2007-06-26 

Richter am Pranger

Anwaltsverein protestiert gegen "Käfighaltung" von Demonstranten beim G8-Gipfel

Rostock/Berlin. Anwälte haben wegen des Festhaltens von G8-Gegnern in käfigartigen Sammelstellen Strafanzeige gegen die zuständigen Richter erstattet. Wie Martin Dolzer vom Republikanischen Anwaltsverein am Sonntag sagte, wurden die Anzeigen von den Juristen sowohl in Eigeninitiative als auch im Namen betroffener Demonstranten gestellt. "Die Käfighaft ist eine unmenschliche und entwürdigende Behandlung", sagte Dolzer zur Begründung. Die Strafanzeigen lauten auf Freiheitsberaubung und Rechtsbeugung.

Elf Stunden in Handfesseln

Nach Erkenntnissen des Republikanischen Anwaltsvereins, der den Demonstranten beim G8-Gipfel von Heiligendamm rechtlichen Beistand gewährt hatte, waren 1 146 Personen in den Gefangenen-Sammelstellen festgehalten worden. In Drahtkäfigen mit Betonböden seien mitunter bis zu 20 Gefangene auf 25 Quadratmetern eingesperrt gewesen. Laut Dolzer wurden in einem Rostocker Polizeigewahrsam mehr als 50 Menschen zudem elf Stunden lang mit Handfesseln festgehalten.

Das Vorgehen der Polizei stelle einen Verstoß gegen die Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit dar. Die Polizei betonte dagegen, die Gefangenen-Sammelstellen und die Behandlung der Inhaftierten hätten den gesetzlichen Erfordernissen entsprochen. Die Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Petra Pau, will das Sicherheitskonzept zum G8-Gipfel im Bundestag zum Thema machen. Es müsse die Frage beantwortet werden, wer die "Käfighaltung" von G8-Kritikern angeordnet habe. Zudem müsse geklärt werden, warum Panzerfahrzeuge der Bundeswehr am Tagungsort eingesetzt worden seien, teilte Pau am Samstag in Berlin mit.

Auf die Fragwürdigkeit des Bundeswehreinsatzes im Innern wies auch die Bürgerrechtsorganisation Komitee für Grundrechte und Demokratie in einem ersten G8-Resümee hin. Das Komitee, das 30 Demonstrationsbeobachter vor Ort hatte, erhob am Sonntag Vorwürfe gegen die "hochgerüstete" Polizei, deren Vorgehen vielfach "auf Eskalation angelegt" gewesen sei. Zudem habe die Polizei die Öffentlichkeit mit Fehlinformationen "getäuscht", etwa als berichtet worden sei, dass als Clowns verkleidete Demonstranten Polizisten mit ätzender Flüssigkeit beschossen hätten.

Staatssekretär August Hanning vom Bundesinnenministerium kündigte unter Hinweis auf die Ausschreitungen von Rostock eine verstärkte Überwachung der autonomen Szene an. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla warf Globalisierungskritikern Versagen im Einsatz gegen Gewalt vor.

Attac denkt an eigene Ordner

Sven Giegold vom Netzwerk Attac sprach sich für eigene Ordnerdienste der Demonstranten aus, um Gewalt vorzubeugen. Der mecklenburg-vorpommersche Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) lobte im NDR, nach anfänglicher Gewalt seien mit kreativen Protestaktionen überwiegend positive Bilder um die Welt gegangen. dpa/ap