2006-03-01
Linksextremismus
Hamburger G8-Gegner veröffentlichen Positionspapier
Eine linksextremistische Gruppe "Hamburger Anti-G8-Bündnis" verbreitet in Hamburg ein Flugblatt, das dafür plädiert, "den G8 2007 anzugreifen, zu stören und zu verhindern" und das Gründe nennt, warum gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) protestiert werden sollte.
In dem Papier stellt sich die Gruppe als "Bündnis von Einzelpersonen und Gruppen aus linken Zusammenhängen in Hamburg und Umgebung" vor. Das "Hamburger Anti-G8-Bündnis" will als Basis für "eine tragfähige und offene Struktur in Hamburg und darüber hinaus" fungieren und sieht sich als "Teil eines bundesweiten Netzwerkes, das sich unter den 'pga-eckpunkten'" zusammengefunden hat. Diese "PGA-Eckpunkte" des anarcho-sozialrevolutionären Netzwerkes "Peoples Global Action" beinhalten folgende Grundsätze:
1. Eine klare Ablehnung von Kapitalismus, Imperialismus und Feudalismus; und aller Handelsabkommen, Institutionen und Regierungen, die zerstörerische Globalisierung vorantreiben.
2. Wir lehnen alle Formen und Systeme von Herrschaft und Diskriminierung ab, einschließlich aber nicht beschränkt auf Patriarchat; Rassismus und religiösen Fundamentalismus aller Art. Wir anerkennen die vollständige Würde aller Menschen.
3. Eine konfrontative Haltung, da wir nicht glauben, dass Lobbyarbeit einen nennenswerten Einfluss haben kann auf undemokratische Organisationen, die maßgeblich vom transnationalen Kapital beeinflusst sind; dies beinhaltet:
4. Einen Aufruf zu direkten Aktionen und zivilem Ungehorsam, Unterstützung für die Kämpfe sozialer Bewegungen, die Respekt für das Leben und die Rechte der unterdrückten Menschen maximieren, wie auch den Aufbau von lokalen Alternativen zum Kapitalismus und
5. Eine Organisationsphilosophie, die auf Dezentralisierung und Autonomie aufgebaut ist.
Das Positionspapier schließt mit dem Zitat "Wir erhoffen uns nichts von dem System, dass die G8 vertreten, außer den Untergang an seinen eigenen Widersprüchen." (Schreibweise wie im Original)
Vorbild des "Hamburger Anti-G8-Bündnis" ist das von britischen Globalisierungskritikern anlässlich des G8-Treffens in Gleneagles/Schottland im Juli 2005 initiierte militante "Dissent!"-Netzwerk, als dessen deutscher Ableger es sich versteht.
Die sich zurzeit formierenden G8-Gegner sind sich noch uneins über Art, Inhalte und Ausmaß ihrer Zusammenarbeit. Die von Linksextremisten dominierten beiden Flügel der globalisierungskritischen Organisationen, die sog. Interventionistische Linke (IL) und die "Dissent!"-Bewegung, haben unterschiedliche Vorstellungen vom Charakter und von der Intensität der geplanten Widerstandsformen und des Spektrums, mit dem sie jeweils gegen den G8-Gipfel 2007 antreten wollen.
Die IL, die sich aktuell mit der ersten Ausgabe einer eigenen Zeitung "G8Xtra Nr. 01 Frühjahr 06" (Redaktion in Hamburg) zu Wort meldete, möchte über den linksextremistischen Rahmen hinaus "quer durchs außerparlamentarische Spektrum der örtlichen Gruppen und Initiativen bis rein in die Linkspartei und die großen Verbände, Ost und West, Funktionäre und Basisaktivistlnnen, Gewaltfreie und Militante" zusammenbringen und so einen "Zusammenhang von Vielen" erreichen.
Die Protagonisten der "Dissent!"-Bewegung sehen die Zusammenarbeit mit der IL kritisch. Sie können sich nicht vorstellen, gemeinsam mit Gewerkschafts- oder kirchlichen Gruppen aufzutreten und sehen sich dadurch gehindert, ihre an den "PGA-Eckpunkten" festgemachten Ziele zu verwirklichen. Ihnen geht es um eine praktische Auseinandersetzung mit dem Gipfeltreffen, die die üblichen autonomen Aktions- und Widerstandsformen bis hin zu Anschlägen umfasst. Sie wollen sich nicht reglementieren und disziplinieren lassen.
Bei zwei überregionalen Treffen der Globalisierungskritiker in Hamburg (Oktober 2005) und Berlin (Januar 2006) wurde keine Übereinstimmung über eine Form der Zusammenarbeit erzielt.
Militante G8-Gegner haben seit Sommer 2005 bis heute sechs Brandanschläge (drei in Hamburg und einer im Hamburger Umland, zwei in Berlin) verübt. Die Tatbekennungen stehen auch in einem Begründungszusammenhang mit "G8". Angesichts der bisherigen Aktivitäten muss mit der Fortsetzung einer "breiten, auch militanten Kampagne" gerechnet werden. Die Anwesenheit der wichtigsten Regierungschefs der Welt in Heiligendamm und die große Medienpräsenz wird auch für Hamburger Linksextremisten ein Ziel ersten Ranges für öffentlichkeitswirksame Proteste bieten.
Globalisierungskritische Gruppen gehen in einer realistischen Einschätzung davon aus, dass sie 2007 kaum die Möglichkeiten haben werden, den Tagungsort Heiligendamm zu erreichen. Deshalb gibt es erste Diskussionen, einen Teil des demonstrativen Geschehens in die "nahen" Großstädte Hamburg oder Berlin zu verlagern.
Stand: 06.März 2006
http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/inneres/landesamt-fuer-verfassungsschutz/aktuelles/hh-g8-gegner-positionspapier-artikel.html