2007-10-01 

Offener Brief der TeilnehmerInnen des Treffens der stipendiatischen GremienvertreterInnen der Hans-Böckler-Stiftung (HBS)

Offener Brief der TeilnehmerInnen des Treffens der stipendiatischen GremienvertreterInnen der Hans-Böckler-Stiftung (HBS)
zu dem Ermittlungsverfahren gegen Dr. Andrej H. und andere Beschuldigte

Wiesbaden, September 2007

Die Bundesanwaltschaft (BAW) und das Bundeskriminalamt (BKA) ermitteln seit September 2006 gegen Dr. Andrej H. und weitere Personen wegen des Verdachts der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung". Im September 2007 wurde A.H. schließlich verhaftet, bei anderen kam es zu Hausdurchsuchungen.

Die stipendiatischen GremienvertreterInnen der HBS sehen in dem Ermittlungsverfahren gegen Dr. Andrej H. und andere Beschuldigte eine unmittelbare Bedrohung für die freie Forschung, Lehre und Publizistik sowie für gesellschaftspolitisches Engagement.

Betroffen von den Ermittlungen sind auch StipendiatInnen der HBS. Damit sind auch stipendiatische Gremien, Projekte und Mailinglisten der HBS faktisch Ziel umfassender elektronischer Überwachung, Auswertung und Speicherung durch BAW und BKA.

Begründet wird der Verdacht auf „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" und die damit gerechtfertigten umfassenden Überwachungen und Ausspähungen mit Übereinstimmungen zwischen wissenschaftlichen und publizistischen Texten von A. H. einerseits und Bekennerschreiben der „militanten gruppe" andererseits. Die Übereinstimmung beschränkt sich dabei tatsächlich auf nicht mehr als einzelne Wörter (sic!).

Nachdem die Überwachung bereits 10 Monate lief, verhaftete das BKA drei andere Personen, angeblich bei dem Versuch drei LKW der Bundeswehr in Brand zu stecken. Weil eine dieser Personen zwei Mal Kontakt zu Andrej H. gehabt haben soll, wurde A. H. danach ebenfalls verhaftet und bei Freunden und Bekannten von ihm Hausdurchsuchungen vorgenommen.

Darüber hinaus begründet die BAW den fortbestehenden Haftbefehl gegen Dr. Andrej Holm u.a. damit, dass er Zugang zu Bibliotheken hat und „intellektuell in der Lage ist anspruchsvolle Texte zu verfassen." (http://einstellung.so36.net/de/hg/konstrukt)

Diese Begründungs- und Ermittlungspraxis der BAW stellt wissenschaftliches Arbeiten und öffentliche Äußerungen potentiell unter Strafe und ist damit geeignet politisch missliebige Aktivitäten und gesellschaftliches Engagement einzuschüchtern und zu unterbinden.

Die Zweckmäßigkeit des Paragraphen 129a muss grundsätzlich überprüft werden. Auch in anderen Ermittlungsverfahren nach § 129a und b wird die Tendenz deutlich, kritische Meinungsäußerungen und politische Praxis unter Terrorismusverdacht zu stellen.

Die stipendiatischen GremienvertreterInnen der HBS erklären sich mit den Betroffenen solidarisch. Wir fordern die sofortige Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 129a, die Aufhebung der Haftbefehle und die Einstellung aller Überwachungsmaßnahmen. Der § 129a ff. muss aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden.

Die Betroffenen bedürfen vor allem des anwaltlichen Beistands. Die GremienvertreterInnen rufen daher die StipendiatInnen der HBS und der anderen Förderwerke dringend auf zu kurzfristigen Spenden oder vorübergehenden Daueraufträgen auf zu Gunsten des Kontos:

Thomas Herzog
Postbank Essen
Konto-Nr.: 577 701 432
BLZ: 360 100 43
Verwendungszweck: Sonderkonto
IBAN: DE46 3601 0043 0577 7014 32
BIC: PBNKDEFF