2007-10-03 

Öffentliches Protokoll: G8-Auswertungs- und Perspektiventreffen „Aktionsnetzwerk globale Landwirtschaft“ (7. - 9. September 2007)

Rund 40 Menschen sind Anfang September zu einem G8-Auswertungs- und Perspektiventreffen des Aktionsnetzwerks globale Landwirtschaft zusammengekommen. Allein diese (relativ) stattliche TeilnehmerInnenzahl wurde allenthalben als bemerkenswerter Erfolg verbucht. Immerhin hat sich das Aktionsnetzwerk erst im Zuge der G8-Mobilisierung formiert – es war mit anderen Worten keineswegs ausgemacht (allen guten Vorsätzen zum Trotz), ob und wie es nach dem G8-Gipfel weitergehen würde. In diesem Sinne sei bereits an dieser Stelle auf das nächste gemeinsame Treffen des Aktionsnetzwerks globale Landwirtschaft hingewiesen: Es wird vom 4 .- 6. Januar 2008 (an einem noch unbekannten Ort) stattfinden – unter anderem soll dort eine längere Diskussion unter dem Titel „Biotreibstoffe contra Ernährungsouveränität“ geführt werden (weitere Termine: siehe unten).

Lüsewitz

1. Auswertung G8:

Begonnen haben wir mit einer Auswertung der Aktivitäten vor und während des G8-Gipfels. Zur Sprache sind folgende Projekte gekommen (für nähere Details: vgl. www.g8-landwirtschaft.net):

Der allgemeine Tenor hinsichtlich der Aktionen war rundherum positiv: Vor allem die Großdemo am 3. Juni mit ca. 5000 TeilnehmerInnen habe gezeigt, dass die Bedeutsamkeit des Themas ‘Globale Landwirtschaft’ innerhalb der überwiegend städtisch geprägten Linken zumindest (an-)erkannt worden sei. Zugleich wurden auch kritische Töne laut, was teilweise mit kontroversen Diskussionen einhergegangen ist:

2. Perspektiven:

In einem ersten Schritt haben wir all jene Interessen und Vorschläge gesammelt, die derzeit durch Einzel- und Gruppenköpfe zirkulieren. So vielfältig die Themen waren bzw. sind, es haben sich dennoch eindeutige Schwerpunkte herauskristallisiert: Spitzenreiter waren (1) Agrotreibstoffe (inklusive Klimafragen), (2) Gentechnologie bzw. Biodiversität, (3) bündnispolitische Brückenschläge zu via campesina und anderen, insbesondere im Süden verorteten Bewegungen sowie (4) das Interesse an inhaltlicher Debatte. In einem zweiten Schritt wurden sodann vier AGs gebildet, in welchen über konkrete (bereits ins Auge gefasste) Projekte bzw. Vorschläge diskutiert wurde:

a) AG „Klimachaos“: Industrialisierte Landwirtschaft ist eine der Hauptursachen des Klimawandels – eine Einsicht, die sich erst in jüngerer Zeit rumgesprochen hat. In der AG ging es vor allem darum, was das aus landwirtschaftlicher Sicht heißt – unter anderem für das derzeit heiß diskutierte Projekt eines Klimacamps im Jahr 2008 (vgl. http://www.klimacamp.org/). Grundsätzlich bestand Einigkeit darüber, dass der Klimawandel mit vielen landwirtschaftsbezogenen Fragestellungen zusammenhängt. Zugleich wurde aber auch angemerkt, dass vieles erst noch diskutiert bzw. verstanden werden müsse – unter anderem die folgenden Fragen:

Die AG ist unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, im Dezember oder Januar einen (internen) Fortbildungsworkshop zu organisieren. Außerdem werden sich einzelne AktivistInnen aus dem Aktionsnetzwerk auf jeden Fall an der Organisation des Klimacamps im kommenden Jahr beteiligen.

b) AG COP/MOP: Vom 12. – 19.05.2008 tagt in Bonn die COP 9 und die MOP 4: Die Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) ist das höchste Gremium der UN-Konvention über die „Biologische Vielfalt“ (CBD). Die meisten Staaten der Welt nehmen daran teil. Bei den alle zwei Jahre stattfindenden Zusammenkünften soll die Umsetzung der 1993 in Kraft getretenen CBD überprüft und weiterentwickelt werden. Bis heute haben 8 Treffen stattgefunden. Zentraler Haken ist, dass die CBD auf eine Kombination von Schutz und Nutzung der Natur setzt. Das schließt ihre Kommerzialisierung ausdrücklich mit ein – eine Gleichung, die so nicht aufgeht. Denn Schutz der Biodiversität gelingt nur mit den Menschen vor Ort, und zwar unter Respektierung ihrer Rechte – etwas, das die CBD bislang nicht leisten kann und will. Die MOP 4 (Members of Party) ist ein 2003 in Kraft getretenes Abkommen, das ínsbesondere den grenzüberschreitenden Verkehr mit gentechnisch veränderten Organismen regelt und das mittlerweile dazu genutzt wird, Länder davon abzubringen, die Einfuhr von gentechnisch veränderten Organismen zu verbieten.
In der AG wurden vor allem Ideen gesammelt, was nächstes Jahr in Bonn unternommen werden könnte. Denn die bisher seitens der NGOs geplanten Aktivitäten setzen in erster Linie auf Lobbyarbeit innerhalb der Verhandlungen. Demgegenüber fehlen bislang antikapitalistische Protestperspektiven in Gänze! Erste Ideen waren:

Die „AG COP/MOP“ wird wahrscheinlich in der ersten Dezemberhälfte zu einem Aktionsplanungswochenende einladen. Hierzu soll es am 3. Oktober um 16 Uhr in Berlin ein erstes Vorbereitungstreffen geben. Das gesamte AG-Protokoll ist auf www.g8-landwirtschaft.net einsehbar. Wer mehr über die COP/MOP-Konferenzen wissen möchte, gucke bitte unter www.biopiraterie.de nach.

c) AG „Discounter, globale Landwirtschaft & Widerstand“: In dieser AG wurden die Grundzüge einer Kampagne diskutiert, die sich mit zweierlei beschäftigen möchte: Einerseits soll gezeigt werden, auf welche Weise die zunehmende Konzentration im weltweiten Lebensmittelhandel nicht nur einen entscheidenden Anteil an der Zerschlagung (klein-)bäuerlicher Strukturen trägt, sondern auch der Ausbreitung industrialisierter Intensivlandwirtschaft massiv Vorschub leistet – im Süden genauso wie im Norden des Globus. Andererseits soll dies mit praktischen Brückenschlägen zu Orten des Widerstandes einhergehen. Wie etwa in Südspanien, wo sich die LandarbeiterInnengewerkschaft SOC für die Rechte migrantischer LandarbeiterInnen stark macht. Die AG hat inzwischen einen ausführlichen Einladungstext zu einem ersten Vorbereitungstreffen vom 2. – 4. November in Kassel verfasst, er kann hier abgerufen werden: www.g8-landwirtschaft.net

d) AG „Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“: Hier wurde sich einerseits über Entwicklungen in der Mecklenburg-Vorpommerschen Landwirtschaft ausgetauscht – wie z.B. Agrotreibstoffe, Gentechnik, großräumige Landwirtschaft etc. Anderseits ging es um die Frage, wo und wie interveniert werden könne. Ein womöglich interessanter Ort könnten die zahlreichen Landwirtschaftsmessen mit zehntausenden von BesucherInnen sein. Wer wissen möchte, wann sich die AG das nächste Mal trifft, schreibe bitte an www.g8_landwirtschaft@yahoo.de

e) Eine weitere AG ist erst im Anschluss an das Treffen zusammengekommen – sie ist gleichsam ein Ableger des Saatgutseminars in Halle gewesen (s.o.). Dort wurde nämlich ein „Internationales Notkomitee“ zur Erhaltung alter Saatgutsorten ins Leben gerufen. Einer der Schätze dieses Komitees ist eine Sammlung von rund 1000 Getreidesorten, welche ursprünglich aus der Genbank in Gatersleben stammen. Mit der Katalogisierung dieser Getreidesorten hat besagte AG begonnen.

3. Wie weiter?

Bereits die Unterschiedlichkeit der einzelnen AGs hatte deutlich gemacht, dass sich das Aktionsnetzwerk wohl schwerlich auf einen gemeinsamen Kampagnenschwerpunkt einigen könnte – zumal eine derartige Fokusierung meist mit thematischen und personellen Verengungen einhergehen würde (wie in einer kurzen und hitzigen Diskussion betont wurde). Und dennoch waren wir uns einig, dass wir auch zukünftig als Gesamtzusammenhang agieren möchten. Dementsprechend lag es nahe, ein weiteres Großtreffen zu vereinbaren (4. – 6. Januar 2008). Die Entscheidung, auf diesem Treffen ausführlich über das Thema „Biotreibstoffe contra Ernährungsouveränität“ zu diskutieren, sollte allerdings nicht als inhaltliche Schwerpunktsetzung (durch die klammheimliche Hintertür) verstanden werden. Es ging vielmehr darum, einen konkreten Einstiegspunkt für die vielfach gewünschte inhaltliche Debatte zu finden.

In praktischer Hinsicht wurde noch zweierlei beschlossen: Erstens soll die bisherige Mailingliste zur allgemeinen Information und Diskussion beibehalten werden (während organisatorische Belange z.B. der einzelnen AGs auf eigenständigen Mailinglisten verhandelt werden sollen). Zweitens werden mittelfristig noch Personen gesucht, die sich um eine attraktive Website kümmern können (wobei wir uns bis zum nächsten Treffen mit der bisherigen Website vorlieb nehmen möchten). Im übrigen hat in diesem Zusammenhang ein Aktivist von Umbruch Bildarchiv angekündigt, zusammen mit weiteren Leuten aus dem Aktionsnetzwerk eine Zusammenstellung von Bildern, Filmen und Texten zur Nachbereitung der G8-Aktivitäten in die Wege zu leiten.