2007-06-03
Immer und immer wieder heißt es in diesem Land, Protest ja, aber friedlich. Damit bildet sich eine große Einheit aus Angela Merkel, Attac bis zu den Gewerkschaften einschließlich der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Es bildet sich dann stets das selbe Bild, friedliche, bunte Protestzüge ziehen durch die Straßen, mal hart von der Polizei angegriffen, mal lediglich begleitet, großer Druck wird hierdurch jedoch meist nicht erreicht, jedenfalls nicht, wenn man alle friedlichen Proteste isoliert von jeglicher Militanz betrachtet.
Doch nun etwas zu den gestrigen Geschehnissen in Rostock. Vorab die Bemerkung, dass dies nur ein subjektiver Bericht sein kann, Ergänzungen und inhaltliche Fehler sind daher bitte in den Ergänzungen hinzuzufügen.
Alles begann mit einer breiten und vielfältigen Anreise gen Rostock, die Züge waren weitestgehend überfüllt, die Polizei stieg zwar ab und zu in diese ein, verhielt sich hierbei aber passiv. Alles in allem gab es keine Probleme bei der Anreise, in Rostock zeigte sich dann zwar eniges an Grün und Schwarz (Polizei) aber auch diese verhielten sich zurückhaltend. Auf dem Platz der Auftaktkundgebung konnte man ein buntes und vielfältiges Protestpotenzial sehen, dabei reichten die Forderungen von einer Kritik am „Raubtierkapitalismus“ („Modernisierung ja – Raubtierkapitalismus nein“) über das Befürworten von sozialdemokratischen Sozialstaatsromantik und sozialistischen Altideen bis hin zu emanzipatorischen Ansätzen und einer radikalen Kapitalismuskritik. Letztere bildeten einen sehr großen, so genannten „schwarzen Block“, hierbei fiel auf, dass viele TeilnehmerInnen vermummt waren, des weiteren gab es Dutzende miteinander verknotete Seitentransparente, Fahnen und mehrere Lautsprecherwagen. Auf dem LKW der Interventionistischen Linken (IL) gab es kurz vor Beginn der Demonstration Grußbotschaften aus vielen Ländern. Alleine der anarchistisch und kommunistisch geprägte schwarze Block war so groß, dass man kaum sein Ende sah. Die große Menge an Demonstranten dahinter ließ erahnen, dass auf diesem Teil der Gesamtdemonstration (Zug 1 der Internationalen Demonstration, Treffpunkt „Platz der Freundschaft“) bereits Zehntausende Menschen waren. Nach einiger Wartezeit ging es dann endlich los, der schwarze Block lief überwiegend in Ketten, unter Sprechchören wie „A – Anti- Anticapitalista“ und „No Justice No Peace Fght the Police“ zog der Zug durch die Straßen. Auffallend war die geringe Polizeipräsenz im direkten Umfeld der Demo, die ersten Beamten sah man auf einer Bahnbrücke, Leuchtspurmunition flog in deren Richtung. Später tauchten plötzliche mehrere behelmte und gefährlich aussehende Beamte der brutalen USK Spezialeinheit auf, diese konnten jedoch unter Stein- und Flaschenwürfen vertrieben werden. Dabei ist anzumerken, dass alleine das Auftauchen des USK in Kampfuniform eine Provokation darstellte. Im weiteren Verlauf flogen Farbbeutel und weitere Gegenstände gegen Polizeifahrzeuge und Beamte, welche immer wieder die Ränder der Demo zierten. In der Innenstadt wurden die Schaufenster einer Rostocker Sparkasse eingeschlagen, kurze Minirandale. Die zahlreichen Pressefotografen und Filmer stürzten sich sofort auf diese Szenen, schließlich wollte jeder der erste sein, welcher gut in Szene gesetzte Krawallbilder präsentierten konnte. Es ging dann weiter Richtung Stadthafen, außer einiger weniger Scharmützel blieb es aber ruhig, eine Deutschlandflagge wurde unter „Nie wieder Deutschland“ Rufen entwendet, Leuchtspurmunition flog hier und da durch die Luft, mehr aber nicht. Leider war hier festzustellen, dass die Ketten bereits große Lücken aufwiesen, gleichwohl es hier kaum Polizei gab sollte zukünftig besser aufgepasst werden, ein Überbegriff der Polizei, auch durch Zivilbeamte kann zu jeder Zeit stattfinden. Am Stadthafen angekommen löste sich der Block bereits teilweise auf, doch plötzlich flogen Steine auf ein am Rand geparktes Polizeifahrzeug, dieses wurde komplett entglast und weiter beworfen bis die Fahrer sich zur Flucht entschieden. Hierzu wurde bereits viel geschrieben und gesagt, auch dieser Bericht schließt sich der Annahme an, dass es sich dabei um eine Art Startsignal für die folgenden Szenen handelte. Die Polizei zog nun erste starke Kräfte an den Rändern des Stadthafens zusammen, diese lieferten sich kurze Zeit später Straßenschlachten mit den Demonstranten. Dabei drangen die Beamten in die Demo ein und stoppten erst vor dem LKW der IL, welche die Beamten zum Rückzug aufforderte. Mit teilweise heftiger Militanz von Hunderten Menschen gelang es immer wieder dass sich die Polizei zurückziehen musste. Die Gewalt schaukelte sich nun immer weiter hoch, Steine und Flaschen flogen, die Polizei reagierte mit Verfolgungsjagden, Pfefferspray und Schlagstock, dabei reagierte sie wahllos und willkürlich, aber stets besonders brutal. Anzumerken ist hier dass während der Ausschreitungen a) die Kundgebung weiter lief und b) große Teile der Demonstranten erst am Stadthafen eintrafen. So konnte man beobachten wie die Polizei einen eher altkommnistisch geprägten Block bedrängte, dessen Teilnehmer erhoben dann die Hände und drangen die Polizei entschlossen, aber friedlich zurück. In der Parallelstraße fand bereits die nächste Straßenschlacht statt, das erste Auto wurde auf die Fahrbahn geworfen und weitere Barrikaden erbaut, es ergab sich immer wieder dasselbe Bild, Beamte rannten auf die Demonstranten zu, diese warfen Steine und Flaschen, es war ein ständiges Hin und Her, wobei sowohl zahlreiche Polizisten, als auch Demonstranten z.T.erheblich verletzt wurden. Besonders interessant war die Reaktion der „anderen“ Demonstranten, diese reichten von Solidaritätsbekundungen über einfache Kritik und Proteste bis hin zu nicht tolerierbaren Versuchen militante Demonstranten zu denunzieren oder gar festzuhalten. Dabei hörte man Rufe wie „Links und Rechts alles das Gleiche, alles Kriminelle“. Als jedoch die Polizei selbst auf das Gelände der Kundgebung drängte mehrten sich die „Haut ab“ Rufe und deutliche Proteste gegen die Polizei. Dieser hingegen schien es endgültig zu reichen, immer brutaler agierte diese und sperrte zunehmend das Gelände ab. Immer mehr hermetisch ausgerüstete Polizei, darunter auch viele BFE (Beweißsicherungs- und Festnahmeeinheit) Einheiten zogen auf. Am nördlichen Rand der Kundgebung, also direkt hinter der Hauptbühne standen mehrere Wasserwerfer und Räumpanzer. Hier wurde man bereits daran gehindert wieder auf das Kundgebungsgelände zu gelangen, was jedoch über Umwege stets gelang. Gegen 15.30 -16.00 Uhr schien sich die Lage zunächst zu beruhigen, Demonstranten, Polizei und Presse ruhten sich aus, dabei ging es der Polizei aber auch weiterhin darum das Gelände der Versammlung immer weiter abzusperren und zu umzingeln. Was im weiteren Verlauf geschehen ist kann hier nicht mehr in den subjektiven Bericht einfließen, laut verschiedenen Quellen kam es in den frühen Abendstunden jedoch zu weiteren gewaltsamen Szenen, dabei räumte die Polizei teilweise das Gelände, dabei setzte diese Tränengas, Schlagstöcke und auch Pfefferspray ein. In der Presse wird von rund 400 verletzten Polizisten gesprochen, etwa 500 Verletzte auf Seiten der Demonstranten und bis zu 120 Fest- bzw.Ingewahrsamnahmen.
Soviel zu dem Geschehenen, was aber bleibt nach Rostock bzw. diesem 2.Juni? Zunächst die positiven Sachen: Mehrere Zehntausend Menschen haben ein Zeichen gegen die Politik der G8 gesetzt, dabei kann man sich aber bei weiten nicht mit allen solidarisieren, so fällt doch die, allzu oft gesehene symbolische und personifizierte Kaptalismuskritik und auch der Wunsch nach einem Zurückfallen hinter den Kapitalismus, zurück in die Barbarei. Aber die Größe der linksradikalen Teile der Demo kann man auch als eine klare Absage an die Kapitalismusreformer, Sozialstaatsromantiker und Nationliebhaber verstehen und hierin steckt schließlich auch der positive Resonanzboden. Gut war auch dass es sich um eine sehr bunte, internationale und vielfältige Demonstration handelte, es waren viele Aktions- und Agitationsformen vorhanden, von den Sambatrommlern, über die Clowns Army bis hin zu den „schwarzen Blöcken“. Größtenteils konnte man auch eine hohe Solidarisierung erfahren, verletzte Demonstranten fanden schnell einen Sanitäter, entschlossene Ketten stärkten das Auftreten gegenüber der Polizei. Die militanten Angriffe auf die Polizei sind in erster Linie nicht als Konsequenz des gestrigen Tages zu werten, sondern viel mehr als Folge der Repressionen, vor allem dem Vorgehen unter §129a, der skandalösen Polizeischikane während der ASEM Demo in Hamburg und der ständigen Polizeigewalt auf der ganzen Welt. Symbolisch sei hier nur die bayerische Sondereinheit USK zu erwähnen, gilt bei ihnen doch stets eine niedrige Einschreitschwelle und zeigen diese allzu oft was sie von linken Demonstranten halten. Am 2.Juni mussten sie dann erfahren was Gegenwehr bedeutet. Man kann schließlich von Steinen auf Polizisten halten was man will, als Pazifist oder sonstiger der Gewalt gegenüber kritischer bis ablehnender Mensch muss man anhand der Szenen schockiert reagieren. Es gilt aber auch darüber nachzudenken, dass stets nur ein Zusammenwirken der friedlichen und militanten Proteste Erfolge gegenüber einer gewaltbereiten und martialisch aufgerüsteten Polizei möglich machen. Denkt man nur an die Proteste der französischen Studenten und der Solidarität aus der Gesellschaft so ist es eben genau diese Mischung gewesen, welche das umstrittene Gesetz zur Abschaffung des Kündigungsschutzes verhinderte. Beispiele ließen sich weltweit nennen, es fragt sich aber wieso es Teilen der den „Frieden auf der Straße“ liebenden Bewegung stets darum geht sich von allen anderen, (außer ihren eigenen) Protestformen zu distanzieren? Prügelnde Polizei ist nicht auf Steine-schmeißende Demonstranten zurückzuführen, diese braucht an sich keinen Anlass um brutal gegen unliebsame Demonstranten vorzugehen. Dutzende Demos alleine aus diesem Jahr ließen sich hier als Belege nennen. Menschen die versuchen „Autonome“ zu denunzieren oder gar festzuhalten und damit der Polizeipression zu zuarbeiten müssen künftig aus linken Veranstaltungen ausgeschlossen werden, gerade die friedlichen Demonstranten sollten sich davon distanzieren. Es geht nicht darum Gewalt schön zu finden, es geht aber darum, dass in einer Welt in der Gewalt wegen dem gesellschaftlichen Verhältnis Namens Kapitalismus alltäglich ist und weltweit Menschen durch diese sterben, aufgehört werden sollte in diese unglaubliche Naivität zu verfallen, alleine friedliche Proteste würden mit der alltäglichen Gewalt brechen.
Das Negative lässt sich größtenteils an das eben erwähnte anschließen. Es geht aber auch wieder um die Militanzdebatte. Gleichwohl militante Proteste ihren Sinn haben, muss man eben diesen absprechen wenn, z.B. auf Grund von Polizeiangriffen, notwendige Gegenwehr in sinnlose Randale und Gewaltszenen umschlagen. Das Abbrennen und Entglasen von am Rand geparkten Autos oder aber die Zerstörung von Schaufenstern gehören in diese Kategorie. Es muss hier die Frage nach dem Warum gestattet sein. Im Übrigen sei noch erwähnt dass das Entglasen einer Sparkasse keineswegs eine emanzipatorische Kapitalismuskritik sein kann, es handelt sich viel eher um eine reaktionäre Sichtweise einer Welt in der Reichtum = Schlecht und Armut = Gut gilt, statt Luxus für alle, gilt hierbei Verbleib im Elend. Weiterhin negativ aufgefallen sind viele ihr Ziel verfehlende Steine und andere Wurfgeschosse, diese trafen des öfteren Demonstranten und verletzten diese. Das Werfen aus den hinteren, während sich in den vorderen Reihen Demonstranten befinden, ist doppelt fatal: a) Die Gefahr ist groß eigene Leute zu treffen und b) die meist friedlichen Demonstranten (etwa in Ketten und Sitzblockaden) bekommen dann als erstes die brutale Gewalt der Polizei zu spüren. Eine bessere Koordination wäre hier angebracht. Hetzjagden gegen die Polizei und Wurfgeschosse welche diese erheblich verletzen können sind zumindest bedenklich, denkt man jedoch an das Vorgehen vieler Beamter, z.B. durch willkürliches Einsetzen des Schlagstocks oder Misshandlungen in den Gefangensammelstellen, auch irgendwie zu verstehen.
Was bleibt zu sagen? Die Presse hat ihre Bilder bekommen, die nächsten Tage scheinen wohl heiß zu werden und die Bewegung muss sich weiterhin inhaltlich und aktionisisch auseinandersetzen, es wäre zu wünschen dass irgendwann Schluss ist mit symbolischer und personifizierter Kapitalismuskritik, mit linkem Antisemitismus und bürgerlichen Solidariätsbekudungen mit der Polizei, bzw. der Spalterei zwischen „lieben und bösen“ Demonstranten. In diesem Sinne,
Make capitalim history!
Für den Kommunismus.
Autonome Gruppe Leipzig