2007-06-05 

Financial Times Deutschland: Kanzleramt fürchtet Imageverlust

von Peter Ehrlich, Ulrike Sosalla (Berlin) und Andrea Rungg (Rostock)
Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) hat Länder und Polizeiverbände zu einem Ende der Diskussion über das Sicherheitskonzept des G8-Gipfels aufgefordert. “Ich halte es für ganz falsch, Kritik an der einen oder anderen Seite in dieser Woche öffentlich zu äußern”, sagte er im FTD-Interview.

“Eine sicherheitspolitische Bewertung während des laufenden Einsatzes nützt nur denen, die dem wehrhaften Rechtsstaat schaden wollen”, sagte de Maizière. Die Äußerungen des Vertrauten von Bundeskanzlerin Angela Merkel belegen, mit welcher Schärfe der Streit über die richtige Polizeistrategie geführt wird. Inzwischen überschattet die angespannte Sicherheitslage den eigentlichen Inhalt des am Mittwoch beginnenden Weltwirtschaftsgipfels im Ostseebad Heiligendamm. Nach den Straßenschlachten vom Samstag in Rostock mit mehr als 1000 Verletzten hatten mehrere Länderinnenminister die Bundesregierung offen kritisiert; die Polizei forderte einen Wechsel der abwartenden Strategie.

“Unter den Kollegen gibt es starke Kritik”, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg. Bei dem Einsatz am Samstag seien Krawallmacher aus dem sogenannten Schwarzen Block nicht gezielt von der Polizei begleitet worden. Es müsse möglich sein, robuster agieren zu können. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) betonte jedoch, an der Strategie der Deeskalation festhalten zu wollen.

De Maizière zeigte sich besorgt über die Auswirkungen der Krawalle auf das Deutschlandbild im Ausland. “Natürlich schaden die Ausschreitungen dem jeweiligen Veranstalterland. Sie haben auch in Italien 2001 und in Schottland 2005 geschadet”, sagte er.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verschärfte am Montag die Kritik an der Bundesregierung. Sie hatte die Wiederaufnahme von Grenzkontrollen initiiert, um die Einreise gewaltbereiter Ausländer zu unterbinden. Angesichts des ausbleibenden Erfolgs sei dies eine “völlig sinnlose Maßnahme” gewesen, sagte Körting, der auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist.

Auch Ausländer unter den Randalierern

Das Bundesinnenministerium widersprach der Darstellung. Nach Polizeiangaben waren im harten Kern der Autonomen vom Samstag allerdings auch viele Ausländer. Fünf der neun noch immer in Haft befindlichen Randalierer kamen aus dem europäischen Ausland.

Wegen der angespannten Lage unterbreitete die Anti-Gipfel-Kampagne Block 8, die ab Mittwoch die Zufahrtswege nach Heiligendamm und zum Flughafen Rostock-Laage blockieren will, der Einsatzleitung der Polizei ein Gesprächsangebot. Am Montag kam es in Rostock zu leichten Auseinandersetzungen. Eine Demonstration von rund 10.000 Globalisierungsgegnern wurde am Abend von der Polizei aufgelöst. “Bei der aufgeheizten Stimmung hängt alles am seidenen Faden. Wir sind überhaupt nicht beruhigt”, sagte Manfred Stenner, einer der Cheforganistoren des G8-Protests.

Aus der FTD vom 05.06.2007
© 2007 Financial Times Deutschland

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