2006-11-19 

19.11.2005 Genua

- [Pressemitteilung] Diaz: Erste Wiedererkennungen - "Sie haben sich umgedreht"
- [Pressemitteilung] Diaz: "Das ist euer letzte G8"
- [Pressemitteilung] Diaz: Mit der ersten Zeugenaussage kommt das Prozess im Gange

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[Pressemitteilung] Diaz: Erste Wiedererkennungen - "Sie haben sich umgedreht"
Genua, den 17.11.2005

Zehnter Verhandlungstag im Prozess gegen 29 wegen Koerperverletzung, Verleumdung und Beweisfaelschung angeklagte Mitglieder der Ordnungskraefte infolge der Razzia in den Gebauden der Schule Diaz.

Es gab zwei Zeugenaussagen in dieser langen Verhandlung (um 17:30 erst beendet). Der erste Zeuge ist D.A., ein deutscher Junge, der auf dem ersten Stock der Pertini Schule blutig geschlagen wurde. Als er aus einem Fenster die Ankunft der Polizei sieht und anfaengt, Schreie zu hoeren, entscheidet er zusammen mit anderen, mit hocherhobenen Haenden stehen zu bleiben. Die Polizisten schreiten schnell hinein, "sie schrien und haben uns mit Gesten zu verstehen gegeben, dass wir uns setzen sollten. Dann sind sie vor jedem von uns stehen geblieben und haben angefangen, uns mit den Schlagstoecken hauptsaechlich auf dem Kopf zu schlagen. Es sah aus, als wuerden sie absichtlich mit ihrer ganzen Kraft auf die Koepfe zielen." Es wird systematisch geschlagen. Alle Leute, die sich im Flur befinden, werden geschlagen und bleiben blutig auf dem Boden liegen. Zu diesem Zeitpunkt erinnert sich D. an zwei in zivil gekleidete Beamte, von denen einen mit Helm und Bart. Eine Wiedererkennung findet im Gerichtssaal nicht statt, aber in der Diaz Schule gibt es nur einen Beamten mit Bart und Helm: Francesco Gratteri, der damalige Leiter der Sco (Servizio Centrale Operativo, Zentraler Einsatzdienst).
D. sieht darueberhinaus die als Rechtfertigung der Razzia verwendete Episode:
den angeblichen Angriff gegen einige von Di Bernardini geleitete Polizeiwagen. D. ist sehr praezise und sicher: "Es gab viele Leute im Hof und auf der Strasse. Die Ankunft der Polizeiwagen schien eine Provokation zu sein. Viele Leute haben "Assassini" geschrien, aber niemand hat etwas gegen die Autos geworfen und sie haben sich entfernt ohne anzuhalten". D. kommt ins Krankenhaus, wo ihm am Tag danach ein Bluterguss im Gehirn diagnostiziert wird, und er wird notoperiert. Als er wieder erwacht, wird ihm bewusst, dass er rund um die Uhr von der Polizei bewacht wird, ohne dass ihm mitgeteilt wird, dass er verhaftet worden sei. Die Tragoedie wird zur Farce, als er eines Tages auf einer Bahre zur Spintomographie getragen wird und ein Carabiniere den genialen Einfall hat, ihn mit Handschellen an die Bahre festzubinden. Schade nur, dass niemand dann diese Handschellen oeffnen kann: sie werden erst sechs Stunden spaeter von einem Handwerker "mit Handwerkskasten" geoeffnet.

Die zweite Zeugin ist V.B., auch sie Nebenklaegerin, die sich in der Sporthalle befand. Sie hat mehr Glueck als D. gehabt, denn "ich hatte andere Menschen vor mir, die als Schild dienten", mit Genauigkeit erzaehlt sie die ganze Phase des Massakers in der Halle, so wie die Anwesenheit einiger Befehlshaber in zivil, waehrend die anderen Beamten mit Tritten und Schlaegen die aus den oberen Etagen heruntergezogenen jungen Leute verpruegeln: "ich erinnere mich daran, dass die Befehlshaber sich umgedreht haben, als die Polizeibeamten die Leute weiter verpruegelten. Ich habe den Eindruck gehabt, dass sie wie angesichts eines Kinderstreichs einen Auge zudruecken wollten". Einen dieser Befehlshaber hat V.B. genau gesehen und sie erinnert sich an ihm, weil sie ihn ein Paar Tage spaeter im Fernsehen sieht, als sie noch im Gefaengniss ist. Er gibt gerade einen Interview in der Tageschau. Als ihr einen Videoauschnitt gezeigt wird, in dem eine Gruppe von Polizeileitern vor der Eingangstuer der Pertini-Schule zu sehen ist, zoegert sie nicht: "Er ist es. Ich habe ihn auch letztes Jahr bei der ersten Vorverhandlung von diesem Prozess wiedergesehen. Mein Anwalt hat mir gesagt, dass er Giovanni Luperi heisst".

[SupportoLegale]

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[Pressemitteilung] Diaz: "Das ist euer letzte G8" Genua, den 16.11.2005

Neuenter Verhandlungstag im Prozess gegen 29 wegen Koerperverletzung, Verleumdung und Beweisfaelschung infolge der Razzia in den Gebauden der Schule Diaz angeklagte Mitglieder der Ordnungskraefte.

Heute hat der Journalist Lorenzo Guadagnucci - Redakteur der Zeitung "Il Resto del Carlino", aber nach Genua am Samstag, den 21.07.2001, aus persoenlichem Interesse gekommen - ausgesagt. Er wurde in der Sporthalle der Schule geschlagen und spaeter in der Nacht vom Samstag ins Krankenhaus eingeliefert. Seine Aussage ist klar und einfach. Er kehrte zum Gebaeude um 22 Uhr zurueck, nachdem er um 20Uhr vorbeigekommen war, um seine Sachen dort zu lassen, und schlief ein. Kurz danach wird er von Laerm und Geschrei aufgewacht, dann stuermt die Polizei die Halle, in der er sich zusammen mit anderen befand. "Ich habe Gruppen von Polizeibeamten hineinrennen gesehen, sie schrien, sie sind sofort auf die Menschen zugegangen, die sie vor sich fanden, an der langen Wand der Halle. Diese ersten Beamten haben angefangen, die Menschen zu treten und mit Schlagstoecken zu verpruegeln, Spucken, ich erinnere mich, dass sie gespuckt haben, sie sagten einige Saetze wie "das ist euer letzte G8", "heute abend amuesiert ihr euch weniger". Dann wird er geschlagen, zuerst von zwei Beamten, spaeter von einem anderen, als er bereits "ausser Gefecht war". Danach, im Krankenhaus ueberwacht, mit Schnitt- und Schlagwunden am Rumpf und Ruecken, entdeckt er aus der Lektuere der Tageszeitung, dass er wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zum Zweck der Verwuestung und Pluenderung festgenommen worden ist. Alle in jener Nacht festgenommene 93 Demonstraten sind spaeter von allen Anklagen freigesprochen worden.

Die Verteidiger haben nur schwache Argumente, zielen darauf ab, den Zeuge zu verunsichern, welcher antwortet und bestaetigt, was er bei der Befragung der Staatsanwaltschaft gesagt hatte. Er hat nicht bereits vor der Razzia verletzte Personen gesehen, aber die Verteidiger wenden ein, dass er sich nur im Erdgeschoss aufgehalten habe und deshalb nicht auschliessen koenne, dass es welche auf den oberen Stockwerken gegeben habe. Offensichtlich, unterbricht der Hauptrichter. Das Verhalten der Verteidiger der Polizei zeigt ihre Schwierigkeiten in einem Prozess, der absolut klar zu sein scheint, was die Schlaege, die Gewalt, physisch aber nicht nur, von Seiten der Ordnungskraefte in jener genuesischen Nacht betrifft. Ihr Gelaechter waehrend der Erzaehlungen jener Gewalttaten laesst vermuten, dass sie auf der Hoehe ihrer Klienten sind.

Morgen zehnter Verhandlungstag, um 9:30 im Hochsicherheitsaal des genuesischen Gerichtshofes.

[SupportoLegale]

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[Pressemitteilung] Diaz: Mit der ersten Zeugenaussage kommt das Prozess im Gange
Genua, den 9.11.2005.

Im Hochsicherheitssaal des genuesischen Gerichtshofs gegenueber dem ersten Kollegium der ersten Strafabteilung, Vorsitzender Richter Barone, hat heute morgen L.Z. ausgesagt. Sie ist eine der 93 von der Polizei massakrierten Personen bei der Stuermung der Diaz-Schule in der Nacht vom 21. zum 22. Juli 2001.

Die lange Aussage von L. verlaeuft fast 4 Stunden lang klar und praezise und bietet wenig Raum fuer die zahlreichen Einwaende der Verteidigung. L. erzaehlt, dass sie zusammen mit ihrem Freund in der Diaz-Schule angekommen sei; er war im Laufe des Tages nach dem Ende des Demonstrationszueges ohne Anlass von der Polizei bereits verpruegelt worden, was sie gezwungen hatte, sich an die Notaufnahme zu wenden. Darum, anstatt am gleichen Abend zu verreisen, hatten sie entschieden, "in einem ruhigen Ort" zu uebernachten. Aber wenige Minuten spaeter kommt die Polizei an, L. sieht vom Fenster auf dem zweiten Stock, wie sie massenweise ankommen. Sie und Niels sind sehr erschrocken, laufen bis auf die letzte Etage der Schule und verstecken sich in einen Kammer. Sie bleiben dort mit erhobenen Haenden, und hoeren dabei die schweren Schritte der Polizeistiefel sich naehern. Als sie entdeckt werden, werden sie herausgezogen und wild geschlagen: L. wird mit Schlagstoecken auf Kopf und Ruecken geschlagen, sie faellt auf den Boden, bekommt weitere Schlaege und spuert, wie ihre Rippen zerbrechen, sie wird hochgezogen und gegen die Wand geschleudert. Dann wird sie auf den Bauch die Treppe hinuntergezogen, dabei bekommt sie immer noch Tritte und Schlaege. Danach wird sie an den Haaren hochgezogen, weitere Treppen hinuntergezerrt, weitere Tritte auf den Ruecken und auf die Beine. Sie ist nicht mehr in der Lage aufzustehen und wird auf zwei weitere auf dem Boden liegenden Menschen geworfen. Sie faellt in Ohnmacht und als sie wieder zu sich kommt, erinnert sie sich neben dem unertraeglichen Schmerz der zerbrochenen Rippen (die ihre Lungen perforiert haben) deutlich daran, dass zahlreiche Polizisten vorbeigehen und anhalten, um auf sie zu spucken.
Eine unendliche Zeit, waehrend dessen hat sie die Gelegenheit, weitere blutende am Boden liegende Personen zu sehen. Endlich kommen die Sanitaeter, sie tragen sie auf einer Bahre aus der Schule hinaus und von dort zur Notaufnahme des Krankenhauses San Martino. L. wird im Krankenhaus 11 Tage verbringen, von denen die ersten drei in Gewahrsam, von der Polizei bewacht. L. hat schwere Verletzungen erlitten und traegt davon permanente Schaden: ihre Lungenkapazitaet ist um 30% geschrumpft, sie hat Atemschwierigkeiten und kronische Schmerzen am Ruecken und an andere Koerperteile. Waehrend der Gegenbefragung des RA Romanelli (Verteidiger von Canterini) erkennt L. zweifellos die Polizei-Uniform fuer oeffentliche Ordnung, mit dem Detail des dunklen Guertels, der die VII Gruppe der roemischen Bereitschaftspolizei I, die von Vincenzo Canterini geleitet wird kennzeichnet. Mit der dramatischen so wie detallierten Aussage von L. wird der erste Stein fuer die Rekonstruktion des Massakers in der Diaz-Schule gelegt. Naechster Verhandlungstag: Mittwoch, der 16. November.

[SupportoLegale]