2007-08-29
Von Manuela Pfohl
Vor zweieinhalb Monaten bahnten sich Demonstranten ihren Weg zum G8-Gipfel durch die Getreidefelder der Bauern. Für die entstandenen Schäden soll das Land Mecklenburg-Vorpommern aufkommen. Doch nicht alle Gipfel-Opfer haben die Chance auf einen finanzielle Ausgleich.
Ein Bild geht um die Welt: Hunderte Demonstranten, die am 6. Juni durch ein wogendes Weizenfeld marschieren. Richtung Zaun Heiligendamm. Polizisten aus Sachsen-Anhalt sehen die G8-Kritiker kommen. Eingreifen sollen sie nicht. Es gilt die Order Deeskalation. Die Bauern müssen hilflos zusehen, wie ein Teil ihrer Ernte der Globalisierungskritik geopfert wird. Zweieinhalb Monate später liegen im Schweriner Landwirtschaftsministerium die Rechnungen der Landwirte auf dem Tisch.
"Weil der G8-Gipfel inklusive der dazugehörigen Demonstrationen rein rechtlich auf die Kappe des Landes Mecklenburg-Vorpommern gehen, muss das Land auch für die Schäden aufkommen", erklärt Detlef Lindemann vom Bauernverband Bad Doberan. Gernot Haffner, Referent des Landwirtschaftsministers sagt: "Wir haben eine geschätzte Schadenshöhe von rund 32.000 Euro in acht betroffenen Betrieben." Bei einem weiteren Hof werde die Schadenssumme noch geprüft. Hauptursache sind zertrampelte Wintergetreide. Daneben wurden zerstörte Weidezäune, das erforderliche Ein- und Ausstallen von Tieren und die Müllentsorgung auf die Rechnung an das Landwirtschaftsministerium geschrieben.
Nach Angaben des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern kommen zu den Schäden der Bauern noch einmal rund 30 Anträge auf Schadensersatz von Kommunen und Privatpersonen. Zerstörte Grünanlagen, aufgerissene Straßen, demolierte Parkautomaten und ähnliche Schäden schlagen mit rund 100.000 Euro zu Buche. Bernd Fritsch, Sprecher des Innenministeriums erklärt: "Etwa ein Drittel der Anträge ist bereits durch Anerkennung oder Ablehnung erledigt."
Hausbesitzer Mike Spangenberg, über dessen Grundstück der Sicherheitszaun an der Kontrollstelle Hinterbollhagen führte, hat das Land sogar verklagt. Wegen unterlassener Hilfeleistung, Hausfriedensbruch und sämtlicher Paragrafen, die sonst noch in Frage kommen. Gipfelkritiker waren zu Hunderten über sein Grundstück marschiert, hatten aus seinem Zaun Straßenblockaden gebaut. Hilfe von der Polizei habe er nicht bekommen, obwohl die vor Ort gewesen sei.
Umsatzeinbrüche müssen die Einzelhändler alleine tragen
Keine Chance auf eine Entschädigung haben die Einzelhändler in Rostock und im Landkreis Bad Doberan. "In der Gipfelwoche mussten viele Händler Umsatzeinbrüche von bis zu 80 Prozent hinnehmen“, berichtet der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Nord-Ost, Heinz Kopp. Ein Grund für das G8-Minus sei gewesen, dass in der Zeit vor und während des Gipfels nur sehr wenige Urlauber in der Region waren. "Es hat sich auch als Trugschluss herausgestellt, dass die Tausenden von Demonstranten, Journalisten und Sicherheitskräften zwischen Rostock und Kühlungsborn die Umsätze bei Lebensmittelhändlern in die Höhe treiben werden", sagt Kopp. Einzige Ausnahmen in der trüben Bilanz seien Unternehmen, in der Umgebung der Camps, in denen die Gipfelkritiker übernachteten. Die Fleischerei Hackendahl, in direkter Nachbarschaft zum Camp Reddelich gehörte dazu.
Mit seinem Transparent "Revolution am Ostseestrand Wir grillen für den Widerstand" hatte der clevere Mecklenburger für gute Beziehungen zu den G8-Kritikern und satten Umsatz gesorgt.Auch die Erwartungen des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern haben sich nach Aussage seiner Präsidentin erfüllt. "Wir gehen von mindestens 25 Millionen Euro Umsatz für die Branche aus", sagt Sylvia Bretschneider. Allerdings hätten sich einige Gastronomen in Kühlungsborn mehr vom Gipfel erhofft. Das Geschäft habe darunter gelitten, dass die Medienvertreter im Pressezentrum rundum versorgt wurden.
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