2007-06-08
Die Polizei hat zugegeben, dass rund um Heiligendamm Zivilpolizisten im Einsatz waren. Mindestens einer soll Demonstranten zur Gewalt angestachelt haben. Die Polizei bestreitet dies. WELT ONLINE hat einen Augenzeugen zu den Vorgängen am Sicherheitszaun befragt.
Heute hat die Polizei den Einsatz von schwarz gekleideten Zivilpolizisten bei den Gipfelprotesten eingeräumt. Laut Polizei sei ein Zivilibeamter auf der Blockadestelle an der Galopprennbahn am Mittwoch von Demonstranten angegriffen worden. “Nur dank dem beherzten Einsatz einiger Demonstrationsleiter ist eine Verletzung des Beamten verhindert worden”, sagte eine Sprecherin der Rostocker Polizeisondereinheit Kavala.
Der Zivilpolizist war von den Organisatoren der Blockade zum Zaun gezerrt und den Polizisten übergeben worden. “Der Einsatz von Zivilbeamten gehört zu unserer Strategie der Deeskalation”, sagte die Polizeisprecherin. Er habe zum Ziel gehabt, mehr über die Strategie der Protestler zu erfahren. Die Polizei bestritt jedoch energisch den Vorwurf, der Zivilbeamte habe zu Gewalt aufgerufen. Die schwarze Kleidung habe nur dazu gedient, das Aussehen des Beamten an das der Protestler anzupassen.
Henning Kleine von Block G 8 berichtet etwas anderes. Er war einer der Organisatoren, der den Beamten mit seinem Körper schützte, zum Zaun zerrte und seinen Kollegen übergab. “Mehrere Augenzeugen haben mir davon berichtet, dass der Beamte vorher dazu angestachelt hatte, Steine aus dem Kiesbett der Molli-Bahn zu sammeln.” Unter den Augenzeugen sei ein Mitglied der grünen Jugend. Ein anderer Augenzeuge gehöre einer Gruppe tschechischer Demonstranten an. “Wir reden mit diesen Leuten, damit sie ihre Aussagen mit ihrem Namen zu Protokoll geben.” Bisher hätten sie nur zugesagt, vor Gericht namentlich auszusagen.
Inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft Rostock die Einleitung eines Ermittlungsverfahren gegen die eingeschleusten Zivilpolizisten. Es gehe um die mögliche Anstiftung zu einer Straftat, sagte Oberstaatsanwalt Peter Lückemann der “Hamburger Morgenpost”. Der Sachverhalt werde strafrechtlich geprüft.
Kapuzenpulli mit Heavy-Metal-Aufschrift
Ein 25-jähriger Augenzeuge aus Hamburg schildert die Situation, die sich am Zaun abspielte, folgendermaßen: Am frühen Abend sei ihm eine Gruppe von vier schwarz gekleideten Männern aufgefallen, einer von ihnen habe ein Tuch bis auf Mundhöhe hochgezogen und einen schwarzen Kapuzenpulli mit der roten Aufschrift “Slipknot” getragen, der Name einer in der linken Szene bekannten Heavy-Metal-Band. Die Männer hätten genauso ausgehen, wie die, vor denen die Polizei gewarnt habe.
“Ich kann mich daran erinnern, weil ich dachte, merkwürdig, kein Autonomer trägt normalerweise etwas, das einen hohen Wiedererkennungswert hat, weil die Polizisten bei solchen Aktionen filmen.” Wenig später hatte sich die Situation verschärft, auf dem Kornfeld gab es Rangeleien. “Ich erkannte den Mann an der großen roten Aufschrift auf seinem Pullover wieder”, berichtet der Augenzeuge, "er schleuderte einen Stein ich Richtung Zaun und rief: “Rauf auf die Bullen!”
Codewort, um auf die sichere Seite zu kommen?
Wenig später hätten Bremer Demonstranten den Polizisten erkannt. Er gehöre der Beweis-und-Festnahme-Einheit (BFE) aus Bremen an. Die Bremer Demonstranten waren einmal von genau diesem Polizisten in Gewahrsam genommen worden. "Die Bremer liefen hinter dem Polizisten her, riefen “Zivi!” und deuteten von hinten mit dem Zeigefinger auf ihn", sagt der 25-jährige Augenzeuge. “Daraufhin zog er sein Tuch hoch und vermummte sich. Zu diesem Zeitpunkt trug er auch schwarze Handschuhe. Zwei seiner Kollegen rannten weg, ein dritter verschwand hinter der Polizeisperre. Ich nehme an, er nannte ein Codewort, damit die Polizisten ihn durchließen.”
Nur den Beamten mit dem “Slipknot”-Pullover habe die Menge festgehalten. Dann seien die Organisatoren angerannt gekommen und hätten nach dem Namen des Vermummten gefragt, der Beamte hätte aber die Auskunft verweigert. Die Demonstranten rissen den Schilderungen zufolge sein Tuch herunter und zogen ihn an den Haaren. Dann führten ihn die Demoleiter zur Polizeisperre, wo er in Empfang genommen wurde. Nach eigenen Aussagen engagiert sich der Augenzeuge seit zwölf Jahren politisch, aus Angst vor persönlichen Einschränkungen wollte er seine Namen nicht nennen.
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