2007-05-26 

MAD Köln: Zur Kritik der Globalisierungskritik - oder warum es keine Weltregierung gibt

Text zum falschen Kapitalverständnis der Antiglobalisierungsbewegung, sowie zur Inzenzierung der Macht - dem Spektakel der Politik - beim G8 und wie die (radikale) Linke bei dieser Show mitwirkt
Zur Kritik der Antiglobalisierungskritik

oder warum es keine Weltregierung gibt

Kaum ein Thema erfreut sich in den letzten Monaten innerhalb der Linken – und weit über diese hinaus - solch einer Beliebtheit, wie das Treffen der G8-Staaten in Heiligendamm, nahe Rostock, in diesem Sommer. Befürworter und Gegner einer Mobilisierung zu den Gegenprotesten werfen sich gegenseitig Paper um die Ohren und streiten auf Podien über Sinn und Unsinn ihrer Politik. Dabei geht es vor allem um die Frage wie diese ominöse "Bewegung der Bewegungen", die Antiglobalisierungsbewegung, denn nun beschaffen sei, was ihr Charakter sei und ob man gemeinsam mit ihr auf die Straße gehen könne.

Auch wir haben uns mit zahlreichen anderen Gruppen an dieser Debatte beteiligt, als dessen Ergebnis u. a. der Reader "why your revolution is no liberation" vorliegt ( www.no-liberation-reader.tk ), der sich mit der in der Antiglobalisierungsbewegung vorherrschenden Kapitalismusanalyse auseinandersetzt und diese scharf kritisiert.

Zwar verweist die Antiglobalisierungsbewegung immer wieder spätestens dann auf ihre Heterogenität, wenn ihr Kritik droht, doch hat sie sich mittlerweile auf einen Minimalkonsens verständigt, der von Attac über das PGA-Network bis hin zu antiimperialistischen Volksbefreiungsfreunden geteilt wird.

Die sich beim G8 treffenden Regierungschefs sind "die Bösen" und die Demonstranten und Aktivisten auf der anderen Seite des Zauns "die Guten". Die Bösen - und das sind laut dem in der Antiglobalisierungsbewegung stark vertretenen Antiamerikanismus in erster Linie die USA, womit auch gleich ein Anknüpfungspunkt an den Konsens der Bevölkerung besteht, in dem sich Antiamerikanismus und eine platte Kritik am Raubtier-Kapitalismus einer breiten Beliebtheit von der bürgerlichen Linken bis hin zur Mitte der Gesellschaft erfreuen – regieren und unterjochen die Welt und treffen sich jährlich als G8, um weitere Maßnahmen zu beschließen, die ihre Macht bewahren und erweitern.
Solch eine Kritik, die mal mehr, mal weniger platt in dieser Form von den diversen Protagonisten der Antiglobs zu hören ist, wird seit Jahren völlig zu Recht als personalistische, reformistische und strukturell antisemitische Kapitalismuskritik benannt. Auch wenn zumindest in Teilen der Anti-Globalisierungsbewegung eine Sensibilisierung beim Thema Antisemitismus zu bemerken ist, geändert hat sich generell wenig. So mag Attac in Deutschland zwar zahlreiche, hochkarätige Veranstaltungen zum Thema Antisemitismus durchgeführt haben, per Maillinglisten das Thema diskutiert haben, an ihrer falschen Analyse hat es nichts geändert. Es sind Diskussionen ohne Konsequenz, die allein geführt werden, um sich so von etwaigen Vorwürfen freisprechen zu können. Das erklärt auch, warum es immer wieder Ereignisse gibt, die zu mehr als nur Anlass zur Sorge bieten, die eine klare Zurückweisung verdienen:

In der Abschlusserklärung des Weltsozialforums von Porto Alegre wurde der Solidarität mit dem "palästinensischen Volk" Ausdruck verliehen – kein Wort von Selbstmordanschlägen oder islamischem Antisemitismus. Auf dem Europäischen Sozialforum in Paris bot man dem Islamisten und Antisemiten Tariq Ramadan bereitwillig ein Podium, während Aktivisten, die in einem Flugblatt den Antisemitismus der No-globals kritisierten, angegriffen und des Forums verwiesen wurden. Und das auf einer Veranstaltung, bei der sich die Mehrheit der Teilnehmer wohl ohne Zögern als links bezeichnen würde und damit eigentlich gegen die selbst verschuldete Unmündigkeit in Form der Religion, neben anderen Formen der selbstverschuldeten Verdummung wie Esoterik und Mystik, frontal Stellung beziehen sollte. Einem bekennenden Islamisten bietet man aber trotzdem Raum, solange er nur gegen Israel und die USA hetzt.

Beim EU-Gipfel in Kopenhagen forderte die dänische Gruppe "Globale Wurzeln" den Boykott Israels, die Ordner trugen Shirts mit der Aufschrift "Burn Israel Burn". Der italienische Globalisierungskritiker Alfonso de Vito verglich im Rahmen von Attac-Veranstaltungen in Deutschland die Politik Israels gegenüber den Palästinensern mit der Räumung des Warschauer Ghettos. Noam Chomsky, der in den Aussagen Robert Faurissons, der Holocaust sei eine zionistische Lüge, keinen Antisemitismus entdecken kann, verfasste zuletzt im Sommer 2006 ein "Manifest", nach dem Israel die Schuld am Überfall der Hisbollah auf den Norden Israels trage, mit dem Ziel, den palästinensischen Staat zu liquidieren. Dieser dümmliche Schrieb, der nicht nur die Tatsache ignoriert, dass es keinen palästinensischen Staat gibt, sondern auch den Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen und die anschließend beginnende Terror-Offensive der Palästinenser nicht zur Kenntnis nimmt, wurde prompt von anderen Idolen der Antiglobalisierungsbewegung unterzeichnet: Naomi Klein, Jose Saramago, Arundhati Roy.

Hier bricht sich das reaktionäre Verständnis der No-Globals vom Kapitalismus Bahn. Man muss aber eigentlich gar nicht erst solche unappetitlichen Beispiele heranziehen, um sich von der Antiglobalisierungsbewegung zu distanzieren. Diese Statements sind schließlich nur Folge ihres Kapital-Begriffes.

Die letztgenannte Arundhati Roy fiel zuletzt vor allem durch ihre völlig verfehlte Kapitalismusanalyse auf, in der die Globalisierung – gleichgesetzt mit Imperialismus – als eine Verschwörung von "Männern in Anzügen" – Amerikanern versteht sich – begriffen wird, die "wie Heuschrecken durch die Länder ziehen". Es sollte seit Marx bekannt sein, dass Kapitalismus keine von einer Handvoll "Männern in Anzügen" inszenierte Veranstaltung, sondern ein totales gesellschaftliches/soziales Verhältnis ist, in dem es nicht gute und böse Firmen gibt, sondern jeder tagtäglich seinen Beitrag zum Fortbestehen bewirkt.

Was also ist an der Analyse der No-Globals falsch?

Die marktwirtschaftlichen Regeln und Gesetzmäßigkeiten lassen neben den Gebrauchswert der zu Markte getragenen Gegenstände den Tauschwert treten. Sobald Gegenstände nicht mehr zum Gebrauch, sondern in erster Linie zum Tausch hergestellt werden (und dies ist der entscheidende historische Schritt vom Feudalismus & Merkantilismus zum Kapitalismus), wird ihr praktischer Nutzen für den Produzenten zweitrangig, von Interesse ist vor allem, wie viel andere Gegenstände er für den seinen erhalten kann. Das Tauschverhältnis ist das Bestimmende, die Gegenstände werden zu Waren, zu für den Tausch bestimmten Gütern. Mit der Entwicklung des Kapitalismus wird die Ware zur typischen Gestalt des Reichtums.

Haben die Waren den Doppelcharakter des Gebrauchs- und Tauschwerts, muss dies auch für die sie erzeugende Arbeit gelten. Die Arbeit produziert nicht mehr nur den konkreten Gegenstand, sondern stellt einen Wert her. Da alle Waren zu einander in einem Tauschverhältnis stehen, steht auch jede warenerzeugende Arbeit in einem solchen Verhältnis. Die Arbeit produziert neben der Ware einen Wert in Abstraktion von der konkreten Gestalt der Arbeit. Sie erhält daher ebenfalls einen Doppelcharakter: sie ist konkret (die Ware erzeugend) und abstrakt (den Wert erzeugend).

Dieser dem Kapitalismus wesenseigene Doppelcharakter von Arbeit und Waren liegt aber keineswegs offen zu Tage, er besteht unabhängig von der Kenntnis der Menschen. Mit dem Hinzutreten des Geldes scheint vielmehr die abstrakte Seite der Waren und damit der Arbeit veräußert zu werden. Die Waren und damit die Arbeit wird auf ihren Gebrauchswert bzw. ihre konkrete Eigenschaft reduziert. Das Geld stellt sich als einziger Ort des Wertes dar, als Manifestation des Abstrakten. Die in Arbeit und Waren bereits notwendig angelegten gesellschaftlichen Verhältnisse werden so verschleiert: Die Waren erscheinen als rein objektive, konkrete Gebrauchsgegenstände, während sich in der abstrahierten Form des Geldes die Wertform und damit die gesellschaftlichen Verhältnisse zu manifestieren scheinen. Die Gegensätzlichkeit von Abstraktem und Konkretem, welche die entfremdeten gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus bestimmt, wird vermeintlich aufgelöst, die beiden einander bedingenden Gegensätze getrennt.

Mit der Benennung der G8 als Weltregierung, als Herren der Welt etc. klären die No-Globals also keineswegs über die wahren Herrschaftsverhältnisse auf, sondern verschleiern diese im Gegenteil gar. Aber dazu später mehr.

Nicht nur von der Antiglobalisierungsbewegung, sondern weit hinein in die Bevölkerung wird so das Geld – oder in einer pseudokritischeren Formulierung der Konsum – oftmals als das Wesen des Kapitalismus schlechthin angesehen und damit zum Ziel der Revolte gegen die als unerträglich erfahrenen Zustände. Im Geld und damit im Wert wird immer wieder der Grund von Ausbeutung und wirtschaftlicher Not gesehen, während die Waren als natürliche Gebrauchsgegenstände davon unabhängig zu existieren scheinen. So kann es dann auch zur Forderung kommen, sinnvoller zu wirtschaften, zu handeln; ohne dabei den Kapitalismus ein für alle mal abzuschaffen und stattdessen den Kommunismus zu verwirklichen.

Spaltet man so den Zusammenhang von Wert- und Warenform auf, macht man den Weg für eine Kritik frei, die allein mit Finanzkapital wirtschaftende Unternehmen und Wirtschaftszweige für die tatsächlich erlebte Misere verantwortlich macht: Banken und Börsen werden zu den Hauptangriffspunkten der Kritik, im Zweifel tut es aber auch ein international agierender Großkonzern, sicher ist, dass der Handwerksbetrieb, der Bäcker mit den leckeren Brötchen oder der als Ich-AG sich kaputt arbeitende Kiosk von nebenan mit allem Elend nichts zu tun haben.

Zwischen lokalen Handwerksbetrieben, der Deutschen Bank und DaimlerChrysler bestehen aber nur auf den ersten Blick wesentliche Unterschiede. Denn alle folgen dem gleichen Prinzip, der kapitalistischen Wertschöpfung, sie unterscheiden sich lediglich in ihrem wirtschaftlichen Erfolg und den dadurch resultierenden Einflussmöglichkeiten, also ihrem Gewicht. Eine auf die big players beschränkte Kritik des Kapitalismus geht an der Totalität der gesellschaftlichen Verhältnisse vorbei, verschleiert diese vielmehr noch, indem sie einen konkreten Sündenbock präsentiert, der auch als Gegenstand für die Gewalt der antikapitalistischen Revolte taugt. Das Wesen des Kapitalismus als abstraktes und totales gesellschaftliches Verhältnis wird hinter der falschen Konkretisierung verborgen und damit auch einer grundsätzlichen, radikalen Kritik entzogen. Jede und jeder ist, unabhängig vom Einkommen und den wirtschaftlichen Verhältnissen, in denen er oder sie lebt, lediglich ein Rädchen im Getriebe. Es gibt kein Entkommen: nicht durch den Einkauf bei einer lokalen Kooperative statt bei H&M, nicht durch autonome Suppenküchen anstelle von McDonald's. Oder wer es gerne noch etwas griffiger hat: the system works because you work!

Wo ist aber nun der strukturelle Antisemitismus dieser Kapitalismusanalyse, den wir auch im Ankündigungstext bereits benannten? Und warum sind die antiisraelischen, antisemitischen Äußerungen der No-Globals-Koryphäen nur die andere Seite der Medaille dieses Kapitalismusverständnisses?

Mit der Personalisierung kapitalistischer Vergesellschaftung wird die Struktur des modernen Antisemitismus bedient: Wert, Geld und Handel als abstrakte, heimatlose und ausbeuterische Formen werden bestimmten Personen zugeschrieben: Bankiers, Bonzen, Kapitalisten. Der Schritt zum Juden als Konkretisierung des Antisemitismus ist dann nur noch ein kleiner – die meisten Globalisierungskritiker vollziehen ihn bisher nicht. Aber die Assoziation liegt aufgrund der seit dem Mittelalter tradierten und in der christlich-europäischen Kultur stark verankerten Vorurteile, der Jude sei ein heimatloser Krämer, Wucherer und Ausbeuter, so offen auf der Hand, dass sie vielfach nicht ausgesprochen werden muss. Die Nationalsozialisten taten es und begründeten mit dem Kampf gegen das "raffende" jüdische Kapital die Ermordung von sechs Millionen Menschen in einem industriell organisierten Verfahren. Vom Standpunkt einer falschen Kapitalismuskritik, die bei der Kritik der abstrakten Seite kapitalistischer Wertschöpfung stehen bleibt und diese in Gestalt von Banken, Kapitalisten, Großkonzernen – in dieser Denkart also die Juden – angreift, ist dies nur folgerichtig. Das Gerede vom Fake-Antikapitalismus der Nazis zielt also am Kern vorbei. Sehr wohl haben sich bedeutende Teile der Nationalsozialisten als ernsthafte Antikapitalisten verstanden und gerade auch in der heutigen Bewegung tun dies viele der nationalen Sozialisten. Das ihr Kapitalverständnis dabei völlig fehlerhaft ist, muss nicht weiter betont werden, nur weisen große Teile der Linken und gerade der Antiglobalisierungsbewegung ebenfalls ein völlig falsches Kapitalismusverständnis auf.

Die antikapitalistische Revolte gegen die abgespaltene abstrakte Seite kapitalistischer Wertschöpfung ist damit strukturell antisemitisch. Das Pogrom ist bereits angelegt. So deprimierend es auch sein mag, antikapitalistische Kritik muss stets auf das Ganze zielen und die Totalität der gesellschaftlichen Verhältnisse im Blick behalten. In diesen sind Kapitalisten nichts anderes als eine andere Form der Arbeiter, nicht besser, nicht schlechter. Natürlich soll die Existenz von Klassen und die ihnen immanenten Herrschaftsverhältnisse damit nicht negiert werden, nur tragen sie alle gemeinsam zum Fortbestehen des Systems bei.

So kann unserer Meinung nach die Antiglobalisierungsbewegung in all ihren Schattierungen leider nicht als Schritt in die richtige Richtung, also zur Realisierung des "Vereins freier Menschen" verstanden werden, sondern muss als reformistische, zumeist staats- und politikfixierte Bewegung aufgefasst werden. Dieser wohnt dann, wie zuvor ausgeführt, das Potential zur reaktionären Barbarei inne. (welches jederzeit ausbrechen kann.) Wir sprechen der Antiglobalisierungsbewegung in ihrer jetzigen Form darum jegliches emanzipatorisches Potential ab.

Nun ist all dies nichts wirklich Neues und vielleicht fing die oder der eine gerade auch schon an sich zu langweilen, schließlich wird dies schon seit Jahren formuliert. Dabei zeigt die Antiglobalisierungsbewegung zwar eine erschreckende Aufklärungsresistenz, nur in geringen Teilen wird die eigene Analyse einmal kritisch reflektiert, aber mit kritischem Interventionismus, mit beständiger Aufklärung wäre auch solchen falschen Auffassungen vielleicht beizukommen. Hierauf fußte lange das Gerede von der verkürzten Kapitalismuskritik, die es folglich nur einmal zu verlängern gelte und schon habe man seine lang ersehnte linksradikale Massenbewegung. Doch leider ist die Kapitalismuskritik der No-Globals nicht einfach nur verkürzt, sondern grundlegend falsch.

Das hat auch die radikale Linke langsam gemerkt, möchte aber vom Traum der kritischen Massen nicht ablassen und macht entweder fleißig weiter mit, als sei nie etwas geschehen (z.B. Interventionistische Linke, Dissent), streitet jeglichen strukturellen Antisemitismus generell ab und macht diesen stattdessen zum Programm (antiimperialistische Bündnisse) oder sie teilt die Erkenntnisse, fühlt sich als Linksradikale aber verpflichtet, dem falschen Kapitalismusbegriff in der Bewegung die marxistisch-materialistische Kritik gegenüberzustellen und diese zu verbreiten.

Klingt irgendwie erst mal top, was also kann dagegen einzuwenden sein, wenn das ums Ganze Bündnis in die Antiglobalisierungsbewegung hinein wirken möchte und sich frontal deren Ansichten gegenüberstellen? Die Beteiligten haben sicherlich die richtige Motivation, doch vollziehen sie ebenso wie die sonstigen G8-Gegner den falschen Schluss, der Gipfel könne ein passender Anlass sein, um mit dem Kapitalismus mal so richtig abzurechnen und die Leute aus ihrer Lethargie aufzuwecken. Nicht nur das man sich ernsthaft fragt, was man denn dann da in der roten Zone will, wenn man diese erstürmt hat und eine solche Eventisierung darüber hinaus dem alltäglichen Widerstand bringen soll – es offenbart sich aktuell immer deutlicher ein weiteres essentielles Defizit der radikalen Linken: das fehlende Verständnis von den Mechanismen der Politik. So werden nicht nur die G8 zur Weltregierung, sondern auch die eigentlich emanzipatorische Kritik des ums ganze Bündnis verpufft wirkungslos im Rahmen dieser Mechanismen, weil man sich auf die Spielregeln der Politik eingelassen hat.

Neben diesem Defizit, auf das gleich näher eingegangen werden soll, sind die Gegenproteste auch kein Ort, an dem eine sachliche Kritik freudig aufgenommen wird, sie sind ganz im Gegenteil der Ort, an dem man sich gegenseitig in seinem regressiven Weltbild der personalisierten Kapitalismuskritik bestätigt. Es wird gemeinsam die Simulation des anders sein, die vermeintliche Überwindung des Kapitalismus für ein paar Tage gefeiert, um danach dann wieder in den Alltag zurückzukehren, dem man weiterhin hilflos gegenübersteht, weil der Protest eben nicht in eine tägliche Subversion umschlägt, sondern nur einen Festival- und Wohlfühlcharakter besitzt. Gleichzeitig hebt die Größe des Gegners die eigene Bedeutung, die Linke scheint wieder eine wie auch immer geartete Stärke zu haben. Es scheint den Beteiligten um dieses werkeln zu gehen, sich selber den Trugschluss glaubhaft zu machen, man sei handlungsfähig.

Weltregierung G8?

Bevor wir zu den Mechanismen der Politik kommen, lohnt es sich einen genaueren Blick auf die G8 zu werfen.

Seit 1975 treffen sich jährlich die G8 Staaten, zu Beginn noch als G6 und von der Weltöffentlichkeit wenig beachtet. In den Augen ihrer Kritiker ist sei ein "Knoten im Netzwerk globaler Hegenomie", eine "Schaltzentrale" in der „Sozialabbau, Überwachung und Krieg beschlossen werden", kurzum die „Weltregierung“ scheint sich zu treffen, die scheinbar tun und lassen kann was sie will.
Selbst Lenin mit seiner Theorie von den Nationalstaaten als bloße Handlanger der Monopolkapitalisten hätten sich wohl schreiend bei einem solchen Quatsch abgewandt.

Die G8 Staaten sind keineswegs eine von jeglicher demokratischer Legitimierung losgelöste Weltregierung (hier zeigt sich vielmehr eine fehlende Demokratie- und Parlamentarismuskritik der Globalisierungsgegner) und ihre Treffen sind kein Ausdruck der Stärke, sondern ein Zeichen der Schwäche. Ihre Gründung fällt in eine Zeit, in der die Nationalstaaten auf der Ebene der Wirtschaft zunehmend das Zepter aus der Hand geben mussten und internationale Finanz- und Handelsorganisationen auf die globale Bühne traten. Diesem realen Machtverlust versuchten die G6 durch ein gemeinsames Vorgehen entgegenzutreten, was man als Einzelne nicht mehr bewerkstelligen konnte, musste nun in mühsamen Verhandlungen gemeinsam angegangen werden. Dies gelang ihnen auch lange Zeit sehr gut, obwohl die G6 und auch jetzt die G8 weder in der Weltbank, noch im IWF die Mehrheit besitzen, wurden ihre Beschlüsse dort mehrheitlich umgesetzt. Auf ihr Konto geht auch die weltweite Durchsetzung der neoliberalen Ideologie, die Liberalisierung der Weltmärkte wurde von ihr mit, aber nicht ausschließlich, angetrieben.

Doch spätestens mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion spiegeln die G8 nicht mehr die reellen Gegebenheiten wieder, dafür reicht ein allein ein Blick auf die anwesenden Nationalstaaten. China, Indien, Brasilien und auch einige europäische Staaten wie Spanien, sind nicht vertreten. Dafür sitzt Russland mit im Boot, was nicht auf die wirtschaftliche Kraft zurückzuführen ist, sondern dem Interesse geschuldet ist, das internationale Wirtschaftssystem zu stabilisieren, gerade in Anbetracht der riesigen Energiereserven Russlands.

Parallel zum machtpolitischen Verlust der G8 stieg deren mediale Präsentation und die Inszenierung der Macht. Dabei werden die Themen des Gipfels vielfach von innenpolitischen Interessen der einzelnen Nationalstaaten geleitet und gerade die letzten Treffen offenbarten in erster Linie die Handlungsunfähigkeit der G8, in der WTO ist man nicht mehr handlungsfähig, den Dollarverfall vermag man nicht zu stoppen und auch innerhalb der G8 gibt es viel Zoff. Der IWF, im Verständnis der Antiglobalisierungsbewegung auch so ein Erfüllungsgehilfe der G8, verliert rapide an Kontrolle über den Trikont. Seine Hauptschuldner Argentinien und Brasilien haben deutlich schneller als erwartet diese getilgt. Indonesien, ein weiterer wichtiger Kreditnehmer, steht ebenfalls kurz von der Tilgung. Der IWF ist schlichtweg fast pleite, zumal China mit eigenen Krediten das IWF Kreditsystem unterminiert. Die Welt ist wohl doch etwas komplizierter, als so mancher nach Heiligendamm pilgernde Bewegte wahrhaben will.

Die internationale wirtschaftliche Verflechtung läuft eben quer zum Nationalstaat, die untereinander immer zwischen Konkurrenz und Kooperation pendeln, je nachdem was ihrer Interessenlage näher kommt. So funktionieren auch die anderen Institutionen wie Weltbank, IWF und auch die UNO. Die Behauptung im Sommer treffe sich die Weltregierung in Heiligendamm verfehlt also nicht nur das Verhältnis von Politik und Ökonomie, sondern kommt auch der Inszenierung der Macht gelegen, auch wenn die No-Globals doch gerade diese Macht stürzen wollen.

Es geht nicht nur darum, dass die G8 mittlerweile gelernt haben, mit den Protesten umzugehen und einzelne Forderungen der Protestierenden zu vereinnahmen, so wie die Entschuldung der 3.Welt beim letzten Gipfel in Schottland von Tony Blair auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Natürlich ohne irgendeine Konsequenz. Es geht um eine andere Art der Nutzbarmachung der Proteste, die auf der Ebene der Bilder und Begriffe stattfindet.
Die G8 inszenieren sich, wie gerade in aller Kürze aufgezeigt entgegen der Realität, als machtvollstes Bündnis, welches die Geschicke der Welt lenken kann. Die Antiglobalisierungsbewegung greift dies nicht nur auf, sondern macht es gleich zu ihrem Programm. Wer den G8 stürzen, ihn verhindern, behindern oder auf ihn einwirken kann, der vermag die Geschicke der Welt positiv zu beeinflussen. Der Einfluss, der den G8 bei allen Verlusten bleibt, ist der auf die internationale Politik, der nur noch zu einem geringen Teil aus ihrer wirtschaftlichen Macht resultiert. Zu einem großen Teil erhalten sie Legitimation erst aus dem Spektakel ihrer Machtinszenierung, zu der die Gegenproteste, die militanten Rituale, sowie die reformistischen NGOs unabdingbar dazugehören. Die Delegitimierung der G8 mag das Ziel sein, doch gerade über die Massenproteste können die G8 Staaten konkurrierenden Nationen und Bündnissen simulieren, man sei macht- und handlungsfähig.

Das Spektakel der Politik

Die radikale Linke und ihre reformistischen Teile besonders, haben kaum einen Begriff vom eigentlichen Wesen der Politik und betreiben deswegen seit Jahren munter Politik. Statt Politik zu machen, sollte sie aber Kritik üben. Vielfach stellt sich nun bereits hier das erste Missverständnis ein, die Forderung der Aufgabe der Politik wird gleichgesetzt mit der Einstellung jeglicher Aktionen und Kritik wird mit reiner Theorie und Flugblattschreiben gleichgesetzt, liebevoll auch gerne Sesselpupserei genannt. Dies meinen die Begriffe Politik und Kritik in diesem Zusammenhang aber nicht.

Kritik meint die Politik im Ganzen in Frage zu stellen, diese anzugreifen und abzuschaffen, in Theorie und Praxis. Wieso gehört die Politik abgeschafft?

"Das Wesenhafte der Politik ist, dass es sich dabei um ein System der Machteroberung, Machterhaltung und Machtausübung handelt, das immer wieder ökonomische und gesellschaftliche Herrschaft übersetzt und reproduziert." (Johannes Agnoli)

Gerne wird nun eingewandt, Agnoli habe mit seiner Kritik an der Politik ausschließlich auf das parlamentarische System und die dort tätige Linke abgezielt. Dies unterschlägt nicht nur, dass Agnoli durchaus auch über das Parlament hinausgehende Prinzipien und Mechanismen der Machterhaltung untersucht hat, sondern ist nichts weiter als eine schwache Ausrede. Schließlich betreiben auch große Teile der heutigen außerparlamentarischen Linken einwandfrei das Geschäft der Politik, ihr Agitations- und Propagandaraum ist dabei nur die Strasse/die Demo, statt den Parlamenten und Bierzelten. In Zeiten von NGOs, „linksradikaler“ antifaschistischer Realpolitik und Bürgerbewegungen ist am Blickwinkel Agnolis auf das parlamentarische System in der Bundesrepublik Ende der 60er Jahre nicht mehr festzuhalten. Seine Analysen sind auch auf die heutige nicht-parlamentarische Linke erkenntnisgewinnend anzuwenden.

Die Politik bietet also keinen Weg an, um das Bestehende zu überwinden, sie bietet nur Möglichkeiten, Probleme innerhalb dieses Systems zu lösen und zu befrieden. Trotzdem zielt die Linke fast ausschließlich auf ein Verändern-wollen der tagesaktuellen Politik, sie greift die bürgerliche Politik an und möchte dieser eine andere, eine bessere Politik gegenüberstellen, statt zur Abschaffung der Politik zu schreiten.

Neben der formalen Organisierung der objektiven Rahmenbedingungen der Kapitalreproduktion, Marx und Engels nannten dies die Funktion des Staates als "Ideeller Gesamtkapitalist", kommt dem demokratischen Staat die Aufgabe zu, die sozialen Spannungen zu verwalten und die Klassenzusammenstöße zu planen. Sein Mittel dazu ist die Politik in dessen Rahmen Konflikte nicht etwa unterdrückt werden, sondern sie werden in diesem ausgetragen. Solange alle Beteiligten im Rahmen der Politik verharren, garantiert selbst diese Austragung, so heftig sie auch sein mag, auf lange Sicht eine größtenteils störungsfreie Abwicklung und Beilegung dieser Konflikte, die immer konsequenzlos bleiben und niemals eine Option bieten, die über das System hinausweisen. Dies musste die radikale Linke bereits oftmals schmerzhaft feststellen, wenn ihre vermeintlich radikalen Forderungen zurechtgestutzt wurden und eine systemimmanente "Lösung" des Problems forciert wurde. So endete man entweder in der Sozialdemokratie/Attac/NGO oder zog sich frustriert zurück.

Das Geschäft der Politik zu betreiben, egal mit welchen Mitteln, bedeutet halt immer ein konstruktives Mitmachen. Sie stellt eine Ordnungsfunktion dar, die sich in den politischen Praktiken vermittelt und deren Aufgabe es ist, Ausbrüche und Ausbruchspotenziale die der kapitalistischen Ordnung gefährlich werden könnten, wieder einzufangen oder zumindest zu marginalisieren.

"Politik wird zur Fortsetzung und Bestätigung der Ökonomie, der Staat zur zusammenfassenden Form des wirtschaftlichen Zwangs. Im Produktionsprozess wird die Arbeitskraft gezwungen, ihre eigene schöpferische Energie abzusperren und sich restlos in den Dienst der Mehrwertschöpfung zu stellen. Gegen die Möglichkeit der Emanzipation aus diesem Zwang soll das politische System die ökonomischen und sozialen Forderungen der Klasse zur Verwechslung und Identifikation mit Repräsentanten der Herrschaft verleiten - zum Verzicht auf die eigene gesellschaftliche Schöpferkraft."(Johannes Agnoli)

Das Spektakel der Gipfelproteste

Was hat dann aber eine Massendemonstration mit diesem Spektakel der Politik zu tun? Besonders dann, wenn sie eben keine konkreten Forderungen stellt, sondern unverhandelbar den Sturz des Kapitalismus fordert?

Zuerst fällt dabei auf, dass die Leute die dies fordern nur eine verschwindende Minderheit sind und zudem, wie zu Beginn aufgezeigt, zumeist eine falsche Kapitalismuskritik artikulieren. Um den Charakter des Gipfelprotest-Spektakels zu fassen, sollte der Blick zuerst auf die breite Masse der Bewegung geworfen werden.

Der Instrumentalcharakter der Politik kommt erst zur Geltung, wenn er den Menschen unsichtbar bleibt. Sie müssen vom Gefühl der Untätigkeit und Ohnmacht befreit werden, obwohl längst auf den Staatsbürger zurechtgestutzt (das Staatsbürgerbewusstsein ersetzt das Klassenbewusstsein), dürfen sie nicht in bloßer Untertanenschaft verharren. Die Staatsbürger dürfen nicht nur alle paar Jahre in Form von Wahlzetteln ihre politische Meinung artikulieren, sondern sie können ihren Unmut auch durch Demonstrationen zum Ausdruck bringen. Wichtig ist dabei nur, dass diese im Rahmen der Politik bleiben, also verhandelbare Positionen aufweisen, konkrete Forderungen an die Stadt, den Staat, die G8 oder andere Institutionen richten. Man kann wohl ohne Zögern behaupten, die Antiglobalisierungsbewegung erfülle diese Kriterien einwandfrei, an konkreten Forderungen und Verbesserungsvorschlägen mangelt es ihr nicht. Selbst die Interventionistische Linke, in ihrem Selbstverständnis linksradikal, hat zu zahlreichen Themen konkrete Verbesserungsvorschläge zur Hand. Wer den Kapitalismus im gesamten als das Übel betrachtet, befindet sich in der Minderheit und da meist nicht in allzu sympathischer Gesellschaft.

Die G8 brauchen nun "nur" einzelne Positionen der reformistischen Mehrheit auf ihre eigene Tagesordnung setzen, ein paar NGOs zur Frage anhören und gut klingende Resolutionen verabschieden. So stellt sie einen gewissen Teil der Antiglobalisierungsbewegung zufrieden, die meist sowieso damit zufrieden wären, wenn gentechnisch verändertes Saatgut verboten würde und Medikamente gegen AIDS etwas günstiger wären. Noch viel wichtiger ist dabei aber die Wirkung, die sich dadurch auf die Breite der Bevölkerung entfaltet, die nicht auf die Straße geht, sondern das Ereignis im Fernsehen auf dem Balkon in Gelsenkirchen verfolgt. Die G8 simulieren eine Handlungsfähigkeit die sie kaum noch besitzen, sie gaukeln Veränderbarkeit vor, wo nur das Gesetz der Kapitalakkumulation gilt und sie erlangen über den scheinbaren Dialog mit ihren Kritikern eine erneuerte Legitimation. Solange die Antiglobalisierungsbewegung in der Mehrheit versucht sich bei den Mächtigen Gehör zu verschaffen oder dies im Auftrag anderen meint zu tun, solange wird jede noch so revolutionäre Forderung scheitern müssen.

Aber was ist mit dem linksradikalen, militanten Protest? Verweigert dieser nicht jeden Dialog? Kann ein Auftreten vor Ort nicht die Aufmerksamkeit auf eine antikapitalistische Bewegung lenken?

Man trifft sie in letzter Zeit wieder vermehrt an, diese irrige Annahme, man könne die dortige zentrierte Presseaufmerksamkeit in irgendeine Weise für sich nutzen. Eine detaillierte Widerrede ist dabei kaum der Mühe wert, natürlich stellen die Medien keine potentiellen Partner der Linken dar. Im Gegenteil benötigt der reformistische Flügel erst die Krawalle, die Unverhandelbarkeit der brennenden Barrikade, um sich selber in Abgrenzung dazu den Herrschenden anzubiedern. Die radikale Linke spielt hier also ebenso das Spiel der Politik mit, wie es der Rest der Antiglobalisierungsbewegung ebenso tut. Intendiert muss dies dafür nicht sein, auch das komplette Gegenteil kann ursprünglich angestrebt worden sein.

Auch kann sicherlich vor Ort die ein oder andere Person sogar mit so einer Kritik erreicht werden, nur stellt sich da für uns die Frage, warum man erst einen Schritt in die falsche Richtung machen soll, um dann zwei machen zu müssen, um wenigstens einen in die richtige zu gehen?
Wieso soll eine radikale Linke zu einem Event mobilisieren, das erst als Resultat einer falschen Kapitalismusanalyse bedeutend wird, um vor Ort dann zu verkünden, man hätte hier eigentlich auch gar nicht erst auftauchen müssen?

Mobilisierungen, seien sie auch noch so zahlreich, treten sie noch so laut und entschlossen auf, bleiben eben immer genau so lange kontrollierbar, wie sie im vorgegebenen Rahmen und den bestehenden Institutionen bleiben.

Die Revolution ist kein Zeitpunkt, kein festgelegtes Ereignis, zu dem man sich verabredet. Eine Umwälzung entsteht aus Gedanken - und letztendlich natürlich auch Handlungen, wie auch immer die aussehen mögen - die wiederum einem kritischen Bewusstsein entspringen. Dem Bewusstsein darum, dass man die Gesellschaft nicht mit den eigenen Mitteln abschaffen kann. Dabei steht am Anfang die - sicherlich bittere, aber genauso offensichtliche - Erkenntnis, dass ausnahmslos jeder diese Gesellschaft ein Stück mitträgt. Man kann sich diesem Gebilde nicht entziehen. Kritik deckt die vermeintlichen Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft auf. Kritik ist destruktiv, sie liefert keine konkreten Verbesserungsvorschläge. Vor allem aber lässt sie sich nicht auf das Spiel der Politik ein, sie appelliert nicht an den Staat oder seine Akteure, sie liefert keine konkreten Verbesserungsvorschläge und lässt sich so nicht auf das Spiel der Politik ein. Kritik begreift die Gesellschaft als Ganzes als das komplett Unwahre. Und die Gesellschaft kann nicht durch die Veränderungen von Teilgebieten verändert werden, sondern nur komplett. Ein Eingreifen in gesellschaftsimmanente Widersprüche bedeutet immer zugleich eine Reproduktion der Gesellschaft. Auch wenn konkrete soziale Verhältnisse verbessert werden - die Gesellschaft besteht weiter, und zwar im Großen und Ganzen so wie sie vorher war. Das heißt nicht, dass man soziale Missstände nicht verbessern soll - man muss sich dabei nur immer im Klaren darüber sein, dass es die Gesellschaft im Ganzen nicht verändert.

Am Anfang der Kritik steht also die Analyse des Bestehenden, ein Bewusstsein der Zustände. Um die Gesellschaft zu kritisieren ist der absolute Bruch mit der Politik nötig. Solange der Anspruch ist, "politisch zu sein", "Politik zu machen", bleibt die Kritik an der Oberfläche und ist somit keine. Dabei ist es wichtig, dass man keine Position einnimmt, die "über dem Ganzen" steht, eben weil man sich selbst dem Ganzen nicht entziehen kann. Der Weg zur Kritik ist also das sich mühevolle Herausschälen aus den Schichten der eigenen Denk- und Handelsweisen, um so genau jedem das vor Augen führen zu können. So wird Kritik selbst zum Mittel, das eine befreite Gesellschaft möglich werden lässt. Das Mittel zum Mittel wiederum, also das Mittel der Kritik ist die Agitation, im Gegensatz zur Propaganda, die agitatorische Konfrontation der Menschen mit der Unfreiheit der bürgerlichen Verhältnisse. Kritik ist nicht gleichzusetzen mit meckern. Die Kritik fasst das in Worte, was es abzuschaffen gilt.

Wir plädieren deshalb dafür, dem vielfach propagierten Praxisdiktat bei diesem "Großevent" zu widerstehen und an den Beginn einer viel zitierten gesellschaftlichen Veränderung das Primat des geistigen Begreifens zu setzen. Statt Politik zu machen oder auch ungewollt dessen Mechanismen zu produzieren und damit die gesellschaftlichen Verhältnisse zu produzieren, muss die radikale Linke eine Kritik der Politik formulieren – um letztendlich das abzuschaffen, was abgeschafft gehört. Statt sich alle paar Jahre auf Familientreffen in seinem stupiden Weltbild zu bestätigen und sich zum nächsten Abenteuerurlaub zu verabreden, gilt es eine tägliche Subversion voranzubringen. Sich auszumalen wie diese Aussehen kann, wäre für die Zukunft eine Aufgabe der radikalen Linken.

MAD Köln im Mai 2007

Der Part zur marxistischen Wertkritik basiert in Teilen auf dem Vorwort des "Why your revolution is no liberation" Readers.

http://www.mad-koeln.de/g8-referat.html