2007-07-04 

Barrikaden gegen den G8 in Deutschland - Ein Mitglied des WSM berichtet aus der ersten Reihe und aus den Zellen

19.Juni 2007

Ein Mitglied des [anarchistischen irischen] Workers´ Solidarity Movement reiste letzte Woche zu den Protesten gegen die G8 in Heiligendamm, BRD. Er berichtet über die Aktionen, die dort gemacht wurde und dann über seine Festnahme und die schlechte Behandlung, die er erlebte.

Der Aufbau - 2.Juni 2007

Wir fuhren mit einem der 30 Busse, die von Hamburg aus nach Rostock fuhren. Als wir ankamen war die Stadt mit Leuten überflutet, und auch mit einer gewltigen Menge Polizei. Wir kamen am Startpunkt des Demozuges an, in dem der anarchistische Block laufen sollte, der zweite Demozug bestand eher aus NGOs und politischen Parteien. Nach ungefähr einer Stunde langweiliger Reden und dem monotonen Schwermut von David Rovics startete die Demo -- in der hinteren Mitte hatte sich ein ziemlich beeindruckender schwarzer Block gebildet, bestehend aus AntiFas, anarchistischen Gruppen und na klar, den Leuten aus der autonomen Bewegung. Es ist es wert in Erinnerung zu rufen, dass die schwarz gekleideten DemonstrantInnen politisch ein weitaus eklektischerer, zusammengewürfelter Haufen sind.

Als die Demo ihren Weg durch die elegante Innenstadt von Rostock machte, schien der Black Block, den Klängen des AntiFa Sound-Systems folgend, erheblich anzuschwellen. Meine Schätzung wären, aber ich muss raten, mindestens 6000-7000 Leute. Nach einer Stunde laufen und rufen drangen Neuigkeiten durch, dass die andere Demo (die wir am Hafen treffen sollten) von der Polizei mit Pfeffer Spray, Tränengas und natürlich dem stets nützlichen Knüppel angegriffen worden war. Schwaden von Tränengas konnten von fern gesehen werden, und es kam Unruhe in die Demo als es so aussah, als würde die Polizei uns stoppen und davon abhalten, den Hafen und die anderen DemonstrantInnen zu erreichen. Es gingen Rufe durch den schwarzen Block, die Reihen zu schließen, da es schien, dass wir uns unseren Weg zu den anderen würden durchkämpfen müssen. Wir waren etwas ängstlich, da sich die Situation dem Eindruck nach schnell verschlechterte, wurden aber gestärkt durch die augenscheinliche Zuversicht und Entschlossenheit, die uns umgab.
Bald ging die Demo jedoch weiter und die Bedrohung schien nachzulassen. Wir kamen zum Hafen, wo die Gerüchte über Polizeigewalt in verletzten DemonstrantInnen ihre Bestätigung fanden. Die Polizei versuchte dann, Leute festzunehmen, die ihr Gesicht verdeckt hatten (dies ist eine Straftat in der BRD) und die Menge verteilte sich etwas in den Seitenstraßen als Leute die Repression der Polizei zurückkämpften. Die Situation eskalierte schnell, als Greiftrupps der Polizei sich mit einiger Kraft gegen die Seiten des schwarzen Blocks wendeten. Wie auch immer, sie stießen auf derart heftigen Widerstand, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Steine, Flaschen und andere Wurfgeschosse bereiteten den Bullen ein feindliches Willkommen, und hielten sie fern als andere DemonstrantInnen in die Sicherheit entkamen. Es schien als sei der Versuch der Polizei, die Demo anzugreifen und hunderte AnarchistInnen und AntiFas festzunehmen fehlgeschlagen, sie bekamen von allen Seiten von wütenden DemonstrantInnen Pfeffer und nach wenigen Minuten mussten sie hastig den Rückzug antreten .
So ging es geraume Zeit weiter in der Gegend um den Hafen und die benachbarten Straßen, was von Bildern und Videos besser beschrieben werden kann [http://www.indymedia.org.uk/en/2007/05/371754.html] Ich möchte jetzt weitergehen zu den Ereignissen der folgenden Tage.

Wir fuhren an diesem zum Camp Rostock zurück (einem der drei wunderbaren G8-Camps) und verdauten die Ereignisse des Tages. 100 Festnahmen, viele Verletzte und 400 Bullen in Behandlung (kein Mitleid an dieser Stelle). Uns war klar geworden, dass die deutsche Polizei gut bewaffnet, gut geschützt, gut trainiert und brutal ist, wenn sie das will. Auch hatte es die Tendenz gegeben, die weniger militanten Teile der Demo anzugreifen, eine Taktik, die an diesem Tag zwei Mal in großem Stil nach hinten losging, und am nächsten Tag in der deutschen Presse ebenfalls. Es war uns jetzt auch klar, dass die an diesem G8 beteiligten militanten Gruppen ihrer staatlich gesponserten Nemesis mehr als gewachsen waren, sollte es die Situation erfordern.

3.-5.Juni

Am Sonntag gingen wir zu einer Demo für die Reform der Landwirtschaft. Wieder gab es eine große Beteiligung, die Polizei tat alles in ihrer Macht stehende, um die DemonstrantInnen aufzuwiegeln. Dieses Muster wiederholte sich am folgenden Tag auf der Demo für die Rechte von MigrantInnen und das Recht auf Bewegungsfreiheit, wo sie die gleichen Taktiken benutzten, aber mit größerer Härte. Nach einem erfolgreichen Marsch zu einem "processing centre" wollten wir als Block zur Innenstadt zurückkehren. Die Polizei hielt die Demo immer wieder an, ließ sie dann weiterlaufen, hielt sie wieder an, und stellte Forderungen bezüglich der Kleidung der DemonstrantInnen. Zuerst sollten keine Kapuzen aufgesetzt werden (obwohl es regnete), dann keine Mützen, dann keine Sonnenbrillen. Ein Demonstrant zog die Konsequenz und zog sich völlig nackt aus, ein Schriftzug auf seinem Rücken verkündete "Ich bin ein wohl erzogener Demonstrant".
Die modebezogeen Forderungen zielten klar darauf ab, den anwesenden großen anarchistischen und schwarzen Block der Erforschung auszusetzen, vielleicht aufgrund der Ereignisse vom Samstag. Sehr wenige gingen auf die abseitigen Forderungen ein, und die Demonstration ging weiter, sie war in 4 Stunden ganze 1.5 km weit gekommen! Die DemonstrantInnen ignorierten die Bemühungen der Polizei, sie zu militantem Widerstand anzutreiben, alle wußten, dass der Mittwoch (der Eröffnungstag des G8) schnell näher rückte und wir unsere Anzahl und Energie besser darauf verwenden würden.
An diesem Abend zogen wir auf das Camp Reddelich um, da es unseren politischen und organisatorischen Methoden eher entsprach. Den Dienstag brachten wir damit zu, von Treffen zu Treffen zu gehen und einen klaren und effektiven Plan für die Blockaden zu entwickeln, die am frühen Mittwoch morgen beginnen sollten. Es wurden Bezugsgruppen gebildet, und wir kamen im "englischsprechenden Block" unter, bestehend aus 60-70 Leuten aus England, Skandinavien, Irland und Deutschland. Nach einem langen, langen Tag endete unser letztes Treffen um 1.30 in der Nacht, und wir warfen uns auf die Matten, einen frühen Start zum blockieren der G8 nur wenige Stunden vor uns.
Gegen 3:30 Uhr hörten wir die Alarmsirene des Camps, jungendlich Stimme riefen, dass die Polizei das Camp angreifen wolle. Die 6000-7000 standen auf und boten ein Bild verrückter Aktivität. Ich traf mich mit anderen am noch immer brennenden Lagerfeuer unseres Barrios und wir tauschten Geschichten aus über ein ähnliches Ereignis in Stirling (2005) wo damals nichts passiert war. Das war auch diesmal so, nur dass die Polizei ihre Posten 500 m vor dem Tor auf der Bundesstraße verstärkte.
Wieder einmal kann man davon für künftige Camps lernen.

Die Blockaden

Um 10 Uhr früh verließen wir, ein verschlafener Haufen, das Camp durch die dahintergelegenen Rapsfelder (die eine wunderbare Deckung abgaben). Wir hatten genug Proviant dabei, um uns 36 Stunden auf der Aktion versorgen zu können. Unser Plan war es, durch die Wälder in die Rote Zone durchzubrechen und auf dem Weg Barrikaden auf so vielen Straßen zu bauen, wie wir nur konnten. Jede Bezugsgruppe bestimmte eineN DeligierteN zum "Delegiertenrat", der an strategischen Punkten unserer Route zusammentreten würde, um die dezentrale demokratische Struktur der Gruppe aufrecht zu erhalten. Nach etwa 2 Stunden Wanderung durch dichten Wald und Rapsfelder erreichten wir unser erstes Straßen-Ziel. Scouts wurden ausgeschickt, um die Straße auszukundschaften und dann dem DeliRat Bericht zu erstatten, die in der Zwischenzeit mit ihren Bezugsgruppen sprachen. Das Signal wurde gegeben und wir rannten auf die Straße, schickten den Verkehr in beide Richtungen weg und bauten in der Mitte zwei beeindruckende Barrikaden aus Baumstämmen, Ästen, toten Bäumen, und anderem Materialien des Waldes. Als wir damit fertig waren verschwanden wir auf der anderen Seite wieder im Wald und machten uns mit Hilfe von Kompass und Karten auf den Weg zu unserem nächsten Ziel.
Dies war die Strategie der Gruppe: Überall entlang einer Straße Barrikaden zu bauen und dann so schnell wie möglich zu verschwinden, um zu vermeiden, dass die Polizei uns von Land aus oder aus der Luft entdeckte (wo unablässig Hubschrauber kreisten). Auf diese Weise arbeiteten wir uns im Verlauf mehrerer Stunden weit in die Rote Zone vor und vermieden es dabei, von der Polizei gefunden zu werden, indem wir natürliche Deckung und eine Reihe gerufener Codes nutzten.

Eine größere Straße wurde mit der Unterstützung des 'Werkzeug Teams' blockiert, die fette Platanen am Wegesrand fällten (offenbar eine Plage, diese Sycamore Bäume, a pest species [hä... Anm.d.Ü.] was die Blockaden noch unpassierbarer machte. Als wir die Straße hinuterliefen, um eine weitere Barrikade zu bauen, kamen 3 BMW Bullenwagen (wie sie die höheren Ränge der Cops fahren) angeheizt, und zu Anfang gerieten die Leute in Panik. Sekunden später jedoch wurden sie beruhigt und wir bauten eine zweite Barrikade, die 3 Autos saßen dazwischen in der Falle. Damit wollten wir sie davon abhalten uns zu folgen, aber wir wußten, dass es mit unserer Unsichtbarkeit damit vorbei war und dass wir von nun an vorsichtiger sein mußten.

Etwa um 4 Uhr nachmittags kamen wir am Rande des Waldes an einer Touristenkarte mit "Sie befinden sich hier" Hinweisen vorbei, die von einem früheren Passanten freundlicherweise um einige Details zu Polizei und G8 erweitert worden war. Wir befanden uns nun bei der Ortschaft Wittingbeck. Für zwei Kilometer würden wir uns nun außerhalb vom Schutz des Wald bewegen. Ein Delitreffen wurde abgehalten mit dem Ergebnis, dass ein Drittel der Gruppe umkehren und der Rest weiter nach Heiligendamm ging. Unsere Begegnung mit den Polizei BMWs lag zu dieser Zeit eineinhalb Stunden zurück, und seither waren uns keine weiteren Widrigkeiten begegnet, was möglicherweise an der komischen und unvorhersehbaren Route lag, die wir gewählt hatten. Weiter ging´s, langsam durchs Dorf, bemüht darum so unverdächtig wie möglich zu wirken. Plötzlich erschien eine Menge Polizeibusse auf einer Durchfahrt zu unserer Rechten. Als sie uns sahen, verzogen sie sich sofort, scheinbar hatten sie Angst. Wir nutzten die Gelegenheit und bauten eine Barrikade aus Betonblöcken, Holzplanken und Backsteinen vor ihnen, so dass sie aus der Durchfahrt nicht mehr rauskamen. Einge waren geflüchtet als sie die Bullenbusse sahen, was unsere Zahl noch mal reduzierte, wir waren jetzt noch etwa 30.
Danach kam "Verstärkung". Aus einer Seitenstrasse erschien eine Gruppe schwarz gekleideter Individuen, bewaffnet mit Eisenstangen und Taschen voller Steine. Unser Bemühen uns unauffällig durch das geschäftige Örtchen zu bewegen war damit gelaufen und Sekunden später kam ein ganzer Zug Bullen um die Ecke, vermutlich gerufen von ihren in die Falle gegangenen KollegInnen, und alles war vorbei. Als die Bullen auf uns zurasten schleuderten unsere schwarz gekleideten GenossInnen Steine und Backsteine und schlugen mit den Eisenstangen auf die Scheiben der vorbeifahrenden Bullenautos ein. Die meisten aus der Gruppe fanden es nun am besten über ein angrenzendes Feld die Flucht zu ergreifen (wo große nervöse Pferde wie verrückt umher gallopierten). Die Anzahl der Polizisten die nun erschien war überwältigend.

Zwei meiner GenossInnen und ich versuchten die Ruhe zu bewahren, wir gingen weiter as ob nichts geschehen sei (zu diesem Zeitpunkt sahen wir "nicht-bedrohlich" aus). Wie auch immer nutzte diese Strategie nichts, denn wir wurden angehalten, auf deutsch angebrüllt, herumgeschubst, gefesselt und weggebracht. Das selbe Schicksal teilten unsere GenossInnen auf den Feldern Minuten später, als sie von allen Seiten von hunderten Riot-Cops umstellt wurden.

Die Haft

Während wir zu Beginn Handschellen trugen, bekamen wir später Kabelbinder verpasst, da es mehr und mehr Festnahmen gab und die Luxusvariante langsam knapp wurde. Sie ließen uns ein Stunde auf dem Gras sitzen und in der knallenden Sonne braten, es war uns nicht erlaubt mit irgend jemanden zu sprechen. Gegen 6 Uhr abends wurden wir in verschiedene Gefangenenbusse verfrachtet und gewaltsam gestossen, sobald sich irgendwelche Verzögerungen daraus ergaben, dass sämtliche Anweisungen nur auf deutsch erteilt wurden. Wir wurden zur Gefangenensammelstelle (GeSa) in Rostock gebracht, eine Entfernung von 25 km, die zu überwinden merkwürdigerweise 2 Stunden dauerte! Ich glaub, sie waren abgeschlafft.

Sobald wir ankamen wurden wir "behandelt" (unsere persönliche Daten aufgenommen) und dann eine nach dem anderen in große weiße Käfige gebracht (5m x 3m x 3m), mit offenen Seiten, aber weißen Laken schirmten die Käfige voneinander ab, um die KOmmunikation zwischen den Insassen zu erschweren (ich werde im Folgenden von ihnen von "GenossInnen" sprechen). Mehr und mehr GenossInnen kamen an, bis jeder der Käfige etwa 15 BewohnerInnen hatte. In den Käfigen gab es keine Ausstattung, nichts auf dem man schlafen konnte außer dem Betonfußboden. Wir stellten einander vor, die Atmosphäre war herzlich und solidarisch, aber wir waren auch sehr müde.
Die Käfige waren nach Geschlechtern getrennt, und es war in den Käfigen der Frauen, in denen es den lautesten und kontinuierlichsten Protest gab, wo elementare Rechte gefordert wurden: Essen, Wasser, Telefonanrufe, AnwältInnen und ÄrztInnen. Diese Proteste wurden nahezu komplett ignoriert, lediglich Essen (eine Scheibe Brot) und Wasser wurden gebracht, und auch das nur gelegentlich.

Mittwoch Nacht

Um elf Uhr nachts wurde ich dem Haftrichter vorgeführt, der mir nach Prüfung der Umstände meiner Festnahme verkündete, dass ich bis Samstag Mittag im Gewahrsam bleiben werde. Meinem Anwalt und mir wurde kein privater Raum zur Verfügung gestellt, ein klarer Rechtsbruch, der meine elementaren Rechte verletzte. Einen Anruf usw. hatte ich noch immer nicht machen können. Der Richter garantierte vor meinem Anwalt und dem Übersetzer, dass ich meinen Anruf unverzüglich werde machen können. Das Versprechen wurde erst weitere 15 Stunden später wahr.
Während der Nacht wurden sämtliche Versuche zu schlafen dadurch zunichte gemacht, dass GenossInnen permanent und ohne Sinn von einer Zelle in die nächste gebracht wurden. Ich wurde drei mal verlegt und das war typisch. Jedesmal dann, wenn ich es gerade geschafft hatte, die Schwelle der Unbequemlichkeit zu überwinden und eingedämmert war. Es war ganz klar ihr Ziel uns mental auszupowern, die GenossInnen körperlich und mental zu schwächen für die kommenden Vernehmungen usw. Ich forderte ununterbrochen meinen Anruf, die Forderungen wurden auf unverschämte Weise ignoriert. Zu unterschiedlichen Zeiten hörte man von verschiedenen Orten und Etagen des Gebäudes die Schreie der Frauen, gelinde gesagt ein zermürbendes Gefühl.

Um 5:30 Uhr wurde ich aus meiner Zelle gerufen. Ich war es müde unablässig verlegt zu werden, und hatte von anderen gehört, dass ihnen Fingerabdrücke genommen worden waren. Ich weigerte mich zu kommen, solange mir nicht der Grund dafür ganannt werden würde. Mir wurde kein Grund genannt, und nach meiner Weigerung und der Solidarität meiner GenossInnen ging der Beamte, um sogleich mit zwei bewaffneten Bullen zurückzukommen, die mich gewaltsam mitnahmen. Das Gesetz in der BRD sagt, dass du nicht zur Abgabe deiner Fingerabdrücke verpflichtet bist, dass du dich aber nicht mit Gewalt dem Versuch widersetzen darft, sie dir abzunehmen. Drei Männer hielten mich fest, während ein Cop jeden meiner Finger aufs Blatt drückte. Dies war durch und durch eine Ohnmacht verbreitende Erfahrung und sie wäre noch weit traumatischer gewesen, hätte ich nicht durch die Erschöpfung die ganze Zeit in einer Art Halbschlaf verbracht.

Donnerstag

Die Stunden zogen sich hin, noch immer wurde mir der Anruf nicht gewährt und die Hitze in den Käfige stieg immens. Gegen 14:30 Uhr forderten ein Genosse aus Brighton und ich, nachdem wir von einem englischen Anwalt die Information erhalten hatten (von einem Handy, das wir eingeschmuggelt hatten) mit einem höheren Beamten zu sprechen. Wir waren darüber informiert worden, dass es illegal sei, uns als nicht-deutsche EU-BürgerInnen weiter festzuhalten und dass wir das Recht hätten freigelassen zu werden, sobald unsere Daten festgestellt und bestätigt wurden. Sobald wir das mitgeteilt hatten, wurde uns sofort ermöglicht zu telefonieren. Ich rief den EA und das irische Konsulat an und erklärte beiden die rechtliche Situation und die Bedingungen. Das Konsulat sagte mir Hilfe zu, aber ich möchte betonen, dass sie trotz der höflichen Worte am Telefon überhaupt KEINE Hilfe waren. Sie schickten mir gerade mal eine Liste mit englisch sprechenden AnwältInnen in der BRD zu, obwohl ich ihnen deutlich gesagt hatte, dass ich bereits einen kompetenten Anwalt habe. Nach dem Anruf wurde ich zurück in meinen Käfig gebracht, von wo ich aber schon 5 Minuten später wieder abgeholt wurde, diesmal zum Gericht nach Rostock, wo der Einspruch verhandelt wurde, den ich am Abend zuvor gegen die Entscheidung des Richters eingelegt hatte.

Die vier "Gründe" (nicht einmal Anklagen) um mich in vorbeugendem Gewahrsam zu halten:

1. In einer Gruppe gewesen zu sein, in denen andere schwarz gekleidet waren

2. In einer Gruppe gewesen zu sein, in der andere maskiert waren (Ich trug zu diesem Zeitpunkt keine Gesichtsmaske, und war bis auf mein T-shirt nicht schwarz angezogen)

3.Zugegen gewesen zu sein, als ein Zaun zerstört wurde (Ich hatte den Zaun aufgrund fehlender Fluchtmöglichkeiten und der durchgedrehten Pferde nicht überquert)

4. Eine Gefahr für den deutschen Staat zu sein
Daher, um zu verhindern, dass ich diese oder andere Straftaten während der kommenden 4 Tage begehen würde, sei es gerechtfertigt mich bis Samstag einzusperren.

Ich wurde zum Amtsgerich Rostock gebracht, wo wir eine ganze Weile draußen auf dem Flur warteten. Während dieser Zeit versuchten die begleitenden Polizeibeamten Informationen aus mir heraus zu holen. Ich sagte ihnen, dass ich keine Fragen beantworten werde, solange mein Anwalt nicht dabei sei und beantwortete alle weiteren Fragen mit "Kein Kommentar". Sie wendeten absehbare Techniken an, wie mir zu sagen "Jetzt wirst du für 10 Monate in Deutschland bleiben", um mir dann zu sagen, dass WENN ich ihnen sagen würde, was passiert war, sie mir vielleicht helfen könnten, das zu vermeiden. Das ging etwa eine halbe Stunde so weiter bis der Richter auf dem Flur erschien und die Polizisten verstummten.

Mir wurden 10 Minuten gewährt, die Angelegenheit mit meinem jungen Anwalt zu besprechen. Dann trugen wir dem Gericht unseren Fall vor, warum es illegal sei mich bis Samstag festzuhalten. Wir beschrieben im Detail die Bedingungen, die Tatsache, dass ohnehin keine der Anklagen von der Polizei bewiesen werden kann, und dass mir 15 Stunden lang kein Anruf gewährt worden war, obwohl der Richter dies vor dem Anwalt und dem Übersetzer garantiert hatte (der dieses Versprechen vor Gericht bekräftigte). Das Gericht schien beeindruckt und der Haftrichter [police judge] sagte die ganze Zeit sehr wenig, außer dass die Ressourcen der Polizei stark unter Druck stünden. An diesem Punkt fühlte ich mich etwas zuversichtlicher. Das Gericht sagte, es werde sich für eine Stunde zur Beratung zurückziehen und fragte mich, ob ich bis zur Verkündung der Entscheidung warten wolle, was ich selbstverständlich mit ja beantwortete. Die Polizei bestand jedoch darauf, dass ich sofort in die GeSa zurückkehren müsse, und dass sie mich informieren würden, sobald das Gericht seine Entscheidung getroffen habe.
Ich witterte sofort ein Foul.

Als ich in die GeSa zurückkam wurde ich sofort in eine Einzelzelle gebracht, weg von all den anderen GenossInnen, in eine Zelle mit vier weißen Wänden und einer Toilette und sonst nichts.Für 6 Stunden hörte ich nichts, außer dem gelegentlichen Schluchzen und manchmal hysterischen Schreien eines anderen Genossen, der das gleiche Schicksal wie ich erlitt. Nach einer Weile springen dich die weißen Wände und die Langeweile an. Gegen 10 Uhr abends kam ein deutscher Genosse, den sie auch vereinzelt gehalten hatten - wir waren unglaublich froh uns zu sehen und miteinander zu reden. Es ist unbeschreiblich, wie sehr du dich langweilst, wenn du da mit dir alleine bist, und wie unbezahlbar es ist, wieder einen anderen Menschen in deiner Umgebung zu haben, selbst nach einer so kurzen Zeit alleine.

Nach einer langen Unterhaltung fielen wir auf unseren Betonbetten in Schlaf bis wir um 3:30 unfreundlich geweckt wurden. Wir wurden zum Gefängnis Butzau transportiert, über hundert Kolimeter und eine Welt weit weg, und trotz meiner Proteste (mit der Hilfe meines Genossen auf deutsch) darüber die Entscheidung des Gerichts zu hören, bevor ich gehe, wurde ich ins Hintere eines Vans verfrachtet und eilig fortgebracht. Wir kamen gegen 5 Uhr morgens im Gefängnis an und wurden dort zusammen mit einigen deutschen und französischen Genossen "abgefertigt". Danach wurden wir in unsere Zellen gebracht, die absolut baufällig waren, und die wenige Verbesserungen seit der Zeit ihres Baus 1835 gesehen hatten. Wie dem auch sei, dort gab es richtige Betten, ein Luxus, den man in Rostock nicht finden konnte, und wir schliefen wie Babies für Stunden und Stunden.
Den ganzen Freitag verbrachten wir in der Zelle, ohne eine Möglichkeit uns zu bewegen oder an die frische Luft zu kommen. Der Flügel in dem wir waren war nur für Anti-G8-Protestierende reserviert, um uns von der großen faschistischen Knast-Bevölkerung fernzuhalten, oder eher sie von uns. Mein Zellengenosse Gerome wurde Freitag abend zusammen mit einigen anderen irischen Arrestanten freigelassen, aber vorher mussten sie noch eine weitere Schlacht schlagen, die unentschieden ausging, als eine Horde Faschisten sich sammelte, bevor die Polizei kam, um den Weg nach draußen zu sichern.

Nachdem wir viel geschlafen hatten und ich mit meinem französischen Genossen Jeremie über alles nur erdenkliche unter der Sonne geredet hatte, das ich mit meinem begrenzten französisch und er mit seinem ähnlich begrenzten englisch ausdrücken konnte, wurde ich Samstag mitteg entlassen, Jeremie konnte wenige Stunden zuvor gehen. Draußen wurde ich von freundlichen Lefties empfangen, auch von meinem Freund Sean, der in der Nacht zuvor entlassen worden war. Es gab was zu essen und zu trinken und ein Auto, um scheiße noch mal von da weg zu kommen.
Ich verpasste zwei Flüge raus aus Deutschland und fuhr letztlich am Montag.

Das war es wert: Fuck the G8!

Teil des anarchistischen Blocks

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