2007-08-22 

Erklärung: 80 internationale Journalisten, Künstler und Wissenschaftler

Pressemitteilung, 22. August 2007

Nach Wochen der Solidarität durch tausende von Akademikern und anderen
kritisch denkenden und handelnden Menschen im In- und Ausland, welche
nach dem Herbst 1989 Ihresgleichen sucht, wurde unser Autor Andrej H.
heute aus der Untersuchungshaft in Berlin-Moabit entlassen. Jetzt heißt
es: Nicht nachlassen, um die Einstellung der 129a Verfahren gegen die
Sieben zu erreichen!

80 internationale Journalisten, Künstler und Wissenschaftler bekennen in
einer von der ehemaligen DDR-Oppositions-Zeitschrift telegraph
initiierten Erklärung:

Wir alle sind verdächtig!

Sie protestieren darin gegen die Inhaftierungen und fordern die
Einstellung des 129a Verfahrens gegen insgesamt 7 betroffene Personen.

Einige von den Erstunterzeichnern haben vor dem Herbst 1989 in der DDR
und in Polen ähnliches staatliches Vorgehen gegen Kritiker erfahren
müssen. In der Erklärung heißt es dazu “die Parallelen sind erschreckend
und alarmierend!”

Wir bitten Sie um Veröffentlichung des Aufrufs in Ihren Medien und
stehen Ihnen auf Nachfragen gern zur Verfügung.

Kontakt: Dirk Teschner, Redaktion telegraph, Telefon: 01787871727,
Email: telegraph@ostbuero.de, News: http://www.ostblog.de

ERKLÄRUNG

Wir bekennen – wir alle sind verdächtig!

Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof erließ am 1. August 2007
Haftbefehle gegen Florian L., Axel H. und Oliver R. Ihnen wird
vorgeworfen, versucht zu haben, mindestens drei Lastkraftwagen der
Bundeswehr auf dem Gelände der Firma MAN in Brandenburg in Brand zu
setzen. Darüber hinaus wurde ein Haftbefehl gegen Andrej H. erlassen.
Alle vier befinden sich seitdem im Moabiter Untersuchungsgefängnis unter
Sonderhaftbedingungen. Bei drei weiteren Menschen fanden in Berlin und
Leipzig Hausdurchsuchungen statt. Alle werden beschuldigt, Mitglieder
der militanten gruppe (mg) zu sein. Gegen die sieben Leute läuft seit
2006 ein von der Bundesanwaltschaft geführtes Verfahren wegen
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a.

Vor allem die Verdachtsmomente gegen den inhaftierten Berliner
Wissenschaftler und Journalisten Andrej H. und gegen die anderen 3 aus
Berlin und Leipzig, von deren Inhaftierung die Bundesanwaltschaft z.Zt.
noch absieht, ist an Absurdität kaum zu überbieten. Ihnen werden in den
Zeitschriften telegraph und junge Welt veröffentlichte Artikel und
wissenschaftliche Texte vorgehalten, die teilweise 10 Jahre alt sind.
In der Anklageschrift heißt es dazu: "Eine veröffentlichte
wissenschaftliche Abhandlung enthält Schlagwörter und Phrasen, die in
Texten der “militante(n) Gruppe (mg)” gleichfalls verwendet werden. Die
Häufigkeit der Übereinstimmung ist auffallend und nicht durch
thematische Überschneidungen erklärlich." . "Als promovierter Politologe
ist er zum einen intellektuell in der Lage, die anspruchsvollen Texte
der “militante(n) Gruppe (mg)” zu verfassen, zum anderen stehen ihm als
Mitarbeiter eines Forschungszentrums Bibliotheken zur Verfügung, die er
unauffällig nutzen kann, um die zur Erstellung der militanten Gruppe
erforderlichen Recherchen durchzuführen."

Will man dieser Logik der Bundesanwaltschaft folgen, ist jeder kritische
Wissenschaftler, Journalist und Autor verdächtig.

Einige von uns haben vor dem Herbst 1989 ähnliches staatliches Vorgehen
gegen Kritiker selbst erfahren müssen – die Parallelen sind erschreckend
und alarmierend!

Wir fordern die sofortige Freilassung der vier Inhaftierten und die
Einstellung des 129a-Verfahrens gegen alle sieben!

Erstunterzeichner: