2007-05-17
In der folgenden Analyse der momentanen Situation des weltweiten Kapitalismus werden unter anderem die Krise, die neoliberale Umstrukturierung, die Finanzmärkte und die innerimperialistische Rivalität und Kooperation thematisiert.
Angriffe von Staat und Kapital
Schon seit längerer Zeit findet in der BRD eine enorme Verschlechterung der Lebenssituation großer Teile der Bevölkerung statt. Hartz-Gesetze, Rente mit 67, Massenentlassungen, Lohnsenkungen, Studiengebühren, die geplante Gesundheitsreform, das alles sind Beispiele für die laufenden Angriffe von Staat und Kapital auf die Lohnabhängigen, Studierenden, RentnerInnen und Arbeitslosen. Diese Angriffe werden nicht nur in der BRD sondern in ähnlicher Form auch in den anderen EU-Staaten durchgeführt. Die Herrschenden nennen diese „Reformen“ Agenda 2010, die 2000 in Lissabon von den Staatschefs der EU beschlossen wurde. Das Ziel dieser europäischen Agenda ist es, bis 2010 die EU zum „konkurrenzfähigsten und dynamischsten Wirtschaftraum“ der Welt zu machen.
All diese Maßnahmen zielen auf die intensivere Ausbeutung der Arbeitskraft ab, um generell die Verwertungsbedingungen für das Kapital zu verbessern und speziell die europäischen Großkonzerne in die Lage zu versetzen, sich in der globalen Konkurrenz durchzusetzen.
Diese Entwicklung ist nicht grundlegend neu, sondern stellt nur die Fortsetzung der bereits in den vergangenen Jahren in anderen Ländern, wie den USA und Großbritannien, durchgeführten neoliberalen Politik dar. Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und Lohnkürzungen dürfen nicht isoliert und losgelöst von der allgemeinen Situation des Kapitalismus betrachtet werden. Wir müssen vielmehr diese momentane Situation und die seit dem Beginn der Krise Mitte der siebziger Jahre stattgefundenen Veränderungen genauer untersuchen.
Krisen im Kapitalismus
Wenn der Begriff Krise im Zusammenhang mit Kapitalismus fällt, bleibt zunächst unklar von welcher Art Krise die rede ist, schließlich machen die Konzerne nach wie vor gigantische Profite und pressen die Lohnabhängigen immer weiter aus. Krise bedeutet aber nicht, dass die kapitalistische Produktions- und Herrschaftsweise kurz vor dem Aus stehen, der Begriff bezeichnet vielmehr die dem Kapitalismus innewohnenden wirtschaftlichen Krisen. Diese äußern sich von Zeit zu Zeit mehr oder weniger schwerwiegend in Produktionsabbau, Arbeitslosigkeit, Börsencrashs und Pleitewellen.
Während Krisen in den vorkapitalistischen Gesellschaften durch Katastrophen wie Dürren, Missernten, Kriege und Seuchen ausgelöst wurden, zeichnen sich Krisen in der kapitalistischen Gesellschaft nicht durch den Mangel an lebensnotwendigen Gütern aus. Krisen im Zeitalter des Kapitalismus haben einen völlig anderen Charakter, denn es handelt sich um Krisen im Bereich der Produktion und der Zirkulation des Kapitals.
Eine Warenüberproduktionskrise ergibt sich aus dem schlichten Umstand, dass sich der in den produzierten Waren enthaltene Mehrwert nicht realisieren lässt, das heißt die Waren können nicht oder nur ohne Profit verkauft werden. Wenn in der Folge die Produktion eingeschränkt wird, geht das einher mit erhöhter Arbeitslosigkeit, was wiederum zum Absinken des Konsums führt.
In Zeiten des Aufschwungs, der zum Beispiel durch technische Neuerungen, neue Märkte und die Entstehung neuer Produktionszweige ausgelöst wird, findet ein starker Kapitalfluss in die boomenden Produktionsbereiche statt, da sich dort hohe Profite erzielen lassen. In den schnell wachsenden Bereichen kann es zu einer Überakkumulation von Kapital kommen, die dann zur Krise führt. Eine solche Boom-Branche stellte beispielsweise Mitte der neunziger Jahre der IT-Bereich dar, die 2000 mit dem Börsencrash in diesem Bereich in sich zusammenbrach.
Die kapitalistische Produktionsweise bringt immer wieder solche Überakkumulationskrisen hervor. Das heißt zuviel Kapital in Geld und Warenform als auch Arbeitskräfte sind vorhanden und können daher nicht in einem profitablen Produktionsprozess eingesetzt werden. Das führt konkret zu wachsender Arbeitslosigkeit durch die Schließung von Produktionsstätten. So sind zum Beispiel die weltweiten Produktionskapazitäten der Autoindustrie zu knapp einem Viertel unausgelastet.
Da die einzelnen Unternehmen und Konzerne jedoch gezwungen sind, einen immer höheren Profit zu erzielen, um im Konkurrenzkampf bestehen zu können, muss die Produktion auf immer höherer Stufe stattfinden – durch Erweiterung der Produktionskapazitäten oder Verbesserung der Technik.
Die Kosten der Produktion wie zum Beispiel die Lohnkosten müssen gesenkt werden, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dadurch wird der Konsum in den kapitalistischen Zentren jedoch begrenzt, denn die Massenkaufkraft wird durch Lohnsenkung, Sozialabbau und so weiter eingeschränkt. Auch auf globaler Ebene ist der Konsum für die Masse der Bevölkerung stark beschränkt, da in den meisten Trikontländern Billiglöhne und keine sozialen Leistungen existieren. Kapitalakkumulation und damit Profitmaximierung ist das Ziel der kapitalistischen Produktion. Dies ist jedoch nur möglich, wenn sich der in den Waren enthaltene Mehrwert in Geldkapital verwandelt und dann wieder als neues Kapital angelegt wird. Deshalb ist das Eindringen in neue Märkte wie zum Beispiel China für das Kapital von großer Bedeutung.
Neoliberalismus als Antwort auf die Krise
Mitte der siebziger Jahre kam es zu einer allgemeinen Krise, das heißt, die Profit- und Wachstumsraten brachen stark ein und die Arbeitslosigkeit stieg an. Nach einer kurzen Erholung kam es 1981/82 zu einem noch stärkeren Einbruch der Profitraten. Der Neoliberalismus ist eine Reaktion auf die Krise, die in der Öffentlichkeit als Rezession bezeichnet wird. Diese Krise dauert bis heute an. Auch wenn es innerhalb der allgemeinen Krise einzelne Phasen von Aufschwung und Wachstum geben kann, ist das nicht zu verwechseln mit einem Stadium von allgemeinem wirtschaftlichem Aufschwung, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg existierte.
Das erste Exerzierfeld der neoliberalen Ideologen um die Ökonomen Milton Friedman und Friedrich von Hayek wurde in den siebziger Jahren Chile unter der Militärdiktatur Pinochets. Die Regierungen der USA und Großbritanniens unter Reagan und Thatcher waren seit Beginn der achtziger Jahre die maßgeblichen Antreiber der neoliberalen Offensive in der westlichen Welt. Aufgrund der besonderen Position Deutschlands in der Blockkonfrontation setzte dieser Prozess hier erst verzögert ein.
Die kapitalistischen Krisenerscheinungen der siebziger Jahre folgten einer langen Boomphase, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt hatte. Während dieser Phase waren die Wachstumsraten überdurchschnittlich hoch, da das Kapital durch die Zerstörungen des Weltkriegs genügend Investitionsbereiche und Absatzmärkte vorfand. Insbesondere in der BRD war die Situation weitgehend vom Klassenkompromiss geprägt. Dazu gehörte die Koppelung von Lohnerhöhungen an die Produktivität sowie sozialstaatliche Maßnahmen, um das westdeutsche Entwicklungsmodell als das sozialere gegenüber der DDR erscheinen zu lassen.
Mit der Umsetzung neoliberaler Programme hat sich diese Situation grundsätzlich verändert. Die Nationalstaaten spielten dabei eine wichtige Rolle, da sie im Interesse der jeweiligen nationalen Bourgeoisie entsprechende Gesetzgebungen voranbrachten. Neben den Privatisierungen fand im Laufe der neoliberalen Umstrukturierung die Deregulierung und Liberalisierung von Handel und Kapitalflüssen statt, das heißt, Handelshemmnisse und Kapitalverkehrskontrollen wurden abgebaut. Die Welthandelsorganisation (WTO) und der Internationale Währungsfond (IWF) waren und sind dabei wichtige Instrumente, da sie ihre Mitglieder verpflichten, ihre Märkte für Kapital und Waren zu öffnen. Der Neoliberalismus hat somit die bereits vorher bestehende Internationalisierung des Kapitals verstärkt.
Mit der Öffnung der neuen Märkte der Staaten des früheren RGW – dem sozialistischen Wirtschaftsbündnis – sowie China, Indien und anderen Ländern haben sich für die weltweit agierenden Konzerne neue Räume der Verwertung ergeben. Die Orientierung auf den Weltmarkt und die Erlangung einer der Spitzenpositionen in der globalen Konkurrenz ist zur Überlebensfrage dieser Konzerne geworden. Entsprechend aggressiv werden riesige Kapitalmengen in Fusionen und Übernahmen gesteckt. Ehemals nationale oder regionale Monopole mit starken Bindungen an die nationalen Ökonomien haben sich in globale Oligopole verwandelt, die ihre Umsätze überwiegend im Ausland erwirtschaften, das heißt, es gibt einige wenige große Konzerne, die mit anderen um ihre Position auf dem Weltmarkt kämpfen. Die „Übernahmeschlachten“ dienen zuerst der Eroberung der Märkte und erst in zweiter Linie – wenn überhaupt – der Ausweitung der Produktion. In vielen Bereichen werden Produktionsstandorte schnellstmöglich stillgelegt, da die anderen bereits vorhandenen Produktionskapazitäten ausreichen, denn die Produktion ist im Kapitalismus abhängig von den Verwertungsbedingungen des Kapitals. Sie wird eingeschränkt oder ganz unterbrochen, wenn keine günstigen Verwertungsbedingungen gegeben sind, das heißt kein Profit gemacht werden kann.
Ähnlich wie in dem Gebiet der DDR findet und fand in vielen Ländern Osteuropas ein Prozess der Deindustriealisierung beziehungsweise industriellen Umstrukturierung statt, der einhergeht mit der Privatisierung nahezu aller ehemaligen Staatsbetriebe. Insbesondere deutsche Konzerne profitieren von diesen – im Jargon der Wirtschaftseliten als „Marktbereinigungen“ bezeichneten – Entwicklungen, was sich nicht zuletzt in der führenden Position deutschen Kapitals bei den Direktinvestitionen in Polen, Rumänien, der Tschechischen und Slowakischen Republik widerspiegelt. Allein 2004 investierten deutsche Konzerne 24 Milliarden Euro in diesen vier Staaten, nach jeweils knapp 20 Milliarden in den Vorjahren. Die osteuropäischen EU-Beitrittsländer haben sich zudem zu einem der wichtigsten Absatzmärkte der deutschen Exportwirtschaft entwickelt. 2005 erreichten die Exporte einen Wert von 100 Milliarden Euro. „Dort verdienen die deutschen Konzerne mehr Geld als in den USA“, wie das Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung schreibt und resümierend festhält, dass die Ökonomien der osteuropäischen Beitrittsländer „zum großen Teil von deutschen Konzernen kontrolliert werden“.
Neue Verwertungsmöglichkeiten
Privatisierungen verschafften dem nationalen wie internationalen Kapital und den weltweit agierenden Konzernen neue Verwertungs-, Anlage- und Spekulationsmöglichkeiten. So wurden und werden immer mehr Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge und der sozialen Sicherungssysteme, die eine profitable Anlage versprechen, privatisiert. Mit dem Verkauf oder Teilverkauf werden staatliche Unternehmen den Profitintressen von Investmentsfonds, Banken, Versicherungen und Konzernen freigegeben. Dazu gehören Telekommunikationskonzerne, die Post, Verkehrsbetriebe (Bahn, Regional- und Nahverkehr, Airlines), öffentliche Versorgungsunternehmen (Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Wohnungen) und andere Infrastruktur- und Logistikeinrichtungen. Sie werden in Folge dessen nach deren Verwertungsinteressen umstrukturiert: Dies bedeutet nicht nur höhere Preise, sondern auch schlechtere Arbeitsbedingungen der in diesen Bereichen Beschäftigten.
Auch vor Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten macht diese Entwicklung keinen Halt. Mit umfangreichen Kooperationsverträgen, die unter dem Schlagwort der Public-Private-Partnership bekannt sind, werden Kommunen und Länder über Jahrzehnte an private InvestorInnen gebunden, die zu Lasten der gesellschaftlichen Reproduktion sowohl finanziell als auch bildungspolitisch Profite einfahren.
Ein weiteres Feld der Profitwirtschaft ist die in den letzten Jahren massiv gestiegene Patentierung von Wissen, Gensequenzen oder Saatgut. Damit wird ein geistiges Eigentumsmonopol hergestellt, das den weltweit agierenden Konzernen erlaubt, über Lizenzzahlungen Gewinne zu erzielen.
Einige AutorInnen wie Christian Zeller oder David Harvey bezeichnen diese Entwicklung, die sich aus den Krisenerscheinungen des Akkumulationsprozesses ergeben, als „globale Enteignungsökonomie“, die mitunter den Charakter der „ursprünglichen Akkumulation“ annimmt, also die verschiedenen Prozesse, die Marx in Bezug auf die Entstehungsphase der kapitalistischen Produktionsweise beschreibt: Raub, Betrug, Gewalt, Kolonialismus, Sklaverei, Staatverschuldung und Kreditwesen. Dies führte zur Trennung der Produzenten von ihren Produktionsmitteln durch die Privatisierung des Bodens und die Vertreibung der bäuerlichen Bevölkerung. Kollektives Eigentum wurde in privates Eigentum verwandelt.
Die Rolle der Finanzmärkte
Die gegenwärtige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass ein gewaltiger Teil des überschüssigen Kapitals in den Finanzsektor gespült wird, wo es weltweit nach profitablen Investitionsmöglichkeiten sucht. Hilferding und Lenin haben Anfang des 20. Jahrhundert die Vereinigung von Banken und Industriekapital zum „Finanzkapital“ analysiert. Heute tritt dieses Kapital teilweise in neuen Formen auf: als Investmentbanken und Fondsgesellschaften. Beispiele hierfür sind Private-Equity-Fonds wie Fortress, Cerberus oder Texas-Pacific-Group, die unter anderem durch die Aufkäufe staatlicher und kommunaler Wohnungsbaugesellschaften, Luftfahrtgesellschaften und dem Catering Unternehmen Gate Gourmet von sich Reden machten. Zur Funktionsweise der Private-Equity-Fonds siehe Kasten.
Während Banken und Versicherungen in der historischen Entwicklung vor allem des deutschen Kapitalismus eine symbiotische Beziehung mit der Industrie eingegangen sind, was in dem Begriff der „Deutschland AG“ zum Ausdruck kommt, agieren „Finanzdienstleister“ heute wesentlich unabhängiger auf den internationalen Devisen-, Kredit- und Kapitalmärkten. Das bedeutet, sie sind eigenständige Akteure. Auch hier kann das Beispiel der Private-Equity-Fonds angeführt werden, die mit relativ kurzfristigen Anlagen von fünf bis zehn Jahren hohe Renditen erwirtschaften. Dabei werden die übernommenen Unternehmen durch auf Verwertung ausgelegte Umstrukturierungsmaßnahmen völlig neu aufgestellt und häufig ihrer ursprünglichen materiellen Basis entledigt, was den Finanzinvestoren den Münteferingschen Beinamen der „Heuschrecken“ einbrachte. Die von der SPD-Führung initiierte „Heuschreckendebatte“ greift allerdings viel zu kurz und ist zudem deckungsgleich mit der „Globalisierungskritik“ rechter IdeologInnen, die dem „ausländischen Finanzkapital“ noch das Attribut des „jüdisch-amerikanischen“ andichten. Derartige Konstruktionen entbehren jeglichem Realitätsbezug, da sie weder die ökonomischen und politischen Entwicklungen berücksichtigen, die das Verwertungsfeld der Fonds bereitet haben, noch beschreiben sie, aus welchen Quellen sich das Kapital dieser Fonds speist.
Zwar haben die als Kapitalsammelstellen agierenden Fonds ihren Ursprung vor allem in den USA, was auf die weniger regulierte US-Wirtschaft zurückzuführen ist, grundsätzlich haben diese Gesellschaften aber keinerlei spezifische geographische, nationale oder religiöse Bindung. Ihre Grenzen finden die Fonds allein in den jeweiligen Bestimmungen, Gesetzen und Beschlüssen bezüglich der „Öffnung von Finanzmärkten“, den Entscheidungen von Kommunen und Staaten zu Privatisierungen und den Abwehrstrategien der Unternehmen und Konzerne gegen „feindliche Übernahmen“.
Wo derlei Beschränkungen oder Regulierungen nicht – oder nicht mehr – existieren, nutzt das finanzielle und industrielle Kapital die sich ergebenden Verwertungsmöglichkeiten. Der EU-Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen soll entsprechend vereinheitlicht werden, eine Forderung, die insbesondere auch von deutschen Banken, vertreten durch den „Bundesverband deutscher Banken“, immer wieder eingebracht wird.
Da sich das Volumen und der Charakter der Finanzmärkte sehr stark gewandelt hat, fällt ihnen heute eine den globalen Kapitalismus prägende Rolle zu. Es kann deshalb vom finanzdominierten Akkumulationsregime gesprochen werden. Das weltweit von institutionellen Investoren, dazu gehören vor allem, große Versicherungen, Investment- und Pensionsfonds, angelegte Vermögen hat sich in den letzten 25 Jahren von knapp drei Billionen US-Dollar 1980 auf über 55 Billionen US-Dollar im Jahr 2005 erhöht. Damit übersteigen diese Investitionen das Welt-Bruttoinlandsprodukt, das im Jahr 2004 bei knapp 41 Billionen US-Dollar lag.
Die globale Ausplünderung von Arbeitskraft und Ressourcen geschieht allerdings nicht nur mittels Verhandlungen oder Abkommen auf Ebene der WTO oder EU. Dort, wo sich Hindernisse oder Widerstand gegen die neoliberale Offensive formieren, gehören Repression, Krieg und Besatzung zu den Mitteln, um den Konzernen die Kontrolle über Rohstoffe, Arbeitskraft und Absatzmärkte zu verschaffen.
Krieg und Militarismus
Der Militarismus ist eine elementare Stütze des Kapitals. Das Militär war und ist ein zentrales Mittel zur Durchsetzung der Akkumulation durch Enteignung. Krieg ist dabei die brutalste Form, die Kontrolle über Märkte und Rohstoffe zu erlangen und ist in Zeiten verschärfter Konkurrenz ein immer häufiger verwendetes Mittel, wie unter anderem die Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan und den Irak belegen. Bei letzterem zeigte sich auch die innerimperialistische Konkurrenz zwischen den USA auf der einen Seite und Deutschland/Frankreich auf der anderen. Denn auch wenn es verschiedene Bündnisse der imperialistischen Staaten gibt, heißt das nicht, dass Konflikte und widersprechende Interessen nicht vorhanden wären. Diese drücken sich derzeit in politischen Konflikten wie den Kriegsabsichten gegenüber Iran oder in Handels- und Währungsstreitigkeiten aus, wie beispielsweise der Konflikt zwischen EU und USA um die US-Stahlzölle, der Streit um Subventionen von Boeing beziehungsweise Airbus sowie die sich verschärfende Konfrontation zwischen Dollar und Euro um die Position der globalen Leitwährung.
Gerade in einer Zeit, in der Investitionsmöglichkeiten und strategische Rohstoffe rar werden und die Absicherung beziehungsweise Eroberung alter und neuer Absatz- und Arbeitsmärkte über das Wohl und Wehe der Global-Player entscheiden, verschärft sich der Konkurrenzkampf zwischen den kapitalistischen Zentren.
Innerimperialistische Konkurrenz und Kooperation
Bevor wir auf die innerimperialistische Kooperation und Widersprüche eingehen, wollen wir kurz den Begriff Imperialismus definieren. Der Imperialismus ist nicht einfach nur eine Politikform, sondern bezeichnet eine Entwicklungsstufe des Kapitalismus. In dieser ist die Konzentration und Zentralisation des Kapitals so weit fortgeschritten, dass sich Oligopole gebildet haben, die in der Weltwirtschaft die entscheidende Rolle spielen. Die Stufe des Imperialismus hat der Kapitalismus in Europa Anfang des 20. Jahrhunderts erreicht. Die wesentlichen Unterschiede zum vorherigen Kapitalismus sind die Beherrschung des Marktes durch einige wenige Konzerne, die Entstehung des Finanzkapitals durch die Verschmelzung von Industrie und Bankkapital und der Anstieg des Kapitalexportes aus den kapitalistischen Zentren in die Peripherie. Der Konkurrenzkampf um die Ausplünderung der Welt unter den verschiedenen imperialistischen Zentren nimmt aufgrund der Schwierigkeiten, immer weiter steigende Profite einzufahren, zu. Die Folgen sind imperialistische Kriege und Besatzungen und die Verschärfung der Ausbeutung auch in den Zentren. Trotz der verstärkten Internationalisierung des Kapitals ist die Verflechtung des Kapitals nicht so stark, dass eine globale Interessensgemeinschaft, also eine globale herrschende Klasse entstanden ist. Die verschiedenen Oligopole besitzen immer noch ihre Bindung zu bestimmten imperialistischen Zentren. Diese Staaten stehen in Konkurrenz zueinander, auch wenn sie Bündnisse eingehen.
Eine viel schärfere Analyse in Hinsicht auf die Funktion von G8-Treffen und anderer supranationaler Konstellationen muss in Hinsicht auf die Entwicklung der zukünftigen Machtblöcke vorgenommen werden. Wie bereits im vorhergehenden Artikel zur G8 stellt auch die Buko in dem Diskussionspapier „G8 delegitimieren, soziale Bewegungen stärken, Alternativen leben“ fest, dass „im Rahmen der G8 Differenzen und Widersprüche zwischen den weltpolitisch und -ökonomisch dominierenden Staaten ausgetragen und bearbeitet (werden). Gemeinsame Interessen der Mitgliedsstaaten werden destilliert, koordiniert und nach außen gebündelt. Beim Verschuldungsmanagement in den Achtzigern, den Währungskrisen in den Neunzigern sowie bei der heutigen Durchsetzung von Strategien ‚globaler Sicherheit‘ und der Sicherung der Energieversorgung waren und sind die G8 jeweils ein zentraler Ort der Entwicklung von Strategien des Krisenmanagements. Diese waren stets darauf ausgerichtet, eine inhärent krisenhafte Weltwirtschaft durch politische Rahmenbedingungen zu stabilisieren; im Sinne ‚makroökonomischer Stabilität‘, aber auch zur Sicherung der bestehenden Machtverhältnisse. Die Bearbeitung von Widersprüchen zwischen den G8-Staaten stößt jedoch auch an Grenzen, wie die gegensätzlichen Positionen zum Irak-Krieg, zu umwelt- und zu handelspolitischen Fragen zeigten.“
Zu den „dominierenden Staaten“ und Machtzentren gehören zweifelsohne die USA, Japan und die EU. Russland und China sind die nächsten (Regional‑)Mächte, die um Einfluss in der Welt kämpfen.
Insbesondere das Verhältnis der EU zu den USA auf der einen Seite und gegenüber Russland auf der anderen Seite ist bedeutsam für die Vorherrschaft in verschiedenen Regionen der Welt. Deutschland ist aufgrund seiner ökonomischen Stärke die entscheidende Kraft für die politischen Weichenstellungen innerhalb der EU und verfolgt dabei eigene strategische Interessen. Unter der Ratspräsidentschaft Deutschlands, die sich mit der erstmaligen Besonderheit der „Trio-Präsidentschaft“ mit Portugal und Slowenien de facto von einer halbjährigen auf eine eineinhalbjährige Präsidentschaft bis Juni 2008 ausweitet, sind einige Eckpunkte definiert worden, die den Charakter der EU für die Zukunft prägen werden. Dazu gehören die Verabschiedung der umstrittenen EU-Verfassung sowie eine strategische Energiepolitik, die jeweils vielfältige und an zentraler Stelle auch militärische Optionen einschließt.
Diese werden sich unter anderem auf das Verhältnis der EU zu den strategischen Partnern Russland, USA und auch China auswirken. In grober Vereinfachung stehen sich gegenüber: Die eurasische Option, die unter der Regierung Schröder ihren Ausdruck fand, und die transatlantische Option unter Merkel. Beide Optionen finden ihre Entsprechung in den wirtschaftlichen Kräfteverhältnissen, sprich: der Machtposition der Industrie- und Finanzkapitale.
Daraus ergibt sich, dass sich keine der beiden Optionen in absehbarer Zeit in Reinform durchsetzen wird, das heißt, es wird weder ein gemeinsamer imperialistischer Block aus EU und USA, noch aus EU und Russland entstehen. Vielmehr werden zeitweilige oder verschiedenen Zwecken dienende Bündnisse das globale Geschehen bestimmen. Allen diesen bestehenden oder sich entwickelnden Bündnissen ist gemein, dass sie imperialistisch geprägt sind und die Aneignung und Aufteilung der globalen Ressourcen und Märkte zum Ziel haben – eine hervorzuhebende Bedeutung kommt dabei den weltweiten Energievorkommen zu.
Dazu aus der Rede von Bundesaußenminister Steinmeier über die Interessen Deutschlands auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2006 bezüglich des künftigen Verhältnis Europa-Russland-USA zum Thema Energie: „Die Endlichkeit fossiler Energieressourcen lässt befürchten, dass Probleme im Zugang zu erschwinglicher Energie immer häufiger auch Quelle von Auseinandersetzungen werden. Für mich ist deshalb klar: Globale Sicherheit im 21. Jahrhundert wird untrennbar auch mit Energiesicherheit verbunden sein. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, das verstehen Sie, muss sich dieser strategischen Herausforderung stellen. Wir sind ein rohstoffarmes Land.“
Technologischer Fortschritt und Produktionsstätten sind ohne Energie nicht nutzbar. Bei zunehmender Reserven- und Ressourcenknappheit konventioneller Energie wie Öl, Gas, Uran und Kohle wird die Kontrolle über eben diese zum zentralen Machtfaktor im weltweiten Kapitalismus. Die EU ist im Bereich Energie mit 75 Prozent ihres Erdöl- und 40 Prozent ihres Gasverbrauchs auf Rang zwei der Energie-Importweltmeister. Da sie kaum über nennenswerte Ressourcen verfügt, beziehungsweise diese in absehbarer Zeit ausgeschöpft sind, wird die Abhängigkeit insbesondere von Öl- und Gasimporten noch ansteigen, nach Schätzungen der EU-Kommission bis zum Jahre 2030 auf 90 Prozent bei Erdöl und 70 Prozent bei Gas.
Um sich ihre Vormachtsstellung im globalen Kapitalismus zu sichern, ist es für die EU und andere imperialistische Zentren zwingend notwendig, ihre Energiezufuhren zu sichern. Denn letztendlich setzt sich nur durch, wer auch über ausreichend und im Preis konkurrenzfähiger Energie verfügt. Die Sicherung der Machtpositionen erfolgt daher nicht mehr vorwiegend über die Durchsetzung der Kontrolle von Produktion und Märkten an sich, sondern bei knapper werdenden Ressourcen findet eine Verschiebung hin zu den Kontrolleuren von den für die Produktion elementar notwendigem Produktionsmittel Energie statt. Denn nur wer über Energie verfügt, kann überhaupt irgendetwas produzieren oder ist in der Lage Kriege führen.
Zu einem der zentralen Themenfelder hat die deutsche Bundesregierung dementsprechend sowohl bezüglich der EU-Ratspräsidentschaft als auch der G8-Präsidentschaft die Energieversorgung deklariert. Das Thema stand bereits während der letzten G8-Treffen ganz oben auf der Tagesordnung und dürfte auch in den kommenden Jahren ein bestimmendes Thema bleiben. Bis 2030 könnte die Abhängigkeit Europas von russischen Energieimporten – wie Erdöl und Gas – 80 Prozent betragen. Nach den Ausführungen Karin Kneissls in der Österreichischen Militärischen Zeitschrift vom März 2006 könnte eine Energiekrise fatale Folgen haben, „wenn die EU bis dahin keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hat“.
Auch die Europäische Kommission plädiert für eine „gemeinsame Energieaußenpolitik, die Europa in die Lage versetzt, zusammen mit Energiepartnern weltweit eine wirksamere internationale Rolle bei der Behandlung gemeinsamer Probleme zu spielen“. Die Energieversorgungssicherheit ist also eines der zentralen Politikfelder der deutschen und der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, zu deren Instrumentarien militär- sowie entwicklungspolitische sowie rein ökonomische Flankierungsmaßnahmen gehören.
Wenn innerhalb der Linken das Schlagwort „Kein Blut für Öl“ häufig als zu eindimensional kritisiert wird, so hat das zwar seine Berechtigung, da sich natürlich nicht jede kriegerische Aggression damit erklären lässt. Die Vernachlässigung, beziehungsweise Negierung dieses Aspekts läuft allerdings Gefahr, falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. Anhand der Energie- und Industriepolitik lassen sich vielfältige aktuelle Entwicklungen nachzeichnen, die nicht irgendeinen Ausschnitt der gesellschaftlichen Verhältnisse darstellen, sondern strategische Bedeutung haben – sie bilden den Kern der imperialistischen Aggression rund um den Globus.
Um die Beschäftigung mit den hier skizzierten Konstellationen und Themen kommt eine antikapitalistische Betrachtung und Mobilisierung zu G8 oder sonstigen Gipfeltreffen nicht herum.
Mehrwert und Akkumulation
Der Mehrwert wird im Produktionsprozess erzeugt, denn die ArbeiterInnen erhalten für einen Teil ihrer geleisteten Arbeit keinen Gegenwert. Während ihrer Arbeitszeit fügen die ArbeiterInnen mit Hilfe der Maschinen, dem Rohmaterial einen neuen Wert hinzu. Nach einer gewissen Anzahl von Stunden haben sie die Menge Wert geschaffen, die ihrem Lohn, also dem Wert der Ware Arbeitskraft, entspricht. Danach arbeiten sie für den Mehrwert, der vom Kapitalisten angeeignet wird, da dieser über die Produktionsmittel und die hergestellten Waren verfügt. Allein mit der Ware Arbeitskraft macht der Kapitalist Profit. Denn die anderen zur Produktion benötigten Waren, die Maschinen und Rohstoffe, geben in der Produktion durch die Abnutzung beziehungsweise den Verbrauch, nach und nach, ihren gesamten Wert an das neue Produkt ab. Die Grundlage des Mehrwerts ist also die Mehrarbeit der ArbeiterInnen. Der erzeugte Mehrwert ist in den produzierten Waren enthalten. Diese werden verkauft – aus Warenkapital wird Geldkapital. Dieses muss in irgendeiner Form wieder als Kapital angelegt werden, also in den Produktionsprozess investiert werden. Dieser Prozess, die Neuanlage, zumindest eines Teils des Mehrwerts wird Kapitalakkumulation genannt. Der Teil, der nicht neu investiert wird geht in den privaten Konsum des Kapitalisten, fungiert also nicht als Kapital, da dieser Teil des Mehrwerts verbraucht wird ohne neuen Mehrwert zu schaffen.
Aufgrund der Kürze konnte der Begriff des Mehrwerts und der Kapitalakkumulation hier nur angerissen werden, für eine tiefer gehende Beschäftigung mit diesem Thema empfehlen wir den ersten Band vom „Kapital“ von Karl Marx.
Private-Equity-Fonds
Private-Equity-Fonds stellen lediglich ein spezielles Segment auf dem Markt der Finanzdienstleistungen dar. Gegenüber den Bankkonzernen – die selbst im Private-Equity-Geschäft tätig sind – sind die reinen P-E-Fonds relativ kleine Fische. Da diese Fonds jedoch unmittelbar in die Lebensbereiche vieler Menschen hineinwirken, sollen sie hier kurz dargestellt werden.
Das Anlagekapital dieser Fonds speist sich aus verschiedensten Quellen. Staatliche oder betriebliche Versorgungs-, Renten- und Pensionskassen legen die Beiträge der Beschäftigten ebenso in diesen Fonds an, wie das auch Konzerne, Universitäten oder Ölmilliardäre mit nicht anderweitig verwertbaren Geldmitteln tun. Dies geschieht einzig und allein, weil die versprochenen und oftmals auch eingehaltenen Renditeversprechen derzeit enorm hoch sind.
Ihre finanzielle Schlagkraft erhalten die Fonds durch die Hebelwirkung, die sich aus dem Verhältnis vom investierten Eigenkapital zum Fremdkapital ergibt. Häufig werden Übernahmen mit lediglich 20 Prozent Eigenkapital bewerkstelligt.
[http://home.arcor.de/g8-broschuere]