2007-07-03
G8-Gegner: Polizei verbreitet weiter
Falschmeldungen über G8-Protest
Berlin (LiZ). Auf Antrag der Grünen wird der Bundestag diese Woche in einer Aktuellen Stunde über den Bundeswehreinsatz beim G8- Gipfel in Heiligendamm debattieren. Dies beschloss der Fraktionsvorstand der Grünen auf Anregung von Hans-Christian Ströbele am heutigen Montag. Das genaue Thema der Aktuellen Stunde lautet: “Kritik an fehlenden verfassungsrechtlichen Grundlagen des Bundeswehreinsatzes gegen Demonstranten beim G8-Gipfel und widersprüchliche Aussagen der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag hierzu.” Unterdessen warfen Gipfelgegner den für das G8-Treffen zuständigen Polizeibehörden vor, sie verbreiteten weiter Falschmeldungen über die Geschehnisse bei den Demonstrationen nahe Heiligendamm.
Hintergrund der grünen Intitiative ist der verfassungsrechtlich hochumstrittene Einsatz unter anderem von Tornado-Flugzeugen, Aufklärungs- panzerfahrzeugen, Feldjägern und anderer Soldaten beim G8-Gipfel, welche Regierungsvertreter zuvor auf grüne Anfragen im Bundestag vielfach geleugnet hatten.
Hans-Christian Ströbele: “Der Bundestag darf es der Bundesregierung nicht durchgehen lassen, auf Anfragen die direkte Unwahrheit geantwortet zu bekommen, zumal zu so wichtigen Themen wie einem verfassungsrechtlich verbotenen Bundeswehreinsatz im Inneren”.
Die Gipfelsoli-Infogruppe warf der Polizeibehörde “BAO Kavala” vor, noch immer von 433 “zum Teil schwer verletzten” Polizisten nach den Auseinandersetzungen in Rostock zu sprechen. Die Schweriner Staatsanwaltschaft habe diese Version inzwischen für Anklageerhebungen übernommen. Dabei hätten mehrere Zeitungen recherchiert, dass lediglich zwei Beamte stationär behandelt werden mussten.
Eine von “Kavala” lancierte Nachricht, auf der Großdemonstration zur Migration am 4. Juni seien Steine und Flaschen geschleudert worden, sei von keinem der zahlreichen Medienvertreter beobachtet worden, so die Infogruppe. Der zuständige Einsatzleiter habe in dieser Angelegenheit bei der “Kavala” sogar seine Bedenken geäußert. Die Nachrichtenagentur dpa habe sich inzwischen für die unkritische Übernahme einer Falschmeldung entschuldigt. “Keine der polizeilichen Lügen wurde allerdings bisher korrigiert”, kritisierten die Gipfelgegner.
So wiederhole der “Bundesausschuss Bereitschaftspolizei” Vorwürfe, die von Journalisten angezweifelt werden und für die es weder Zeugen noch Beweise gebe. Die Infogruppe der G8-Kritiker zählte eine ganze Reihe weiterer Polizeimeldungen auf, die sie für gezielte Desinformationen halten: “In einem Bericht wird behauptet, Beamte seien mit Benzin bespritzt worden. Ein Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei kolportiert, Polizisten seien mit Billardkugeln beschossen worden. Hierfür seien Fahrradschläuche benutzt worden, die ein Händler ins Camp Rostock geliefert hätte. Ein Zugführer der Bereitschaftspolizei erklärte der Schwäbischen Zeitung, Einsatzkräfte seien mit Messern, ‘mit Nägeln bespicktem Obst’ und Einwegspritzen angegriffen worden. Ihre Schuhe hätten sich in Säure aufgelöst.”
Sprecher der “BAO Kavala” hätten diese Gerüchte lanciert und bis zum Ende der Proteste aufrechterhalten, kritisierte die Infogruppe. “Damit wurde die ‘Gefahrenprognose’ begründet, aufgrund derer Demonstrationsverbote und polizeiliche Maßnahmen erlassen wurden. Einen für den 7. Juni geplanten Sternmarsch nach Heiligendamm hat das Bundesverfassungsgericht aufgrund dieser ‘Gefahrenprognose’ untersagt.”
In einem Hearing zu Polizeiübergriffen am vergangenen Dienstag wurde kritisiert, dass die Bundespolizei mindestens 550 Personen die Einreise nach Deutschland verwehrt habe. Wie in vielen anderen Fällen sei dies bei einer polnischen Reisegruppe mit dem “Mitführen von Molotowcocktails” begründet und so an Nachrichtenagenturen gemeldet worden.
Inwischen haben sich die polnischen Betroffenen wohl zu Wort gemeldet. Bei den “Funden” habe es sich demnach um gläserne Sparbüchsen der Solidaritätsgruppe “Lepsky Swiat” für tschetschenische Flüchtlinge gehandelt. Im polizeilichen Beschlagnahmeprotokoll seien die Büchsen aber als “Molotow-Cocktail ohne brandbeschleunigende Stoffe” deklariert worden.
In einem anderen Fall sei ein niederländischer Staatsbürger gestoppt worden, da seine Einreise “den nationalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland” schaden würde.
“Die Polizei inszenierte die Bilder von marodierenden, brutalen Hooligans um die Willkür zu rechtfertigen, mit der gegen alle Schwarzgekleideten oder Langhaarigen vorgegangen wurde. Damit sollte der vielfältige, internationale Protest entpolitisiert und die Bewegung gespalten werden”, vermutet Hanne Jobst von der Gipfelsoli Infogruppe.
[http://linkszeitung.de/content/view/125324/42/]