2007-06-06
In sieben Schnellverfahren gegen Globalisierungsgegner im Alter zwischen 20 und 31 Jahren verurteilte das Amtsgericht Rostock heute unter anderem zwei Spanier, einen Polen und drei junge Deutsche zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten mit Bewährung und zehn Monaten ohne Bewährung.
Den Angeklagten war schwerer Landfriedensbruch in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung oder versuchter gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen worden. Ihre Anwälte kündigten Berufungen gegen die Verurteilungen an.Wie der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) berichtet, hatten sich die Angeklagten auf die Schnellverfahren nur eingelassen, weil sie in der JVA Waldeck und in der Frauen-JVA Bützow unter entwürdigenden Haftbedingungen festgehalten wurden und ihnen im Anschluß an die Schnellverfahren eine Haftentlassung zugesichert worden war.
Inhaftierte mißhandelt
Zudem waren mehrere der Angeklagten bei ihrer Festnahme am 2. Juni in Rostock durch Polizeibeamte so schwer mißhandelt worden, daß sie mit sichtbaren Hämatomen im Gesicht und am ganzen Körper im Gericht vorgeführt wurden. Eine schmächtige 21jährige aus Deutschland war bei ihrer Verhaftung so massiv und mehrfach ins Gesicht geschlagen worden, daß sich angesichts ihrer Hämatome im Gesicht auch der Richter zu Nachfragen veranlaßt sah.
In der JVA Waldeck wurden den Angeklagten teilweise richterlich genehmigte Telefonate nicht erlaubt und Hofgänge verweigert mit der Begründung, es könne nicht für ihre Sicherheit garantiert werden, da in der JVA viele Neonazis inhaftiert seien. Darüber hinaus wurden einige Angeklagte von den Wachmännern beschimpft und bedroht.
Da die Umstände ein rechtsstaatliches Verfahren und eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht ermöglichten, beschränkten sich Verteidiger darauf, die Vorgehensweise von Staatsanwaltschaft und Gericht zu kritisieren und Erklärungen abzugeben.
Im Verfahren gegen einen 20jährigen Philosophiestudenten aus Deutschland beispielsweise stützte sich die Verurteilung auf eine lückenhafte schriftliche Aussage eines Polizeibeamten. Darin wurde behauptet, der Angeklagte habe am 2. Juni vier oder fünf Flaschen oder Steine in eine unbekannte Richtung geworfen. Weder wurde klar, ob es sich um Glas- oder Plastikflaschen, noch wie viele es gewesen sein sollen, weder ob es sich um Kieselsteine noch ob es sich um Pflastersteine gehandelt haben soll. Präzisere Angaben wurden nicht gemacht, dennoch wurde der nicht vorbestrafte 20jährige, der die Tat bestritten hat, zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
Auch in anderen Verfahren mangelte es an präzisen Tatvorwürfen und Zuschreibungen; immer wieder blieb in den polizeilichen Aussagen unklar, wo, wann und aus welcher Entfernung und in welche Richtung geworfen worden sein soll. Ein Großteil der Angeklagten bestritt die Tatvorwürfe.
Verteidiger beschimpft
Die Atmosphäre der Verfahren war geprägt von beleidigenden Äußerungen des Staatsanwalts gegen Angeklagte und Verteidiger. So bezeichnete der Staatsanwalt die Angeklagten als »Chaoten« und Mitglieder des »schwarzen Blocks«, obwohl keinem der Angeklagten vorgeworfen worden war, vermummt gewesen oder aus dem Schwarzen Block heraus agiert zu haben. Einen Angeklagten beleidigte der Staatsanwalt als »Durchgeknallten«. Zwei Rechtsanwälten unterstellte er, er bezweifle, daß sie Jura studiert hätten.
Der zuständige Einzelrichter hatte zudem von vornherein klar gemacht, daß er keine Einzelfälle betrachten wolle und daß es nicht vorstellbar sei, daß Polizisten lügen würden. »Zur Verteidigung der Rechtsordnung« könne er auch keine Bewährungsstrafen verhängen.
»Bei den Schnellverfahren pünktlich zum Ankunft der Delegationen handelt es sich in erster Linie um ein Instrument der Abschreckung«, sagte Rechtsanwältin Christina Klemm, »die mit einem fairen Verfahren nichts zu tun haben. Hier agieren Justiz und Polizei Seite an Seite.«
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