2007-06-03
Campinski Pressegruppe
Pressemitteilung
3. Juni 2007
Die Polizei setzt die Strategie der Provokation und Behinderung der Proteste
fort. Auch am Tag nach der Großdemonstration in Rostock eskaliert die Polizei
die Situation in Mecklenburg-Vorpommern weiter.
Im Gegensatz zu den verbalen Beteuerungen, an einer Deeskalationsstrategie
festzuhalten, war die Praxis der Polizei schon seit Wochen von Provokationen
und Schikanen geprägt. Kriminalisierung und Einschüchterung schaffen eine
Athmosphäre der Eskalation. “Die legitimen Proteste werden unmöglich gemacht,
mit der Begründung der Bundesregierung, sich als „verlässlicher Partner der G8
Staaten zu repräsentieren“. Diese Haltung der Bundesregierung spiegelt sich im
Kontext der Repressionen und Polizeiübergriffe, die im Folgenden geschildert
werden,” so Lotta Kemper von der Pressegruppe Campinski.
Zu einem skandalösen Vorfall kam es in der Nacht vom Samstag auf Sonntag. Gegen
ein Uhr rammte ein PKW kurz vor dem Autobahnkreuz Rostock West einen
Transporter von französischen AktivistInnen. Der Transporter überschlug sich.
Den dabei verletzten Personen gelang es, sich selbst zu befreien und – unter
Schock stehend – sich um ihre Verletzungen zu kümmern. Das erste Fahrzeug, das
zur Unfallstelle stieß, war ein Mannschaftswagen der Polizei. Die Beamten waren
auf dem Rückweg von ihrem Einsatz in Rostock.
Statt Hilfe zu leisten, waren die Beamten sofort im Ton aggressiv, leisteten
keinerlei erste Hilfe und sicherten die Unfallstelle nicht ab. Dabei fielen
Äußerungen wie „Verlauste G8 Gegner, nun habt ihr eine Nonne ins Unglück
gestürzt“ (Die Unfallverursacherin war eine Nonne, die am Steuer eingeschlafen
war). In der Folge wurden die AktivistInnen von den Beamten von der Fahrbahn
gedrängt und mit dem Schlagstock bedroht. Erst als die Autobahnpolizei und die
Feuerwehr eintrafen, entspannte sich die Situation etwas. Dem Fahrer, der
ebenfalls unter starkem Schock stand, sollten 500 Euro als Bergungskosten
abgenommen werden. Als er dies nicht sofort an Ort und Stelle zahlen konnte,
wurde er gezwungen, ein für ihn unverständliches Papier zu unterschreiben und
aufgefordert, das Gepäck, was nun auf der Standspur lag, selbst schleunigst zu
entfernen. Die Verletzten wurden mit mehreren Rettungswagen in die Klinik
Südstadt transportiert. Dort konnte eine Person nicht sinnvoll behandelt werden
und wurde mit dem Krankenwagen gegen 3 Uhr in die Uniklinik Rostock weiter
transportiert. Nach Angabe ihrer Personalien wurde sie aufgefordert, ihren
Sozialversicherungsausweis vorzuzeigen. Dies konnte sie nicht und nach einer
halben Stunde wurde sie vom diensthabenden Arzt informiert, dass sie ohne Karte
nicht behandelt würde. Auch ihrer Bitte nach einem schmerzlindernden Medikament
wurde nicht nachgegangen. Dabei erwähnte der Arzt, dass ihr die Geschichte
eines Autounfalls nicht abgenommen werde und sie doch bestimmt von der
Demonstration aus Rostock sei. Gegen 4.30 Uhr verließen sie per Taxi die Klinik
und begaben sich im Convergence Center in Rostock-Evershagen zu einer
Erste-Hilfe Station.
Die Gruppe wurde bereits seit ihrer Abfahrt von sechs Einsatzwagen der Polizei
begleitet. Als sie auf der B105 aus Rostock herausfuhren, wurde das Martinshorn
angeschaltet. Die Gruppe hielt daraufhin am Seitenrand, um die Einsatzkräfte
vorbeiziehen zu lassen. Im Vorbeifahren versuchten Polizisten aus ihren
Fahrzeugen heraus Radfahrer festzuhalten bzw. diese zu Fall zu bringen. Einer
wurde mit einem Gummiknüppel geschlagen, einem anderen sprühte der
Beamte aus weniger als einem Meter Entfernung mit Pfefferspray direkt ins
Gesicht. Damit nicht genug, mit Schlagstöcken schlugen die Polizisten aus den
Fahrzeugen heraus auf die RadfahrerInnen ein.
Diese flüchteten panisch in den Wald. Da sie deeskalierend einwirken wollten und
den Schutz der Öffentlichkeit suchten, entschieden sie, zur nahe gelegenen
Essotankstelle zu fahren. Vom Camp Reddelich wurden sie von UnterstützerInnen
abgeholt und begleitet.
Die prügelnde Polizeistaffel war verschwunden. Stattdessen begleiteten nun zehn
Einsatzwagen einer anderen Staffel den Konvoi mit laufenden Filmkameras bis zum
Camp Reddelich.
“Es gab überhaupt keine Warnung seitens der Polizei, die uns absolut grundlos
Angriff. Wir sind wirklich schockiert. Vermutlich war dies ein Racheakt für
den fehlgeschlagenen Einsatz am Nachmittag”, meint ein Betroffener.
Lotta Kemper + Carl Kemper
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