2007-06-06
Ich war am Dienstag und Mittwoch ehrenamtlich als Mediziner im Einsatz, um bei Notfällen zu helfen. Zur besseren Erkennbarkeit und Ansprechbarkeit trug ich eine professionelle Rettungsweste mit reflektierenden Leuchtstreifen mit der Rückenaufschrift „Arzt“.
Berliner Zivilpolizisten haben dann am Mittwoch behauptet, ich hätte Demonstranten durch Polizeisperren geführt. Das ganze an einer Stelle, wo ca. 1000-2000 friedliche Demonstranten an Wasserwerfern vorbei durch die Felder liefen. Selbst wenn ich das getan hätte, wäre das keine Straftat gewesen. Aber die Beamten sprachen von schwerem Landfriedensbruch und nahmen mich fest. Ein unglaublicher Vorgang. Tatsächlich hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt mehrer Personen mit allergischen Reaktionen bzw. mit Bindehautreizungen – vermutlich nach Pfeffersprayeinsatz – versorgt. Zum Zeitpunkt der Festnahme war ich auf dem Weg zu einem Journalisten, der in der Nähe von Bad Doberan Atemprobleme hatte, wahrscheinlich ein Asthmaanfall. Ich bin nicht mehr bis zu ihm hingekommen.
Als »Tatwaffen« wurden u.a. mein Funkgerät und mein Handy beschlagnahmt. Beides diente der Kommunikation zwischen den Ärzten und Sanitätern, die bei den Blockaden unterwegs waren, um bei Notfällen zu helfen. Die Polizei behauptet, ich hätte damit Proteste und Aktionen der G-8-Gegner koordiniert. Meine Arztjacke hätte der Tarnung gedient.
Was ich dann in der Gefangenensammelstelle in der Industriestraße in Rostock erlebt habe, kann ich kaum beschreiben. Viele der Gefangenen fühlten sich an die Bilder aus Guantánamo erinnert. Wir waren wirklich in Käfigen, etwa fünf mal fünf Meter, die von allen Seiten einsehbar und von oben mit einem Netz abgedeckt waren. Von der Galerie in der Industriehalle aus filmte ständig ein Polizeibeamter in die »Zellen«. Das Stahlgitter der Käfige war frisch verzinkt und nicht entgratet – also scharfkantig – , so dass es schon bei leichten Berührungen zu Schnittverletzungen kam.
Es gab keine Waschmöglichkeiten. Dauernd, auch nachts, brannte Neonlicht, und durch die Lüftungen dröhnten Propellergeräusche. Wir wurden praktisch mit Schlafentzug gequält. Es gab unzureichend zu essen und kaum Decken. Für das Liegen auf dem blanken Boden wurden uns etwas dickere Plastikfolien ausgehändigt. Frauen und Männer waren zwar in unterschiedlichen Käfigen, aber nicht einmal durch Sichtschutz getrennt. Es gab keine Waschmöglichkeiten, jeder Toilettengang musste unter Angabe der Gefangenennummer angemeldet werden, und wurde erst nach Dokumentation in einer Akte erlaubt.
Die Leute haben angefangen zu bellen und zu knurren, um sich dagegen zu wehren, wie Hunde behandelt zu werden. Das waren Zustände, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Ich hielt so etwas in Deutschland für unvollstellbar.
Ich selbst wurde erst nach etwa 36 Stunden wieder entlassen, weil das Landgericht die Inhaftierung als völlig unbegründet bezeichnete, und die Polizei darauf hinwies, dass unter solchen Umständen eine Freiheitsentziehung rechtwidrig sei. Die Polizei hat nach dieser Rüge freiwillig den Gewahrsam aufgehoben.