japanese TV video of the Infotour, as well as the Japanese 2008 G8 mobilisation film. There was discussion of the hopes for regional demonstrations during the G8, a call for a major demo in Sapporo the day before the G8, as well as talks about what to expect for activists.
The planning stages in Japan are still early, but below are a number of questions for Japanese activists that will likely have to be answered before European/foreign activists will be willing to commit to buying expensive tickets to come for G8 2008 in early July next year:
1. Will it be possible to get free/cheap food and sleeping places for activists? (a reply was that this is in the planning stages in Japan)
2. What are the laws and rights of people in big demonstrations? Will there be legal support? (It was replied that there should be information on this subject hopefully 3 months before G8 available here: http://a.sanpal.co.jp/no-g8/
3. What are the police like in Japan?
4. Will there be border controls to prevent activists from arriving?
5. What are protest tactics like in Japan?
6. Will it be possible and cheaper to travel by train from Western Europe?
Hopefully in the coming months our friends in Japan can help to better answer these questions as they continue to plan for successful anti-G8 actions in Japan.
People in Cottbus were very intrigued to hear about what is going on in Japan, as well as showing interest in Asian activism in general. There was also discussion of the WTO in Hong Kong in 2005, and the new efforts to build an anarchist network across asia, which is quite exciting. Some were also informed about radical labor and farmer organising in Korea, and were enthusied to hear about a recent 28 day occupation of the mega store E-Land in Korea where precarious workers shut down a huge store in a shopping mall for a month.
In the end, 3 large cities near Berlin expressed interest in hosting the Japanese infotour that will come here in January. We hope to put together a successful European tour for our Japanese friends, who are the only G8 nation to fight against the G8 presence within their entire region. They were inspired by the German G8 mobilisation, and would appreciate a strong exchange with “western” (mainly european and american) activists for the G8 summit next July.
In solidarity with No! G8 Japan
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Außenminister von Russland und Japan erörtern nächsten G8-Gipfel
TOKIO/ RIA Novosti Der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein japanischer Amtskollege Masahiko Komura besprechen am morgigen Dienstag in Tokio die Vorbereitung des G8-Gipfels. Das teilte der russische Botschafter in Japan, Michail Bely, RIA Novosti mit. "Die Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch bezüglich der Vorbereitung des (G8-) Gipfels auf (der japanischen Halbinsel) Hokkaido im Juli 2008 hat bereits begonnen und wird aktiv geführt", sagte Bely.
Er erinnerte, dass Russland vor einem Jahr die Vorbereitungsgruppe angeführt habe und begrüßte Tokios Entschluß, dem Umweltschutz und dem Kampf gegen die globale Klimaerwärmung beim kommenden Gipfel besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Lawrow wird zudem mit dem Generalsekretär der Demokratischen Partei (die wichtigste oppositionelle Partei), Yukio Hatoyama, und dem Generalsekretär des Ministerkabinetts, Nobutaka Machimura, zusammenkommen.
Bereits am Dienstagabend wird Lawrow in die chinesische Stadt Harbin (Provinz Heilongjiang) weiterreisen.