2005-11-28 

Eine Antwort auf das Papier "Unser Nein ist das Ja zum Nichts des Ganzen"

Aufgrund der vielen Verdrehungen in o.g. Papier der Inhalte-AG des G8-Plenums Mannheim-Heidelberg (im folgenden Inhalte-AG), aber auch aufgrund der Verleumdungen, mit denen ein Teil unseres Bündnisses konfrontiert wird, sehen wir uns gezwungen, Stellung zu beziehen.

Kampfinitiative Berlin

1. Zur vermeintlich kapitalismuszentrierten Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen

Eigentlich sollte die Inhalte-AG erkennen können, dass es sich bei den fünf PGA-Hallmarks nicht um eine "kapitalismuszentrierte Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen" handelt. Denn schließlich wird schon in Hallmark 1 nicht nur vom Kapitalismus gesprochen, sondern zumindest auch von einem anderen Herrschaftsverhältnis, nämlich dem Feudalismus.
Außerdem werden in Hallmark 2 genau die Unterdrückungsverhältnisse genannt, die der Kritik der Inhalte-AG zufolge angeblich nicht benannt sind. Mit anderen Worten: Eine "kapitalismuszentrierte Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen" ist nicht vorhanden, im Gegenteil ist diese Kritik auf mehrere Unterdrückungsverhältnisse ausgedehnt. Dies kann erkannt werden, wenn nicht nur der erste Hallmark gelesen wird.

2. Zur Ablehnung der Kritik am Imperialismus

Die Inhalte-AG kritisiert in ihrem Papier die Benennung des Imperialismus als "verkürzte Kapitalismuskritik". Dieser von antideutscher Seite gern benutzte Begriff entbehrt jedoch jeder Grundlage. Außerdem unterstellt die Inhalte-AG "eine monochrome Sichtweise" der Aufteilung "in böse ,weiße' Unterdrücker und gute ,schwarze' Unterdrückte". Aber nicht nur, dass das Fremdwort hier fehl am Platz ist (monochrom = einfarbig): Unabhängig von jeglicher marxistisch-leninistischen Schulung sollte bekannt sein, dass die kapitalistischen Verhältnisse sich weiterentwickelt haben und nicht mehr auf dem Stand sind wie zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Es ist bekannt, dass der Kapitalismus wesentlich zur Schaffung eines deutschen "Nationalstaates" beigetragen hat, ebenso wie die Tatsache, dass das deutsche Kapital sofort nach Schaffung dieses Staates begann, seine gierigen Finger auszustrecken nach Gebieten außerhalb dieses Staates. Zuerst noch in Europa, dann aber auch im Verbund mit den anderen europäischen Mächten zur Unterwerfung und Ausplünderung Afrikas (Berliner Konferenz 1884/85). Diese Phase wird gemeinhin Imperialismus genannt. Dass wir uns nach wie vor in der imperialistischen Phase des Kapitalismus befinden, wird schon allein dadurch deutlich, dass täglich um die 35 000 Menschen verhungern, und zwar in den Gebieten, die zuvor europäische Kolonien waren, also in Afrika, Teilen Asiens und in Mittel- und Südamerika. Dieses Verhältnis zu kritisieren hat weder etwas damit zu tun, die Welt bichrom (zweifarbig) zu betrachten, noch ist dies eine "rein antiimperialistische Kritik", da es sich analog zu Punkt 1 nach wie vor schlicht um eine Aufzählung verschiedener Unterdrückungsverhältnisse handelt. Und da gehört der Imperialismus eben dazu.
Die Inhalte-AG unterstellt darüber hinaus, dass "die USA als einziges Synonym für die Unterdrückungsmechanismen gesehen werden". Es ist ja bekannt, dass Antideutsche sich zu Verteidigern der USA erkoren sehen. Da aber die USA gar nicht in den Hallmarks auftauchen, ist diese Kritik schlichtweg absurd und kann allenfalls unter der Kategorie "Der Wunsch war Vater des Gedankens" einsortiert werden. Wie wenig lesefest die Inhalte-AG zudem ist, zeigt sich hierbei besonders deutlich, denn in unserem Diskussionspapier "Imperialismus pur" benennen wir zwar die USA, allerdings in einer Aufzählung der Gründungsmitglieder der heutigen G8. Ansonsten schreiben wir von "Weltmachtambitionen des deutschen Imperialismus", was sicher nicht dazu führen kann, dass "die Unterdrückungsmechanismen in den eigenen Verhältnissen verschleiert und nach außen projiziert werden".

3. Zu unserer Solidarität mit der palästinensischen Befreiungsbewegung

Wer das Papier der Inhalte-AG liest, wird denken, dass wir "Solidarität mit den bekannten palästinensischen ,Befreiungsbewegungen' üben. Dieser Plural suggeriert eine Unterstützung nicht nur der palästinensischen Linken und des Kampfes gegen Vertreibung und Besatzung, sondern auch eine Solidarität mit den politischen Zielen von bürgerlichen und/oder reaktionären palästinensichen Kräften. Wer jedoch unsere Praxis kennt, wird wissen, dass wir bisher nicht nur mit der palästinensischen Linken zusammengearbeitet haben, sondern auch mit allen emanzipatorischen israelischen Kräften, die sich sowohl für eine gerechte Nahost-Regelung, als auch für Frieden und Internationalismus einsetzen.

4. Zur sog. "Unterstützung der 10-Euro-Kampagne"

Die Inhalte-AG Mannheim-Heidelberg behauptet, dass wir den bewaffneten irakischen Widerstand gegen die Besatzungsmächte in Form der 10 € Kampagne unterstützen würden und lehnt sich damit an eine antideutsche Kampagne a la Bahamas an, die darauf lauert mit denunziatorischen Methoden Personen aus der linken Szene und Antikriegsbewegung bei der Staatsgewalt anzuschwärzen. Davon abgesehen operiert hier die Inhalte-AG aus Mannheim-Heidelberg mit bewußt falschen Behauptungen.
Grundsätzlich halten wir fest, daß der Widerstand gegen imperialistische Kriege und Besatzung, wie auch im Irak, legitim und notwendig ist.

5. Zur Ablehnung des Internationalismus

An diesem Punkt lehnt sich die Inhalte-AG linguistisch besonders weit aus dem Fenster. Denn nicht nur bezieht sich Internationalismus nicht "positiv auf die Idee Nation". Im Gegenteil ist die Idee von Internationalismus die Absage an den Nationalstaat, eine Solidarität untereinander (inter. . .) und das gemeinsame Eintreten füreinander, z.B. indem wir im imperialistischen Europa nicht einfach nur von den Vorteilen unserer auf weltweite Ausbeutung begründeten Verhältnisse profitieren, sondern versuchen, diese zu bekämpfen, auch im Herzen der Bestie. Der Begriff "Nation" hat im übrigen nur etwas mit "Geburt" zu tun, und solange Menschen geboren werden, sollten sie untereinander solidarisch sein und nicht der eine den anderen ausbeuten. Als Beispiel sei uns hier ein Verweis auf die historische Erfahrung der Linken gestattet: Unabhängig von aller Kritik an der Politik der Komintern ist die Bereitschaft Zehntausender aus allen Ländern der Welt, 1936 die Freiheit der Bevölkerung im spanischen Staat zu verteidigen, die nach wie vor bedeutendste internationalistische Tat, die die Menschheit kennt.

6. Zur Kritik an unserem Festhalten an vertikalen Strukturen

Es ist nun einmal eine Tatsache, dass die Linke nur dann erfolgreich diese Gesellschaft bekämpfen kann, wenn sie fähig ist, jede Form der Repression zu verkraften. Es ist dabei egal, ob die Repression zuschlägt, wenn die Linke noch nicht die Herrschenden vertrieben hat, oder aber die alten Herrschenden sich nach der Revolution neu sammeln und von außen die Revolution angreifen. Repression ist beides - und für beides gibt es Beispiele: Die Linke in Deutschland konnte im Nationalsozialismus mit kläglichen Resten nur deshalb überleben, weil eben vertikale Strukturen bestanden, und zwar nicht nur bei der Agitation auf der Straße, sondern selbst in den Konzentrationslagern. Wie stellt ihr euch eigentlich die Selbstbefreiung von Buchenwald vor, mit Hilfe einer VV? Oder aber den Widerstand in Frankreich, Jugoslawien, Griechenland, Albanien und Italien? Wie glaubt ihr, konnte die Rote Armee die faschistische Bestie bis nach Berlin verfolgen? Wir haben schon immer vermutet, dass Antideutsche mit Antifaschismus rein gar nichts zu tun haben, hier zeigt sich eklatant die Distanz zur Geschichte der Linken, die auch unsere ist.
Selbstverständlich ist es notwendig, auch nach der Revolution Strukturen zu haben, die die Verteidigung organisieren. Das zeigt der faschistische Überfall auf die Sowjetunion, dies zeigen aber auch die imperialistischen Angriffe auf Kuba und Nicaragua, oder aber die Militärputsche gegen missliebige Regierungen wie von Mossadegh im Iran oder Lumumba im Kongo. Egal was wir wollen, die Repression zwingt uns dazu, vertikale Strukturen zu unterhalten. Und damit diese nicht wieder in einen Personenkult und zur Internierung und Liquidierung linker Kritik und Opposition führen, ist es notwendig, diese Strukturen genau zu diskutieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Eine Haltung, die dies schlicht leugnet, wird jedoch verdammt sein, die Geschichte zu wiederholen.
Des weiteren ist die Kritik der Inhalte-AG an unserer Position eine einzige Heuchelei. Wer auf der einen Seite gegen vertikale Strukturen wettert, sollte nicht Sachverhalte verdrehen oder mit Unterstellungen arbeiten, denn beides reproduziert vertikale Strukturen.

7. Zur Forderung, uns auszuschließen

Schon das Motto "Search & Destroy", mit dem dieser Abschnitt überschrieben ist, zeigt deutlich, um was es der Inhalte-AG tatsächlich geht. Mit diesem Motto benannte die US-Armee ihre Strategie, um die kommunistische Linke in Vietnam zu liquidieren. Unter diesem Motto wurden Dörfer verbrannt, Hunderttausende mit Agent Orange vergiftet und etwa vier Millionen Vietnamesen umgebracht. Nun fordert die Inhalte-AG mit demselben Motto den Ausschluss linker Gruppen und Strukturen, die z.B. den Befreiungskampf im Trikont nicht ablehnen oder diesen Kampf führen.
Diese Forderung ist aber eine Abkehr von allen bisherigen Gegengipfeln wie bspw. in Porto Allegre. Außerdem ignoriert diese Forderung das imperialistische Unterdrückungsverhältnis, was aber aufgrund der zuvor benannten Positionen der Inhalte-AG nicht verwunderlich ist. Trotzdem bleibt es eine Tatsache, dass Menschen sich wehren, wenn sie angegriffen werden. Und wenn dies durch ein imperialistisches Verhältnis geschieht, kann dieser Widerstand auch einen nationalen Charakter annehmen. Wichtig muss für uns Linke sein, zu überprüfen, ob dieser Widerstand emanzipatorisch ist. Zwei Beispiele seien hierfür genannt: Wenn in Vietnam nach dem Sieg der vietnamesischen Kommunisten die Alphabetisierung der Kinder nicht nur in Vietnamesisch, sondern in allen dort gesprochenen Muttersprachen erfolgt, dann ist das ein Schritt hin zu mehr Emanzipation und dies ist zu unterstützen. Wenn in Kuba die revolutionäre Regierung als erste Regierung überhaupt die wenigen hundert Indigenas schützt, die nach fast 500 Jahren kolonialistischer und imperialistischer Unterdrückung überlebt haben, dann ist dies ebenfalls zu unterstützen.
Wir reden nicht einer irgendwie gearteten "nationalen Befreiung" das Wort. Es ist klar, dass es immer nur um emanzipatorische Bewegungen gehen kann, auf die wir uns solidarisch beziehen können und die sich ebenfalls auf uns solidarisch beziehen. Die kommunistische Linke hat dieses Prinzip beherzigt, Ho Chi Minh war Mitbegründer der Kommunistischen Partei Frankreichs. Den Unterschied zu begreifen zwischen dem deutschen Nationalismus einerseits und nationalen Befreiungsbewegungen wie in Amerika andererseits ist sicherlich nicht schwierig. Beides gleichzusetzen dient aber nur dazu, weiterhin von den imperialistischen Verhältnissen zu profitieren.

8. Schlussfolgerungen

Wir haben aufgezeigt, dass die Inhalte-AG nicht nur Sachverhalte falsch darstellt, sondern mit Lügen, Verleumdungen und Unterstellungen arbeitet. Aufgrund unseres internationalistischen und historischen Bewusstseins wissen wir, was es bedeutet, mit solchen Mitteln zu arbeiten. Es geht einzig darum, die Linke zu zerstören und die herrschenden Verhältnisse zu zementieren. Als Beispiele seien hier die Machenschaften des US-amerikanischen FBI erwähnt, das mit gefälschten Telefonmitschnitten versuchte, selbst die Privatsphäre von Martin Luther King zu zerstören. Gleiches geschah auch bei den Black Panther, indem mit gefälschten Dokumenten "bewiesen" werden sollte, dass die eine Strömungen die andere verrät. Die verschiedenen Strömungen wurden aufeinandergehetzt, mit dem Ergebnis, dass es die Black Panther nicht mehr gibt. Wer unter dem Motto "Search & Destroy" fälscht und lügt, hat zur Linken keinen Bezug außer den Hass auf sie.
Zum Wohle eines solidarischen Miteinanders sollte sich die Inhalte-AG überlegen, ob sie mit ihren Fälschungen und Lügen in den Geruch o.g. FBI-Methoden geraten will, oder wie es in der Linken eigentlich üblich sein sollte, sich erst einmal auf eine inhaltliche Debatte einlässt. Dies hat den Vorteil, zum einen andere Standpunkte erst einmal kennenzulernen, zum anderen aber vielleicht auch einen gemeinsamen Nenner zu finden. Eine Distanzierung der Inhalte-AG von ihren Methoden können wir mindestens erwarten. Wir fordern, dass dieser Punkt auf dem nächsten Treffen als erstes behandelt wird.