2007-06-03 

OZ: Die Welt schaut zu

Gestern Schwerin, heute Greifswald, morgen Karlsruhe: Deutschlands Juristen sind sich uneinig darüber, welches Recht sie höher bewerten sollen – das auf Versammlungsfreiheit oder jenes auf körperliche Unversehrtheit. Es hat den Anschein, dass sie sich den „Fall Heiligendamm“ wie ein heißes Eisen, an dem man sich verbrennen kann, im Eiltempo zuwerfen. Jetzt muss das Verfassungsgericht Karlsruhe abschließend entscheiden, ob eine Bannmeile zum G8-Gipfel rund um Heiligendamm rechtswidrig ist oder nicht. Und die ganze Welt schaut zu.

Doch so sehr die gegensätzlichen Entscheidungen der letzten Tage auch verwirren mögen, einen Schluss lassen sie nicht zu: Unsere Justiz könne wankelmütig sein. Denn unabhängig davon, ob sie gerade für oder gegen ein Versammlungsverbot entscheiden: Die Richter benennen stets plausible Gründe. Die Justiz hat in unserem Staat unüberhörbar das letzte Wort – ein gutes Zeichen für den Zustand einer Demokratie. Das sei all jenen ins Stammbuch geschrieben, die nimmermüde Vergleiche mit totalitären Systemen heranziehen.

Eines allerdings ist auch klar: Ein Deutschland, das Proteste von Globalisierungskritikern in Sicht- und Hörweite von Mächtigen toleriert, wirkt in der Welt allemal sympathischer als ein Land, das Demonstrationen verbietet. Erst recht dann, wenn keine 100 Kilometer weiter Neonazis marschieren dürfen.
JÖRG KÖPKE

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