2007-06-03
Er war mittendrin, als die Steine flogen, Tränengas setzte ihn kurzzeitig außer Gefecht. Im stern.de-Interview berichtet Monty Schädel, Organisator der Rostocker Großdemonstration, was er von den Steinewerfern hält, wie er den Einsatz der Polizei sieht - und welches Signal von Rostock ausgeht.
Herr Schädel, auf wen haben sie eine größere Wut: Auf die Polizei oder auf die Autonomen?
Ich würde nicht von den Autonomen sprechen. Die sind nicht mit Gewalttätern gleichzusetzen. Ich würde mich auf die blödsinnigen Gewalttäter beziehen, die sich erstens nicht an unseren Konsens gehalten haben und zweitens damit die ganze Regie, die wir in eineinhalb Jahren vorbereitet haben, auf den Kopf gestellt haben. Mit vielen so genannten Autonomen habe ich jedoch gemeinsam in den Reihen zwischen der Polizei und den Steinewerfern gestanden, ohne dass diese selbst gewalttätig geworden wären. Es sind einfach ein paar blödsinnige Idioten dabei gewesen.
Wie haben Sie die Situation erlebt, in der die Auseinandersetzung eskaliert ist, als der Demonstrationszug mit dem “Schwarzen Block” auf das Gelände des Rostocker Stadthafens einbog?
Ich war der Einweiser für die Demonstrationszüge auf den Stadthafen. Rein zufällig war ich dort, als die Polizei von hinten in den Block der “Interventionistischen Linken” reingestoßen ist. In dem Moment konnte ich die Ursache überhaupt nicht erkennen. Ich sah nur: Die Polizei geht aus einem nicht nachvollziehbaren Grund hier rein. In der nächsten halben Stunde hat sich dann für mich auch geklärt, weshalb die Polizei dort zugegriffen hat.
Die Polizei ist angegriffen worden. Verstehen Sie die Reaktion?
Sowohl als auch. In der Situation war das eine Reaktion der Polizei. Mehrere Kollegen der Polizei sind verletzt worden.
Welches Signal geht von der Rostocker Demo aus?
Es ist die Frage, was die Medien transportieren. Wir haben eine große Veranstaltung gemacht. Viele tausend Menschen sind gekommen, die ganz klar gesagt haben, dass sie die G8 nicht haben wollen - in unterschiedlichen inhaltlichen Bereichen. Andererseits gab es natürlich eine kleine Gruppe, die das nicht so sieht wie wir und die den Konsens nicht mittragen will. Ich hoffe nicht, dass das symptomatisch ist für den Rest der Protesttage rund um Heiligendamm und dass wir weiter solche Auseinandersetzungen haben werden.
Zeigen die gestrigen Krawalle nicht, dass die friedlichen Demonstranten sich stärker von den Autonomen und den gewaltbereiten so genannten Demonstranten abgrenzen müssen?
Von den Autonomen per se würde ich mich auch jetzt nicht abgrenzen. Ich würde mich von Gewalttätern abgrenzen. Diejenigen, die hier Polizisten angegriffen haben, haben in keinster Weise meine Sympathie. Das ist in keinster Weise das, was wir hier vorbereitet haben oder wollten.
Ist jetzt nicht endgültig Schluss mit der Mär, dass man auch gewaltbereite Gruppen einhegen kann?
Nein. Ganz deutlich: Nein. Die “Interventionistische Linke” als eine der Gruppen, denen man immer wieder Gewalttaten unterstellt hat, war eben nicht bei den Steinewerfern. Wenn wir uns nicht gemeinsam darauf verständigen wollen, Menschen mit einzubinden, Menschen davon zu überzeugen, dass es andere Wege gibt, dann können wir es eigentlich gleich bleiben lassen. Entweder wir versuchen es immer wieder aufs Neue - auch jetzt wieder, oder wir lassen der Gewalt freien Lauf. Das will ich nicht.
Sie haben diese Demonstration nun über eineinhalb Jahre mühsam vorbereitet. Haben die Randale sie um den Lohn Ihrer Arbeit gebracht?
Wir wollten, dass von Rostock diesmal andere Bilder ausgehen als jene Bilder, die die Pogrome von 1992 hervorbrachten. [Damals kam es im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen tagelang zu ausländerfeindlichen Übergriffen Rechtsextremer auf die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber. Bei den Krawallen wurden über 200 Polizisten verletzt, Anm. d. Red]. Dieses Ziel haben wir verfehlt. Das haben wir nicht geschafft. Das wurde uns von einigen kaputt gemacht.
Interview: Florian Güßgen
Zur Person
Monty Schädel, Jahrgang 1968, hat die Anti-G8-Demonstration am Samstag in Rostock organisiert. Er ist auch Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft. Der gelernte Erzieher war von 1998 bis 2002 für die PDS Mitglied des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern.
Artikel vom 03. Juni 2007
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