2006-02-10
- Aubonne Support Gruppe zum Prozess
- Russland in der G8: Vorsitz am Katzentisch
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Aubonne Support Gruppe zum Prozess
Im Mai 2003 blockierte eine AktivistInnengruppe die Autobahnbrücke Aubonne ("Aubonnebrücke") um einer G8 Delegation den Weg zum Gipfel in Evian zu versperren. Die Polizei durchtrennte das Kletterseil und tötete dabei beinahe zwei AktivistInnen. Nun müssen sich der Polizist, der das Seil kappte, und sein Vorgesetzter vor Gericht verantworten. Die Anklage lautet "fahrlässige Körperverletzung"...
Zu dem Prozeß der am 13. Februar stattfindet ist hier der Diskussionsbeitrag der Aubonne Support Gruppe.
Dieser Text wurde geschrieben, um einen Beitrag zu leisten zur internen Diskussion über Sinn und Unsinn von juristischem Vorgehen gegen Polizeibrutalität.
Text der Aubonne Support Gruppe zum Prozess gegen die Polizei im Fall Aubonne
Im Mai 2003 blockierte eine AktivistInnengruppe die Autobahnbrücke Aubonne ("Aubonnebrücke") um einer G8 Delegation den Weg zum Gipfel in Evian zu versperren. Die Polizei durchtrennte das Kletterseil und tötete dabei beinahe zwei AktivistInnen. Nun müssen sich der Polizist, der das Seil kappte, und sein Vorgesetzter vor Gericht verantworten. Die Anklage lautet "fahrlässige Körperverletzung"...
Zu dem Prozeß der am 13. Februar stattfindet ist hier der Diskussionsbeitrag der Aubonne Support Gruppe.
Dieser Text wurde geschrieben, um einen Beitrag zu leisten zur internen Diskussion über Sinn und Unsinn von juristischem Vorgehen gegen Polizeibrutalität.
Text der Aubonne Support Gruppe zum Prozess gegen die Polizei im Fall Aubonne
www.aubonnebridge.net
...Wir glauben nicht an euren Rechtsstaat und wir glauben nicht an euer Justizsystem.
Wir spielen dieses Theaterstück mit, um euch eure Repression nicht so leicht zu machen.
Ihr sollt es nicht so einfach haben, Gras über die Sache wachsen zu lassen...
Jeder Prozess ist ein Theaterstück, in dem im Namen eines Volkes, das in dieser Form überhaupt nicht existiert, "Recht" gesprochen wird. Was Recht und Unrecht ist und wie dies in verschiedenen Situationen ausgelegt wird, liegt im Ermessen der Herrschenden.
Sinn und Zweck der Veranstaltung ist es, ihre Hegemonie und den Status Quo der sozialen und ökologischen Ungerechtigkeit zu bewahren.
Der Knast ist der Schlüssel der staatlichen Repression. Ohne das Mittel Knast, das heißt, ohne die Möglichkeit abzuschrecken, zu bestrafen und die Leute schlichtweg aus dem Verkehr zu ziehen, kann kein Staat (und kein Kapitalismus) bestehen.
Das Anstrengen eines Prozesses gegen die Polizei steht im Widerspruch zur Ablehnung des Staates und seiner Repressionsorgane. Wie können wir sagen, Gerechtigkeit wird nie von Staatsseite kommen und gleichzeitig einfordern, dass das polizeiliche Vorgehen auf der Brücke juristische Konsequenzen hat?
Wir erwarten keine Gerechtigkeit von diesem und von keinem Gericht.
Wir glauben nicht an ihre Gesetze, ihre Strafen, ihre Knäste.
Warum also ein Recht einklagen, das uns nichts bedeutet?
Der Widerspruch bereitet uns Kopfzerbrechen, klar. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass das Anstrengen eines Prozesses gegen die Polizei ein reformistischer Ansatz ist.
Helfen wir ihnen nicht eher, wenn von Hunderten von Fällen staatlicher Misshandlung, die unter den Teppich gekehrt werden, einer vor Gericht kommt, um den Schein staatlicher Gerechtigkeit zu wahren?
Wir möchten hier in fünf Punkten kurz erläutern, weshalb wir es trotzdem tun und für sinnvoll erachten:
Sand im Getriebe sein
Wir erwarten nichts von diesem Gerichtsverfahren, auch wenn wir bereit sind, ihre Waffen gegen sie zu verwenden. Wir möchten den Herrschenden Kopfschmerzen bereiten. Wir wollen es ihnen und ihrer Repression nicht zu einfach machen. Die schönste Möglichkeit, die Repression zu bekämpfen, wäre sicher die sofortige Selbstverwaltung in allen Bereichen, aber bis wir soweit sind, halten wir es neben anderen Ansätzen auch für sinnvoll, Mittel zu nutzen, die eigentlich ihrem System entspringen - Öffentlichkeit sowie persönliches Ansehen und Karriere. Die Öffentlichkeit, die wir herstellen, ist für sie ein Problem.
Bilder in Wanken bringen
Der Staat ist immer darauf bedacht, vor dem Bürgertum seinen demokratischen Schein zu wahren. Der Aubonne-Fall ist für die Politik und die Öffentlichkeit ein "Skandal". Nichts mehr und nichts weniger. Er wurde zu einem Skandal aufgrund offensiver Öffentlichkeits- und Medienarbeit, ohne die er sofort unter den Teppich gekehrt worden wäre. Ein Skandal ist immer eine "Ausnahme", - aber wenn sich Skandale häufen, können Bilder von Recht und Ordnung (z.B. der Polizei als deinem "Freund und Helfer") ins Wanken geraten. Der Glaube an den Rechtsstaat ist irgendwann nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Blanko-Scheck einschränken
Des Weiteren halten wir es für positiv, wenn sich Polizisten und Polizei über mögliche Konsequenzen ihres Handelns Gedanken machen müssen. Sie haben es nicht gern, wenn ihre Brutalität öffentlich gemacht wird. Dies ist aber meistens nur möglich im Zusammenhang mit einer Anzeige (auch wenn es nur in Ausnahmen zu Gerichtsverfahren kommt und sie mit ihren Lügen meistens eh durchkommen). Wenn "Ordnungskräfte" sehen, dass eine Anzeige von AktivistInnen auch mal zur Anklage und ihre Brutalität zum Tagesgespräch werden können, greift dies ihr Gefühl an, freie Hand mit vollständiger Immunität zu haben und schränkt so ihren Blanko-Scheck ein.
Gegen das Vergessen
Wir halten es für wichtig, die öffentliche Berichterstattung nicht der Polizei zu überlassen, sondern dafür zu sorgen, dass die wirklichen Vorgänge bekannt und nicht vergessen werden. In vielen Fällen ist dies ausserhalb politischer Bewegungen durch die Zensur der Medien unmöglich. In diesem Fall ist es möglich, und daher wollen wir es nutzen.
In eigener Sache...
Zu guter Letzt spielen natürlich auch persönliche Gründe eine Rolle, die wir durchaus als legitim erachten. Eine ganze Reihe von AktivistInnen hat aufgrund der Aubonne-Geschichte eine Menge durchgemacht und es ist einfach eine persönlicher Genugtuung, wenigstens zwei von der Polizei im Kreuzverhör schwitzen zu sehen.
Zudem könnte es dazu kommen, dass vom Schweizer Staat aus Schadensgeld gezahlt werden müsste, - worauf wir uns kaum Hoffnungen machen, denn bis jetzt ist noch nie etwas gezahlt worden -, aber sollte es dazu kommen, wäre es auf jeden Fall schön, dafür nie wieder rennen oder klettern zu können, wenigstens ein paar Groschen zu sehen.
Soweit unsere Beweggründe. Klar fühlen wir uns schizophren dabei, neben dem Staatsanwalt zu sitzen und ihr "Recht" einzuklagen. Trotzdem halten wir es für richtig und wichtig, in diesem Fall temporär diese Schiene zu fahren, auch wenn wir nicht an dieses System glauben.
Ob es Sinn macht oder nicht, Anzeige gegen die Polizei zu erstatten, darauf gibt es wohl keine allgemeingültige Aussage. Diese Entscheidung muss immer abhängig vom Einzelfall gemacht werden und abhängig von den betroffenen Personen. Sicher ist, dass diese Schiene nie die einzige sein darf, sondern dass Solidarität und Druck von der Strasse unsere Hauptaktionsfelder sind.
Wen die Rechtsseite des Falls Aubonne interessiert, kann sich gern die Zusammenfassung auf dem Internet durchlesen; wir halten diese Details, die eigentlich nur von der wirklichen Problematik ablenken, eher für nebensächlich.
Widerstand wird immer Repression bedeuten.
Unsere Waffe ist unsere Solidarität und unser Antrieb das Verlangen nach Freiheit.
Aubonne Support Gruppe
Homepage:: http://www.aubonnebridge.net |
[indymedia.de, von Support - 10.02.2006 00:49]
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Russland in der G8: Vorsitz am Katzentisch
Russland mag den G8-Vorsitz innehaben - ein vollwertiges Mitglied des exklusiven Klubs ist es deswegen aber noch lange nicht. Am Finanzministertreffen nimmt das Land nur ausnahmsweise teil.
Bevor sich die Finanzminister der G8 am Freitag (10.2.2006) in Moskau treffen, fand eine Zusammenkunft im kleineren Kreis statt: In London versammelten sich nach Informationen der Financial Times Deutschland die Finanzstaatsekretäre der sieben führenden Industrienationen - der russische Amtskollege war nicht eingeladen. Denn obwohl die Erweiterung der G7 zur G8 ursprünglich in diesem Jahr abgeschlossen werden sollte, ist Russland auf der Ebene der Finanzminister noch nicht eingebunden, weil die USA und Großbritannien Vorbehalte haben.
Harsche Kritik
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz übten amerikanische Redner harsche Kritik an der russischen Regierung. "Ich denke manchmal, dass Russlands Weltsicht aus dem 19. Jahrhundert stammt", sagte der stellvertretende Außenminister Robert Zoellick. Damals hätten starke Staaten ihre Nachbarn dominieren wollen. Der US-Senator John McCain erklärte gar: "Unter Herrn Putin ist Russland heute weder eine Demokratie noch eine der führenden Volkswirtschaften und ich stelle ernsthaft infrage, ob die G8-Führer an dem Gipfel in St. Petersburg teilnehmen sollen."
Der Gipfel im Sommer soll bei dem Finanzministertreffen am Wochenende vorbereitet werden, weswegen auch der russische Minister Alexej Kudrin dabei sein wird. Anders als bei früheren Finanzministertreffen bleiben die Zentralbankchefs zuhause. Ein solcher Austausch fand bereits im Dezember statt - bevor Russland den G8-Vorsitz übernahm.
Leichtgewicht Rubel
"Die wichtigen Dinge werden nach wie vor in der In-Group der G7 diskutiert", sagt Wolfgang Schrettl, Ökonom am Osteuropa-Insitut der Freien Universität Berlin. Während einer Übergangsperiode habe sich Russland damit abgefunden, doch dauerhaft sei dies nicht durchzuhalten, ohne dass es zu Konflikten komme. "Russland könnte sich weniger kooperativ zeigen, als bisher", sagt Schrettl. Mit dem Einschwenken auf die westliche Linie im Atomstreit mit Iran sei Russland "in Vorleistung gegangen" und erwarte nun eine Belohnung. Eine Eintrittskarte zu den Finanzministertreffen könne die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation sein, doch derzeit sei nicht absehbar, wann Russland WTO-Mitglied wird.
Eine wichtige Funktion der Zusammenarbeit zwischen den G7-Finanzministern sei es, Verwerfungen im Weltwährungssystem wie die Asienkrise von 1997 zu verhindern oder zumindest gemeinsam darauf zu reagieren, erklärt Schrettl. "Das Weltwährungssystem hängt aber an den drei Fixsternen Euro, Dollar und Yen - ein Leichtgewicht wie der Rubel hat da nichts zu suchen."
Geldpolitische Themen werden bei dem Treffen am Wochenende allenfalls am Rande eine Rolle spielen. Vor allem wollen die Finanzminister über Energiesicherheit, ansteckende Krankheiten und Bildung diskutieren, denn diese drei Themen stellt Russland auf dem Gipfel im Sommer in den Mittelpunkt. Der Financial Times zufolge sorgte es in G7-Kreisen für "Verwunderung", dass Moskau ausgerechnet die Energiesicherheit zum Kernpunkt machte - denn es sei erst der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine gewesen, der das Thema im Westen auf die Tagesordnung gehoben habe. Auch der zunehmend autoritäre innenpolitische Kurs und die Enteignung des privaten Ölkonzerns Yukos sorgen für Vorbehalte.
Die G8-Mitgliegschaft sei primär eine Anerkennung Russlands als Regionalmacht, die sich in den vergangenen fünf Jahren kooperativ gegenüber den USA verhalten habe, sagt Roland Götz von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Mit der wirtschaftlichen Bedeutung habe dies nichts zu tun, auch wenn die verbreitete Gleichsetzung der russischen Volkswirtschaft mit der niederländischen in die Irre führe. Denn wenn man die Kaufkraft berücksichtige, entspreche Russlands Wirtschaftsleistung der von Italien oder Brasilien. "Als Energiemacht wird Russland überschätzt", sagt Götz. "Es wird seine Energieproduktion zwar halten, aber nicht steigern können." Unter den Erdöl produzierenden Staaten nehme Russland lediglich den siebten Platz ein und die riesigen Erdgasvorkommen seien für die Weltwirtschaft weit weniger wichtig. Doch darum sei es bei der Einbindung Russlands nicht gegangen: "Man würde sich durch einen Ausschluss Russlands einfach mehr schaden als nützen."
[Deutsche Welle 10.2.2006, http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,1897874,00.html]