2007-07-12
Pressemitteilung der Roten Hilfe Rostock
11. Juli 2007
Deutliche Richterkritik am Polizeieinsatz während der internationalen Großdemonstration anlässlich des G8-gipfel in Rostock am 2.6
Heute morgen fand vor dem Amtsgericht Rostock der Prozess gegen den sich seit dem 2.Juni in Haft befindlichen G8 Gegner Lütfü Y. statt. Ihm wurde vorgeworfen das er sich gegen die brutalen Angriffe der Polizei auf die internationale Großdemonstration am 2.Juni in Rostock zur Wehr gesetzt hatte.
Haftbefehl für G8 Gegner aufgehoben, Strafmaß im unteren Bereich:
Der Prozess der etwas 3 1/2 Stunden dauerte endete mit einer Haftstrafe von 8 Monaten die jedoch zur Bewährung ausgesetzt wurde. Während der Verhandlung sparte Amtsrichter Horstmann nicht an Kritik an dem Polizeieinsatz während der internationalen Großdemonstration am 2.6.
„Die Polizei ist auf einen bis dahin völlig friedlichen Teil - den internationalen Block der Anti G8 Demonstration in Rostock losgestürmt und hat dabei mit einem massiven Knüppeleinsatz wahllos auf Demonstranten eingeschlagen und mehrere von ihnen verletzt. Einen Angriff auf Polizisten hat es in dieser Situation dabei nicht gegeben. Die gab es erst in späterer Folge des Polizeieinsatzes.“
Deutliche Worte der Kritik am Polizeieinsatz also von Amtsrichter Horstmann am Polizeieinsatz anläßlich des Prozesses gegen den in den Niederlanden lebenden G8 Gegners Lütfü Y. - den die Polizei seit dem 2.Juni in der JVA Waldeck festhielt. Dem in den Niederlanden anerkannten Asylbewerber Lütfü Y. wurde ein besonders schwerer Landfriedensbruch zur Last gelegt. Im Laufe der heutigen Verhandlung wurde immer deutlicher, daß der Angeklagte in einer Situation psychischer Anspannung handelte, als Freunde von ihm aufgrund des Polizeiangriffs verletzt wurden und er sich durch die „martialisch ausgerüstete Polizei“(so der Richter) an Szenen in seiner türkischen Heimat erinnert fühlte, da dort „in einem Polizeistaat die Polizei anders handeln darf und anders handelt als in der Bundesrepublik“ (so der Richter) und in der der Angeklagte als politischer Häftling gefoltert wurde. Durch diese Erinnerung sei es in einer spontanen Reaktion zu einem Steinwurf in Richtung Polizei gekommen. Das Strafmaß für diesen Wurf wurde daher und auch aufgrund der unübersichtlichen Situation mit 8 Monaten auf Bewährung ganz am unteren Ende der Strafbarkeit angesiedelt.
Anlaß zu seiner scharfen Kritik am Polizeieinsatz war das Polizeivideo, auf dem deutlich zu sehen war wie eine Polizeieinheit aus Bayern ohne Vorwarnung auf bis dahin friedliche Demonstranten einknüppelte und als sie sich wieder zurückzog, 2 Personen auf dem Boden lagen. Richter Horstmann mochte den Polizisten lediglich zugute halten, daß sie vor diesem Demonstrationsblock Angst hatten, da ihnen von der Einsatzleitung offensichtlich falsche Informationen gegeben wurde. Der Richter fand es aufgrund des starken Angstgegfühls nachvollziehbar, daß die Polizisten schon bei waagerecht gehaltenen Fahnenstangen der Demonstranten einen Angriff vermuten und danach losprügeln. Selbst die Staatsanwältin Siek als Vetreterin der Anklage forderte aufgrund der vorgespielten Videos eine Strafzumessung im unteren Bereich. Auch sie titulierte den Polizeieinsatz als "Angriff auf eine bis dahin friedliche Menschenmenge, die zwar Fahnentangen mit sich führten, diese aber erkennbar zu friedlichen Zwecken nutzen wollte." Auf einen Zuruf aus dem Publikum hin, äußerte sie, daß die Staatsanwaltschaft auch gegen von der Polizei begangene Staftaten ermittelt.
So bedauerlich das Urteil gegen den Angeklagten auch ist, der in dem durch nichts zu rechtfertigenden 5 Wochen U-Haft schon genug Leid erdulden mußte und der darüberhinaus bei der Verhaftung mißhandelt wurde, so bleibt positiv festzustellen, daß der Haftbefehl mit diesem Urteil aufgehoben wurde und der Genosse den Gerichtssaal als freier Mann verlassen konnte. Absoluter Höhepunkt der Verhandlung war als Staatsanwältin Siek zum Schluss nochmal für alle zusammenfasste:
(O-Ton): "Ich nehme an das sie gegen den Kapitalismus insbesondere die G8-Staaten protestieren wollten die dieses System ja maßgeblich aufrechterhalten.." - worauf der Angeklagte sowie die Mehrzahl der in dem Gerichtssaal Anwesendenden zustimmend nickten.
Die Rote Hilfe Rostock stellt nach diesem Prozess fest, daß das Lügenhaus der Kavala, die Polizei hätte sich am 2.6. deeskalierend verhalten, mehr und mehr einstürzt. Es kommen im Gegenteil immer mehr Straftaten von einzelnen PolizistInnen ans Licht und auch ein Konzept der Polizei, welches darauf setzte, mit falsch informierten Einsatzzügen die Gewaltspirale anzuheizen. Die Rote Hilfe Rostock fordert, daß auch der letzte noch in Waldeck einsitzende U-Häftling unverzüglich freigelassen wird. Die Rote Hilfe geht davon aus das hunderte von AktivistInnen in den nächsten Monaten mit Anklagen bzw. Strafbefehlen rechnen müssen. Daher rufen wir dazu auf die von staatlicher Repression Betroffenen nicht allein zu lassen.
Rote Hilfe e.V. OG-Rostock, 11.7.2007
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