2002-08-24
Ahmed, Aktivist des Mouvement Spontané (entstanden in Paris nach dem ersten Durchgang der französischen Präsidentschaftswahl) und Teilnehmer des Grenzcamps Ende Juli in Straßburg, wurde am 24. Juli gezielt aus einer Demonstration für Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit und für die Schließung aler Abschiebegefängnisse heraus verhaftet. Nachdem Justiz und Polizei gemeinsam ihre Entschlossenheit gezeigt haben, ihn in Haft zu halten und eine ordentliche Vorbereitung seiner Verteidigung zu behindern (Schnellverfahren, Untersuchungshaft, Isolation, Besuchsverbot, Haftprüfungstermin ohne Anwalt...), fand heute in Straßburg sein Prozeß statt.
Das Grenzcamp führte mehr als 2000 Menschen aus der ganzen Welt in Straßburg zusammen, dem Sitz des Schengen-Informations-Systems (SIS), um sich gegen alle Formen gesellschaftlicher Überwachung, für Bewegungsfreiheit und für die Abschaffung der Grenzen einzusetzen. Der Demonstration vom 24. Juli begegnete die Polizei mit massiver Gewalt (Gas- und Knüppeleinsatz). Dabei schoß sie sogar aus weniger als vier Metern Entfernung mit Gummigeschossen (zwei Schwerverletzte). Das ganze Grenzcamp wurde von der Polizei heftig behindert (Der Präfekt erließ ein Demonstrationsverbot für vier Tage, es gab wiederholte Verhaftungen, Fahrzeugdurchsuchungen und sieben Anklagen...).
Allgemein sind diejenigen, die sich gegen die gesellschaftliche Überwachung und ihre Instrumente organisieren, Objekt besonderer polizeilicher Aufmerksamkeit.
Da die Aktionen und Demos trotzdem nicht verhindert werden konnten, stellt die Kriminalisierung von Ahmed jetzt eine verspätete Rache dar, um zu zeigen, daß der Staat trotz allem diese "Chaoten" unter Kontrolle hat, die die etablierte Ordnung herausfordern...
Verschiedene Aktionen und Demonstrationen fanden heute statt im Rahmen der allgemeinen Mobilisierung gegen die gesellschaftliche Überwachung, für die Bewegungsfreiheit und um das Ende dieser verbissenen Repression gegen die Mitglieder des No-Border-Netzwerks zu fordern:
- Straßburg: nachdem gestern schon Transpis mit Ballons über die Mauern des Knasts geschickt wurden, fand direkt vor dem Prozeß eine Pressekonferenz auf dem Uferweg direkt vor dem Gerichtsgebäude statt. Die Personen waren mit schönen geblümten und bunten Masken verkleidet und hatten Pappwaffen dabei. Eine eher ruhige Versammlung, untermalt mit Akkordeon und Jonglage, fand vor einem Gericht statt, das sich im Belagerungszustand befand, wo nur sechs Personen (außer den JournalistInnen) der Anhörung beiwohnen konnten (ein mageres Alibi für die ziemlich theoretische "Öffentlichkeit der Verhandlung"). Die DemonstrantInnen haben anschließend an einer Demo gegen einen Castor-Transport teilgenommen.
- Dijon: Um 12 Uhr wurde eine "theatralische" Versammlung vor dem Dijoner Stadtgericht abgehalten, das das Obergericht beherbergt. Die Demo war die Antwort auf den Aufruf des No-Border-Netzwerks zum internationalen Tag der Solidarität mit Ahmed, einem Aktivisten aus Paris, der im Verlauf der Demonstrationen in Straßburg verhaftet wurde (vom 19.-29. Juli hatten sich dort 2000 Personen versammelt, um das "No Border No Nation"-Camp durchzuführen, das Schauplatz von zahlreichen Aktionen und Demonstrationen auf der Straße war, aber auch von Debatten, Filmvorführungen, Ausstellungen, Ateliers, Wissensaustausch, Theateraktionen, freiem Internetzugang und selbstverwalteter Organisation des gemeinsamen Lebens). Ungefähr zwanzig Personen brachten vor dem Gericht mehrere Spruchbänder ("Bewegungsfreiheit", "Keine Grenzen, keine Nationen, keine gesellschaftliche Überwachung", "Solidarität mit den politischen Gefangenen, Kampf der Isolation", "Selbstverwaltung gegen den Sicherheitsstaat")! und einen vergitterten Käfig an. Darin eine Person, die von einem eifrigen Wächter gequält wurde - um die Gefangenschaft, die Isolation und die verbissene Repression darzustellen, deren Opfer Ahmed seit seiner Verhaftung ist. Ein Teil der Straße wurde kurzfristig besetzt, um den Verkehr zu verlangsamen und ein Flugi zu verteilen, das auch an die Leute weitergegeben wurde, die ins Gerichtsgebäude gingen und herauskamen.
- Grenoble: von 11 bis 13 Uhr versammelten sich ungefähr 15 Personen auf dem Platz des Gerichts von Grenoble, um ihre Unterstützung für Ahmed und die Beschuldigten des No-Border-Camps in Straßburg auszudrücken. Auf einem großen Transpi an der Fassade des Gerichts konnte man lesen: "Stoppt alle Repressionen"; ein Pressetisch bot verschiedene Lektüre gegen Repression an, für die Abschaffung der Gefängnisse, zur Unterstützung der Gefangenen etc.; ungefähr zehn Leute, verkleidet als Magistrat und Polizei, verteilten zwei Flugis und diskutierten mit den PassantInnen, TouristInnen und denen, die ins Gericht gingen bzw. herauskamen. Die Versammelten, TeilnehmerInnen und SympathisantInnen des No-Border-Netzwerks, erklärten mit Enthusiasmus, daß sie, als reuige Magistrate, AnwältInnen und andere FunktionärInnen der Sicherheitsordnung, einen unbefristeten, fröhlichen Streik begonnen hätten, um ihren endgültigen Bruch mit einer ungerechten und gräßlichen Justiz und allen anderen Instit! utionen der alltäglichen Unterdrückung zu feiern. Sie erinnerten auch daran, daß Ahmed an diesem Nachmittag vor Gericht kommt und daß andere Beschuldigte im Rahmen des No-Border-Treffens in einigen Monaten den gleichen Weg gehen werden. Sie erwähnten schließlich auch den Kontext der internationalen Mobilisierung für dieses Ereignis und erklärten, was "No Border" ist.
- Paris: Versammlung vor dem Justizpalast. Die Sans-Papiers, die die Kathedrale von Saint-Denis besetzen, haben ihre Unterstützung für Ahmed und alle Beschuldigten von No Border erklärt.
- Rennes: Auf dem Markt wurde ein Flugblatt mit dem Titel "Einsperren, um besser zu beherrschen" verteilt.
- London: Vor dem Institut Français (eine Einrichtung, die von Air France und Eurostar gesponsert wird...) wurde ein französisch-englisches Picknick organisiert. Ein Toast wurde ausgebracht auf die Freiheit der Meinungsäußerung in Frankreich, ein anderer zur Unterstützung von Ahmed und den anderen Beschuldigten des Camps.
- Barcelona: Versammlung vor dem französischen Konsulat
- Wien: Unterstützungsdemo für Ahmed vor der französischen Botschaft (schon am 20. August)
In Reims wurde auch eine Soli-Aktion für Ahmed organisiert. In Griechenland ist eine Ankündigung im Umlauf und es wird demnächst eine Soli-Initiative geben. Ergänzt werden müssen noch alle Aktionen, von denen wir noch keine Rückmeldung bekommen haben...
Die TeilnehmerInnen des Grenzcamps und alle, die sich dagegen wehren, daß ihr Leben in "gesicherte" Schengen-Räume oder sonstwo eingesperrt wird, bleiben in Bewegung, um die Freilassung von Ahmed und die Einstellung der Verfahren gegen ihn und alle anderen Beschuldigten vom Grenzcamp zu fordern.
[No-Border im Exodus]