2007-09-06
05.09.2007: Rostock/MVregio "Außer Spesen nichts gewesen." Die Bilanz des G8-Gipfels in Heiligendamm fällt für den Chef der Linksfraktion im Schweriner Landtag, Wolfgang Methling, eindeutig aus.
Landesregierung, Wirtschaft und Tourismusverband hingegen streichen positive Aspekte heraus: Das Land habe sich als Ausrichter großer Konferenzen bewährt und weltweit an Bekanntheit und Ansehen gewonnen. Für Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) ist die gewachsene Bekanntheit des Landes vor allem für die Gewinnung von Investoren wertvoll.
Am Donnerstag ist es drei Monate her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Staatsgäste im Kempinski Grand Hotel begrüßte. Zuvor hatte es einen erbitterten Streit über Auswirkungen des Treffens der Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrieländer und Russlands auf das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Nach dem Abbau des umstrittenen, zwölf Kilometer langen Sicherheitszauns erinnert in der Region selbst kaum noch etwas an den Gipfel, der den Badeort an der Ostsee für drei Tage im Juni in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückt hatte.
Für den Geschäftsführer der IHK Rostock, Rolf Paarmann, steht im Vordergrund, dass sich das Land ordentlich präsentieren konnte. Er ist sich sicher, dass die Bilder der Straßenschlacht am Rostocker Stadthafen bei der Fülle der positiven Bilder rund um den G8-Gipfel schnell verblasst sind. "Auf Euro und Cent rentiert sich sowas nie", fügt er angesichts der immensen Kosten für den Landeshaushalt hinzu.
Die Gesamtkosten seien noch nicht absehbar, sagt der Sprecher des Finanzministeriums, Stephan Bliemel. Sicher sind 33,7 Millionen Euro, die das Land für den Einsatz seiner Polizisten ausgegeben hat. 24,1 Millionen Euro seien Durchlaufkosten für Hotelmiete oder Zaunbau, die letztlich vom Bund getragen würden. Fraglich sind noch die auf 34,3 Millionen Euro veranschlagten Kosten für Polizisten anderer Bundesländer. Beim Besuch des US-Präsidenten George W. Bush im Jahr zuvor hatte sich gezeigt, dass nicht alle Länder ihre Kosten in Rechnung stellten und so statt ursprünglich zwölf Millionen etwa acht Millionen Euro zu zahlen waren.
Der Gipfel habe deutlich gemacht, dass es sich um eine nutzlose Veranstaltung handelt, bei der Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis stehen, meint Kritiker Methling. Er verweist auf Einschränkungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und nicht legitimierte Einsätze der Bundeswehr. Es gibt deshalb Überlegungen zum Einsatz eines Untersuchungsausschusses im Landtag. "Der Protest zehntausender Menschen, die ihre Kritik friedlich und fantasievoll zum Ausdruck gebracht haben, war zweifellos das beste Ergebnis im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel", befindet der Linkspolitiker.
Der Geschäftsführer des Landestourismusverbands, Bernd Fischer, zieht ein positives Fazit. Der Gipfel habe dem Land eine bislang unerreichte internationale Aufmerksamkeit beschert habe. Was auch dringend nötig ist, denn mit einem Anteil von ausländischen Gästen bei Übernachtungen von 2,7 Prozent hat das Land großen Aufholbedarf. Weltweit sei in rund 1000 Veröffentlichungen über den Nordosten als Tourismusland berichtet worden. "Es ist Mecklenburg-Vorpommern gelungen, mit positiven Themen einen Platz zu belegen, der nicht anderweitig besetzt werden konnte", sagt Fischer.
Von einem positiven Schub berichtet auch der Chef des Kempinski Grand Hotels, Martin Kolb. Erstmals seit der Eröffnung im Mai 2003 werde 2007 im G8-Tagungshotel eine "schwarze Null" geschrieben. Im vergangenen Jahr sei bei einer Auslastung von 43 Prozent noch ein Verlust von rund 1,5 Millionen Euro aufgelaufen.
Die Justiz in Mecklenburg-Vorpommern wird sich noch lange mit dem Gipfel beschäftigen müssen. Die Staatsanwaltschaft habe bislang mehr als 700 Verfahren bearbeitet, 35 Prozent endeten mit Sanktionen wie Strafbefehlen. Zehn Prozesse gegen militante G8-Gegner wurden geführt. Oberstaatsanwalt Peter Lückemann geht davon aus, dass durch die derzeit noch laufenden Videoauswertungen rund 2000 weitere Verfahren dazukommen werden. 2008 sollen alle Verfahren beendet sein.
Doch es scheint derzeit unwahrscheinlich, dass bis Ende 2008 der Gipfel gänzlich Geschichte sein wird. Denn drei Betroffene, die bei den umstrittenen Einsätzen von Tornado-Aufklärungsflugzeugen im Camp Reddelich gefilmt worden sei sollen, haben Klage beim Verwaltungsgericht Schwerin gegen die Flüge eingereicht. Experten rechnen damit, dass das Thema vor den höchsten deutschen Richtern landen wird.