2001-07-28 

BOLZANETO; FASCHISTISCHE FESTUNG - Das Zeugnis einer entlassenenen Geisel

Bei Indymedia Italy Erschienen unter dem Titel: "Catarro sulla Foto di Fausto
- BOLZANETO ROCCAFORTE FASCHISTA - La testimonianza di un ostaggio rilasciato". 28.07.01. 18,21 Uhr.

A., fotograf, übergibt einem Indymedia-Journalisten sein Zeugnis und entscheidet sich, aus Angst vor Repressalien, anonym zu bleiben.

"Am Samstag wurde ich verhaftet, während ich mich dort zum Fotografieren aufhielt: dadurch, dass ich mich zu einem gewissen Zeitpunkt von der Gruppe der anderen Fotografen gelöst hatte, blieb ich isoliert zurück, war also extrem exponiert. Ich habe einen Polizeiansturm kommen gesehen und bin instinktiv geflüchtet, allein, bis ich mich in einem menschenleeren Seitengässchen wiederfand. Ich war mir soeben meiner Lage bewusst geworden, da kamen schon 3-4 Angehörige der Digos in Zivil (Politische Abteilung der Polizei A.d.Ü.) und stellten sich unvermittelt vor mir auf. Für sie ist ein Fotograf, alleine in einem leeren Gässchen, mit Sicherheit eine grosse Freude. Sie haben begonnen, mich mit Knüppeln zu schlagen (von wegen Schlagstöcke!), ich erinnere mich, dass einer von ihnen, der, der mit dem Stock am rabiatesten vorging, einen Moped-Fahrerhelm und eine Jacke in Orange, wie die der Journalisten, trug.

Nach der Verhaftung bin ich zum genueser Polizeipräsidium überführt worden, zusammen mit anderen jungen Leuten.Gegen mich war bereits eine absurde Anklage erhoben worden: Gewalt und Widerstand gegen eine Amtsperson und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (letzteres wörtlich übersetzt: Subversive Vereinigung, A.d.Ü) zum Zweck der Verwüstung der Stadt.

Ich sei praktisch einer vom schwarzen Block gewesen, ihrer Meinung nach, erst recht weil ich zu dem Zeitpunkt und rein zufällig ein schwarzes T-Shirt trug.

Samstag Nacht ist für mich die "grosse Nacht der Folterungen" gewesen: zum Gefängnis von Bolzaneto gelangt man aus Genua, es ist ein fünfzehn Auto-Minuten entferntes Kaff. Ich habe diese fünfzehn Minuten in einem Streifenwagen mit vier Polizisten zurückgelegt, die keine Minute aufgehört haben mir Fausthiebe auf den Kopf zu verpassen: sie beschimpften mich und fuhren fort, mich zu schlagen. Der Fahrer beschwerte sich, weil ihn das Steuern des Autos wegen den vielen Kurven daran hinderte, mit der von ihm gewünschten Beharrlichkeit auf mich loszugehen, wobei auch er sich während der wenigen geraden Streckenabschnitte umdrehte und mir Prügel an den Kopf versetzte. Dann hörte ich den Fahrer sein Ansinnen Manifestieren, am Straßenrand anzuhalten, um einem Kollegen die Steuerung des Wagens zu überlassen, um sich richtig Zeit nehmen zu können, seine ganze Boshaftigkeit an mir herauszulassen.

Ich war in Handschellen und durfte keine Fragen stellen. Als ich nach Bolzaneto kam, das in wirklichkeit kein Gefängnis, sondern ein mobiles Präsidium ist und begriffen habe, welche Behandlung für uns vorgesehen war, hatte ich einen einzigen Gedanken; "wenigstens können sie uns nicht umbringen", auch wenn es keine absolute Sicherheit war.

Im Gefängnis waren wir in Gruppen von 10-15 Personen in grossen Zellen eingeschlossen. Die Polizisten hielten unsere Köpfe gegen den Fußboden, um uns daran zu hindern, den Ort und die Gesichter unserer Peiniger klar zu sehen.

Dann haben sie uns mit dem Gesicht zur Wand in eine Reihe aufgestellt und haben uns gezwungen, den Kopf und die Hände gegen die Wand und die Beine gespreizt zu halten und haben uns stundenlang mit Schlägen und Beleidigungen überhäuft.

Sie versuchten, uns Weh zu tun, ohne Spuren zu hinterlassen, wenn auch mancher schon gezeichnet war: es gab den einen oder anderen mit vernähten Wunden, zerschlagenen Zähnen, Blutergüssen. Sie haben uns geohrfeigt, getreten, es gab welche, die weinten und zusammenbrachen, währenddessen amüsierten sich die Polizisten, ich sage es in aller Deutlichkeit gerade weil sie unter sich dem duce ( Benito Mussolini, Führer, A.d. Ü.) huldigten und faschistische Parolen wechselten. Ich habe Polizisten das Foto von Fausto Bertinotti (italienischer, "roter", Politiker A.d.Ü. ) bespucken gesehen: ich habe auch persönlich die gegen einen französichen Fotografen mit brennenden Zigaretten ausgeübten Misshandlungen zu Gesicht bekommen, von denen in etlichen Zeitungen die Rede war. Einen einzigen Carabinere gab es dort, der die jungen Leute zur Toilette oder zum Trinken begleitete und nicht zuließ, dass die Jungs auf dem Weg Opfer der Übergriffe anderer Polizisten wurden. Wahrscheinlich versuchte er auf seine Weise, die Gewalttätigkeiten abzuwehren.

Um die Toilette zu erreichen musste man durch einen Gang an anderen Zellen vorbei, die sich wegen der Säuberungsaktionen der Nacht aufgefüllt hatten.

Ich habe mein Leben zunichte werden, die Sicherheiten, die mein Dasein begründeten, zusammenbrechen gesehen. Es bedeutet, dass sie sich deines Lebens ermächtigen können, und damit tun, was sie wollen. Ich habe mich besiegt gefühlt. Am Sonntag bin ich in das Gefgängnis von Alessandria verbracht worden, wo ich bis Dienstag Nachmittag geblieben bin. Während der Verbringung mussten die Gefangenen jeweils zu Zweit mit Handschellen aneinandergekettet auf die LKws der Gefängnispolizei steigen. Niemand wusste wohin man uns brachte, wer es versuchte, den Mund aufzumachen, erhielt Drohungen. Ich wähle, anonym zu bleiben, weil ich, angesichts der von den Sicherheitskräften eingesetzten Methoden, um meine Unversehrtheit fürchte"