2002-02-20
München war nicht nur ein gravierender Einschnitt in das Versammlungsrecht, massenhaft wurde nach Einschätzung einiger AnwältInnen gegen geltendes Recht durch die Polizei verstoßen.
Zur Vorbereitung eventueller Klagen findet am Mittwoch, 20.02.2002 um 18.00 Uhr eine Rechtsberatung der Roten Hilfe im Infoladen München, Breisacherstr. 12, U/S-Ostbahnhof zusammen mit einigen AnwältInnen statt.
Folgende Punkte wurden von den AnwältInnen als rechtlich Problemzonen identifiziert und sollten gerichtlich geprüft werden. Die Betroffenen werden gebeten am o.g. Termin teilzunehmen.
Haftdauer
Die Haftdauer betrug regelmäßig mehr als 12 Stunden. In der Regel gilt aber bei einer Ingewahrsamnahme (überwiegender Teil der ca. 850 Betroffenen befand sich in Polizeigewahrsam), eine Vorführung vor dem Haftrichter zum frühestmöglichen Zeitpunkt und nur spätestens bis 0.00 Uhr des auf die Ingewahrsamnahme folgenden Tages. Einige hatten Haftzeiten die sogar noch über der Maximalregelung lagen. Bei allen Inhaftierungen über 12 Stunden ist ein Wiederspruch gegen die Maßnahme laut den Anwälte sinnvoll. Nach diesem Verfahren kann erwägt werden Anzeigen wegen "Freiheitsberaubung" gegen die Polizisten zu stellen.
Rechte von Gefangenen
Die Rechte der Gefangenen wurden in München ebenfalls mit Füßen getreten. Das rechtlich zugesicherte Telefonat mit einer Person des Vertrauens wurde in über 90% aller Fälle verweigert. Unverschämterweise wurde in den Rechtshilfebescheiden fast aller Betroffenen angekreuzt das ein Telefonat geführt wurde oder vom Betroffenen "freiwillig" nicht in Anspruch genommen wurde.
Einkesselung
Insbesondere der "Schillerstrassen"-Kessel ist rechtlich ebenso fragwürdig und sollte einer juristischen Prüfung unterzogen werden, zumal der Kessel eine unerträgliche Fortsetzung in einer "Freiluftzelle" im Polizeipräsidium fand. Der Kessel am Rotkreutzplatz ist ebenfalls juristisch gesehen problematisch, nicht zuletzt weil einerseits die Aufforderung zum Verlassen der Versammlung fehlte, bzw. auch Leute am Verlassen der Versammlung mit der Einkesselung gehindert wurden.
Datensammlung der Polizei / Videos / ED Behandlungen
Die Daten sollen laut Polizeiangaben bis zu 5 Jahre gespeichert bleiben. Nicht geklärt ist, inwiefern eine Aufnahme in die sogenannte "LIMO" Kartei ("Links motivierte Straftäter") vorgenommen wird. Die "Zugangsvoraussetzungen" bei dieser Kartei sind bereits erfüllt, sobald ein polizeilicher Anfangsverdacht bestand (d.h. juristisch eigentlich erst mal nix, es reicht also ein Polizist dachte...). Gegen die Datenerhebung sollte ebenfalls vorgegangen werden.
Zurückweisungen auf der Anreise:
Die Abweisung der anreisenden Menschen, die u.a. Angaben zu der (legalen) Veranstaltung im DGB Haus zu wollen, erfolgte ebenfalls ohne rechtliche Grundlage, leider auch oft ohne eine konkrete Maßnahme (außer der mündlichen Drohung der Polizei).
Körperverletzungen, Misshandlungen und andere Fälle
In Einzelfällen wurde die "Verhältnismäßigkeit der Mittel" nicht gewahrt, Körperverletzungen begangen oder andere Rechte mißachtet. Hier müssen sich die Anwälte die Einzelfälle ansehen und dann im Detail mit den Betroffenen besprechen ob eine Klage sinnvoll ist.
Die Versammlungsverbote
Gegen die Verbote wird bereits auf dem ordentlichen Verfahrensweg geklagt. Das Bündnis kündigte an die Beschwerde bis zum Bundesverfassungsgericht zu tragen, da es sich hierbei um eine der gravierendsten Einschränkungen des Versammlungsrechts der letzten Jahre handle.
[Von: Rote Hilfe e.V. - OG München, 18.02.2002, eMail: muenchen@rote-hilfe.de]