2007-06-05
Nach den schweren Krawallen in Rostock fordern SPD-Abgeordnete den Einsatz von Gummigeschossen gegen gewalttätige Demonstranten. Die Union geht noch einen Schritt weiter und will die Anti-Terror-Einheit GSG 9 auf den Plan rufen. Polizeigewerkschaft und Einsatzleitung sind derweil uneins über die künftige Strategie.
"Es sollte geprüft werden, ob wir bundesweit den Einsatz von Gummigeschossen zum Selbstschutz der Polizisten in besonderen Gefahrensituationen erlauben", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), am Dienstag der "Bild"-Zeitung. Damit reagierte Edathy auf Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), die Beamten mit wirksamen Distanzwaffen auszurüsten Da Hunderte von Beamten verletzt worden sind, halte ich solche Forderungen für plausibel. Entscheiden muss das dann aber die Einsatzleitung der Polizei vor Ort", sagte der SPD-Innenpolitiker.
Aus den Reihen von CDU und CSU brachten Politiker zudem den Einsatz der GSG 9 gegen Gewalttäter ins Gespräch. Der innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Stephan Mayer, sagte dem Blatt: "Es reicht! Die GSG 9 muss sich aus dem schwarzen Block gezielt die Gewalttäter greifen."
Der Rechtsstaat dürfe sich nicht von Chaoten vorführen lassen. Ähnlich äußerte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Ole Schröder: "Das Gesetz sieht ausdrücklich den Einsatz der GSG 9 bei schwerster Gewaltkriminalität vor." Da einige Randalierer in Rostock auch den Tod von Polizeibeamten in Kauf genommen hätten, sollte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble "im Wege der Amtshilfe den Einsatz der GSG 9 anbieten".
"Deeskalation hat versagt"
Nach den Ausschreitungen rügte DPolG-Chef Wolfgang Speck die Deeskalationsstrategie der Polizei in Rostock. "Was bei der WM noch geklappt hat - die Deeskalation der Situation durch wenig Polizeipräsenz und den gezielten Rückzug der Kollegen -, hat am Wochenende versagt", sagte Speck der Tageszeitung "Die Welt". Die Polizei habe aus den Fehlern vom Wochenende gelernt und werde ihre Strategie jetzt ändern. "Die Polizei vor Ort wird jetzt mit Sicherheit mehr Präsenz zeigen und auch näher am Geschehen sein, um rechtzeitig reagieren zu können", sagte dagegen Speck. Falls es zu weiteren Ausschreitungen komme, werde der "Schwarze Block", der als Sammelbecken radikaler Linker gilt, gezielt getrennt und isoliert. Bei einer Zunahme der Gewalt schließe er auch den Gebrauch der Schusswaffe nicht aus. "Wenn ein Kollege in Lebensgefahr gerät, kann es zu einer solchen Situation kommen." Dagegen teilte die Polizeidirektion in Rostock am Dienstagmorgen mit, sie wolle weiterhin am Prinzip der Deeskalation festhalten und plane keinen Strategiewechsel.
Bei Rangeleien am Rande von Demonstrationen waren am Montag in Rostock 50 Polizisten leicht verletzt worden. Wie die Polizei mitteilte, mussten 15 Beamte wegen Haut- und Augenreizungen in Krankenhäusern behandelt werden. Ursache sei eine von gewalttätigen Demonstranten gezündete Rauchbombe, hieß es. Während der Protestaktionen am Montag hatte die Polizei insgesamt 66 Menschen vorläufig in Gewahrsam genommen, sagte ein Sprecher. Zwei Tage nach den blutigen Ausschreitungen bei den Anti-G8-Protesten hatten Tausende Menschen unter massiver Polizeipräsenz weitgehend friedlich demonstriert. Am Samstag waren bei den Krawallen rund 1000 Menschen verletzt worden, darunter 433 Polizisten.
Bush trifft zum G8-Gipfel ein
US-Präsident George W. Bush trifft am Dienstagabend als erster der sieben ausländischen Staats- und Regierungschefs zum G8-Gipfel in Heiligendamm am Flughafen Rostock-Laage ein. Nachdem das Greifswalder Oberverwaltungsgericht am Montag eine Kundgebung in Laage unter Auflagen genehmigt hatte, wird Bush nun möglicherweise doch etwas von den Protesten gegen den G8- Gipfel in der Region mitbekommen. Maximal 50 Teilnehmer dürfen laut Gericht gegenüber der Einfahrt des Fliegerhorstes demonstrieren.