2007-08-29 

Mehr Selbstbewußtsein im Kampf gegen § 129a

In den vergangenen Wochen schien es zeitweilig so zu sein, als wolle eine Stellungnahme nach der anderen die jeweils vorhergehende, in der Bekundung der Harmlosigkeit der Unterzeichnenden, der (zu Recht oder zu Unrecht) Beschuldigten, von Brandanschlägen generell und selbst der militanten gruppe (die eher als skurril denn als Organisation mit revolutionärem Anspruch dargestellt wurde) überbieten wollen. In letzter Zeit ändert sich dies. Den Durchbruch brachte wohl der internationale Aufruf (1), der auch die Freilassung der Beschuldigten fordert, denen der Brandstiftungsversuch bei MAN vorgeworfen wird. Es folgte ein Aufruf aus dem Gewerkschafts-/Linkspartei-Spektrum (2), der die Abschaffung des § 129a fordert. Diese Forderungen sind Zeichen eines – in Deutschland als mutig zu bezeichnenden – liberalen Demokratieverständnisses. Der § 129a StGB beschneidet wichtige Grundrechte (3). Und ohne diesen Anti-Terrorismus-Paragraphen wäre wohl kaum Untersuchungshaft wegen einer versuchten Brandstiftung angeordnet worden (4).
In diesem Kontext scheint es nun auch möglich zu sein, weitergehende Fragen anzuschneiden.

Bild: BKA

Den Anfang machten am 21. August 2007 Rolf Hartmann und Manfred Sehl:
„Wir studierten, promovierten und lehrten mehrere Jahren an deutschen Hochschulen. Überrascht haben wir Stellungnahmen zur Kenntnis genommen, die Teile unserer kritischen Kolleginnen und Kollegen vom Katheder ließen. Ihre Aussagen treffen uns. Sie lesen sich so, als ob kritische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler keine Brandsätze unter – wie Tucholsky sagen würde – für organisierten Massenmord produziertes Kriegsgerät legen könnten. Dabei waren doch Angehörige verschiedener Universitäten 1972 daran beteiligt, einen Rechner der US-Army zu sprengen und damit die Bombardierung von Vietnam für die Dauer mehrerer Tage zu stoppen.“ (5)
Bei der Kundgebung am 22. August gab es dann Redebeiträge mit statements wie diesen:

Bei indymedia und http://gipfelsoli.org wurde eine Auflistung von antimilitaristischen Aktionen der letzten Zeit plus Entwurf für ein Plakat mit dem Titel „Es gibt zu viele Bundeswehrfahrzeuge“ eingestellt (10).

Und nun gibt es auch eine Stellungnahme, die auch die mg – wenn auch nicht ohne Vorbehalt und auch eher beiläufig in einem Text, der vorrangig andere Fragen diskutiert – in die inhaltliche Solidarität miteinbezieht: „[…] die Praxis der mg [zielt] – langfristig – sehr wohl auf eine erhebliche Schädigung des Staates […] – ‚und das ist gut so’, auch wenn daran gezweifelt werden kann, ob alles, was die mg so tut und schreibt jenem Ziel wirklich dienlich ist. “ (11)
Wichtig ist allerdings zu sehen, dass keiner dieser Texte in den Fehler verfällt, spiegelbildlich zur Situation am Beginn der Soli-Kampagne, vorzuschlagen, die Soli-Arbeit auf ein revolutionäres oder linksradikales Spektrum einzugrenzen. Vielmehr muß erkannt werden, dass nur in dem Maße, in dem der Gesinnungsparagraphen 129a von Liberalen in Frage gestellt wird, die Bereitschaft steigen wird, solche weitergehenden Frage ansprechen.
Eine Überlegung, die Paragraphenamazone in ihrem Eröffnungsbeitrag für diesen blog in Bezug auf die Gefangenen entwickelt, gilt also auch über die Gefangenen hinaus: „Und in der Tat ist Wissenschaft – im Sinne dieser oder jener Seite – niemals unschuldig, niemals harmlos – auch wenn die Schuld nicht immer auch eine strafrechtliche ist. Es geht also […] darum, maximalen juristischen Spielraum dafür zu schaffen, daß sich die Gefangenen – falls sie wollen – politisch ‚schuldig’ bekennen können.“ (12)

Entsprechend gilt auch für die Bewegung draußen, außerhalb des Knastes: In dem Maße, in dem die radikale und revolutionäre Linke ihre Position selbstbewußter darstellen will, wird Bündnisarbeit nicht weniger wichtig, sondern wichtiger: „Einen mächtigeren Gegner kann man nur unter größter Anspannung der Kräfte und nur dann besiegen, wenn man unbedingt aufs angelegentlichste, sorgsamste, vorsichtigste, geschickteste sowohl jeden, selbst den kleinsten ‚Riß’ zwischen den Feinden, […] als auch jede, selbst die kleinste Möglichkeit ausnutzt, um einen Verbündeten unter den Massen zu gewinnen, mag das auch ein zeitweiliger, schwankender, unsicherer, unzuverlässiger, bedingter Verbündeter sein.“ (13).

Und umgekehrt sollten auch die Liberalen erkennen, dass das Wiedererstarken einer radikalen oder revolutionären Linken links von ihnen durchaus nicht zwangsläufig zu den von ihnen immer gefürchteten Eskalationen und Polarisierungen führen muß, sondern es ihnen durchaus erleichtern kann, ihre Reformforderungen durchzusetzen.

Zitatnachweise

[http://delete129a.blogsport.de/2007/08/29/mehr-selbstbewusstsein-im-kampf-gegen-a-129a/]