2001-08-20
Ein Monat nach der Tötung von Carlo Giuliani, vier Wochen nach dem Protest von 300 000 Demonstrantinnen und Demonstranten gegen den G8- Gipfel in Genua sitzen noch immer 17 Personen in Haft - die meisten davon Deutsche. Zwei Monate nach den Protesten von über 30 000 Personen in Göteborg gegen den EU-Gipfel wurden bereits über 19 Personen zu Haftstrafen zwischen 6 Monaten und vier Jahren verurteilt, über 45 Personen warten noch auf ihren Prozess. Allen gemeinsam ist, dass sie aufgrund fadenscheiniger und konstruierter Vorwürfe verhaftet oder verurteilt wurden. Die schwedische Justiz hat sogar zugegeben, dass an den Verurteilten von Göteborg ein Exempel statuiert werden sollte. Und was macht Bundesinnenminister Otto Schily? Über die Polizeibrutalität in Genua meinte er: "Ob die Polizei Fehler gemacht hat, untersucht die italienische Justiz. Ich habe volles Vertrauen, dass sie das rechtsstaatlich und angemessen überprüft." Nur Altersamnesie Schilys, wie Cohn- Bendit von den Grünen meint? Nein, Schily und die europäischen Regierungen verfolgen das Ziel, die gegen ihre neoliberale Politik gerichtete Bewegung zu kriminalisieren. Nichts anderem dient die Konstruktion von sogenannten "Krawalltouristen" und "Polithooligans". Die Gewalttäterdatei hat keine rechtsstaatliche Grundlage und öffnet jeglicher Willkür Tür und Tor. Schilys aktuellstes Projekt ist der Aufbau einer europäischen "Anti-Krawall-Polizei". Dabei arbeitet er sogar mit seinem neuen Freund - dem Verantwortlichen für die "chilenische Nacht" - dem italienische Innenminister Scajola eng zusammen. Der Berliner Innensenator Körting, meint es mindestens genauso ernst, wenn er sagt: "Es gibt kein Grundrecht auf Ausreise in Deutschland".
In Italien mussten einige Verantwortliche der Polizeibrutalität ihren Hut nehmen, doch noch immer hält die reaktionäre italienische Regierung das Lügengebäude aufrecht, es handele sich im Grunde um Einzeltäter innerhalb der Polizei und der Carabinieri. Wie Schily behauptet sie, dass die G8-Gegner in Genua die Polizeibrutalität provoziert hätten! Wir dagegen meinen: Die Legitimationskrise und die Arroganz der G8- Regierungen wurde durch den Protest Hunderttausender in Genua sichtbar gemacht. Die weltweite Bewegung drückt die Unzufriedenheit und auch den Protest aus, den es in großen Teilen der Weltbevölkerung mit der dominierenden neoliberalen Politik gibt. Der ungehemmten Profitgier der Großkonzerne werden Arbeitsplätze, Gesundheit, Umwelt und demokratische Rechte geopfert. Die Regierungen behaupten, zu einer Politik der uneingeschränkten Privatisierung, Herabsetzung von Sozialstandards, Zerschlagung von gewerkschaftlichen Errungenschaften gäbe es keine Alternative. Dies sind dieselben Regierungen, die auf dem G8-Gipfel vereinbart haben, die neoliberale Globalisierung fortzusetzen, eine neue WTO- Liberalisierungsrunde in Katar durchzusetzen, die Reformen der internationalen Finanzmärkte ad acta zu legen, den Schuldenberg der sogenannten "Dritten Welt" weiter anwachsen zu lassen. Kurzum: Den Menschen dieser Welt wird nichts geboten außer ein kräftiges weiter so.
Nach Genua geht unser Widerstand weiter. Die Chancen für ein breites gesellschaftliches Bündnis sind größer geworden. Aber auch vor Ort, im Stadtteil, am Arbeitsplatz oder in den Gewerkschaften wollen wir zur stärkeren lokalen und internationalen Vernetzung der Proteste beitragen und somit der Hoffnung auf eine gerechtere, bessere Gesellschaft Auftrieb geben - wir lassen uns nicht spalten.
Wir fordern:
- Einstellung aller Verfahren gegen die Teilnehmer der Demonstrationen von Göteborg u. Genua!
- die sofortige und bedingungslose Freilassung aller weiterhin in Haft Sitzenden
- die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission
- die Bestrafung aller Beamten der Carabinieri und der Polizei, die sich Übergriffe zuschulden kommen ließen
- den Rücktritt der politisch Verantwortlichen
- die uneingeschränkte Reisefreiheit und das vollständige Demonstrationsrecht in ganz Europa
- die sofortige Auflösung der sogenannten "Gewalttäterdateien", keine "Anti-Krawall- Polizei" [...]
Erstunterzeichner/innen des Aufrufs:
Attac; JungsozialistInnen in der SPD (Jusos), Bundesverband; Jusos Berlin; Anja Spiegel, Jusos Landesvorsitzende Brandenburg (BB); Kerstin Buchholz, stv. LV BB; Marcel Elverich, stv. LV Jusos BB; Marc Sittig, Vorsitzender der Juso-AG Grünstadt-Land; Jugendabteilung im Fachbereich Medien in ver.di Berlin-Brandenburg; Constanze Lindemann (Vors. FB 08 ver.di Berlin); Euromarsch; AK Internationalismus der IG Metall Berlin; Heidi Lippmann (MdB PDS); Susanne Gannott, Schauspielerin ("Lindenstrasse"), Köln; www.AntifaschistInnen.de; Andreas Köhn, ver.di Berlin -Brandenburg; Peter Schrott, stv. Vorsitzender ver.di Berlin-Brandenburg; Berliner Bündnis gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Genua; Bärbel Beuermann (Parteiratssprecherin der PDS NRW); Jochen Dürr, Landessprecher der AG Betrieb & Gewerkschaft in der PDS Ba. - Wü.; Informationsstelle Lateinamerika (ila),Bonn; ASW - Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt. e.V.; Demokratische Linke Berlin (DL); Volker Ratzmann, Rechtsanwalt Berlin; Lothar Nätebusch, Vorsitzender IG BAU Bezirksverband Berlin; internationale sozialistische linke (isl); Redaktion Sozialistische Zeitung (Soz); Dirk Linder, IG Metall Berlin, Betriebsrat Osram; Sozialistische Alternative - Voran (SAV); EU for the People; Ulla Lötzer (MdB, PDS); Carsten Hübner (MdB, PDS); Winfried Wolf (MdB, PDS); Sabine Jünger (MdB, PDS); Prof. Dr. Bodo Zeuner; Grüne Jugend Berlin; Blue 21; Bundesarbeitsgemeinschaft Internationalismus (BAGI) der PDS; Michael Prütz, PDS Kreuzberg; 3. Abteilung der SPD Friedrichshain-Kreuzberg; Göteborg Solikomitee Berlin; UnterstützerInnengruppe für die Inhaftierten in Genua (Oberhausen); Linksruck; AK Kraak (Videomagazin); Ulla Jelpke (MdB PDS); DKP Friedrichshain-Kreuzberg; gruppe mücadele; Partisan.net; Gruppe Arbeitermacht (GAM); Right Now e.V.; Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO); "WAS TUN" Sozialistische Initiative/ Sozialistische Liga; www.linkeseite.de, CONTRASTE - Monatszeitung für Selbstorganisation; Halina Bendkowski; Benjamin Gartzke (Mitglied der deutschen und der europäischen Jugendkonferenz und Schülersprecher des Max-Planck-Gymnasiums Berlin-Mitte); Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. (FDCL); urgewald; PDS/Linke Liste Oberhausen; Hans-Peter Richter (Deutscher Friedensrat e.V.); Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Berlin; Volksinitiative zur Stärkung der Grund- u. Bürgerrechte gegenüber der Polizei; Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär Potsdam; Madia-Arbeitskreis 2/3-Welt e.V.; Herbert Fürmann; stellv. Vorsitzender der kommunalen Wählergemeinschaft "DuisBürgerBündnis" (DUBB); www.hackatack.de (IT- Firma); www.kritischen-theoretiker.de; Barbara Kleine, Netzwerk gegen Konzernherrschaft und neoliberale Politik; Walther Schütz (Bündnis für Eine Welt/ÖIE und ATTAC-Kärnten); Britta Bohlinger; Harald Hahn, Diplommedienp ädagoge, Kabarettist; Wolfgang Baro; Stefan Fritzsche; Günter Melle, freier Journalist (Offenburg;) Patric Graf von Einsiedel; Rafael Sánchez (Berlin); Daniel Schmidt (Oldenburg); Gregor Tholl, freie Journalist (Frankfurt); carsten keller, Sozialwissenschaftler (Berlin); Bodo Schulz (wuppertal); Jochen Klass (Hanau); Maico Riegelmann, Journalistin; Thomas Geyer, Diplom-Sozialarbeiter (fh) (Konstanz); Kristina Spaar; Heidi Hornickel (Berlin); Eberhard Bauer (Berlin); Stan Cutzach; Angelica Williams; birgitta wehner (Berlin); Wolfgang Bertling (Köln); Malah Helman (Berlin); Gregor Kaiser (Bonn); Nadja Hujer (K öln); Sandra Zimmermann (Lüneburg); Maja Binder, Sozialwissenschaftlerin; Norbert Esser (Wiesbaden); Russ Talberg; Jan Flach; Maria Schlaefer; Sonja Mittag
[...]
V.i.S.d.P.: Michael Prütz, Dieffenbachstr.33, 10967 Berlin