2006-04-10 

10.4.2006 Heiligendamm -- St. Petersburg

- G8 2007: Infotour zieht weiter...
- First call! "Camp Inski" Anti-G8-Camping direkt an der Ostsee:
- Streng geheim! G8-Gipfel in Petersburg

---------------------------------------------------------------------
First call!
"Camp Inski" Anti-G8-Camping direkt an der Ostsee:
Für globale soziale Rechte und ein ganz anderes Ganzes!
4. bis 13. August 2006

Im Sommer 2007 treffen sich im Kempinski Grand Hotel im Ostseebad Heiligendamm bei Rostock die VertreterInnen der wirtschaftlich und militärisch führenden Staaten des Nordens. Aus guten Gründen ist schon viel gegen die G8 geschrieben worden und auch dieser Aufruf kommt nicht umhin, sich für ihre Abschaffung auszusprechen. Schließlich sind sie in einer Welt der Ausbeutung, Armut und Unterdrückung, der Globalisierung des Krieges, des sozialen Angriffs und der Migrationsbekämpfung zentrale Knotenpunkte im institutionellen Apparat der herrschenden Weltordnung.
In der politischen Geographie des Protestes und des Widerstandes sind Gipfel zugleich symbolische Orte eines kollektiven und vielstimmigen, die neoliberale Illusion vom Ende der Geschichte erschütternden - YA BASTA! - "Es reicht!" geworden. Was sich in den Protesten neu entwickelte war die gemeinsame Fähigkeit, sich das Ganze als etwas vorzustellen, das ganz anders sein könnte, und das global.

words...
Die Gipfelproteste in den 1990ern, im neuen Jahrtausend in Prag, Göteborg und Genua bis hin zu den Protesten in Gleneagles und St. Petersburg stehen für vielschichtige jüngere Bewegungserfahrungen im alten Themenfeld des Internationalismus. Wenn wir in unserer Mobilisierung an eine Analyse vorangegangener Kämpfe anknüpfen wollen, so lohnt es sich, in unserem sympathischen aktionsorientierten Milieu auch mal Denkpausen als bewusste Zwischenetappe einzulegen. Gefragt sind theoretische Überlegungen, die versuchen, die neoliberale Umstrukturierung der Welt zu erfassen, genauso wie der neugierige Austausch über Widerstandspraxen, die sich lokal und global entwickeln.

Schon bei den Protesten in Gleneagles, beim BUKO in Hamburg, bei mehreren Treffen der linksradikalen Netzwerke �Dissent!' und �Interventionistische Linke' und zuletzt bei der breit besuchten Aktionskonferenz in Rostock ist deutlich geworden, dass BasisaktivistInnen aus so unterschiedlichen Milieus wie der gewerkschaftlichen Linken, antirassistischen Initiativen, der Graswurzel-Bewegung, Flüchtlingsselbstorganisierungen, Leute bei attac und aus der autonomen Linken schon aus den Startlöchern für eine Mobilisierung für das Jahr 2007 heraus sind. Und AktivistInnen aus unterschiedlichen Zusammenhängen aus ganz Europa fragen jetzt schon nach, wie es um die Gipfelmobilisierung in Deutschland steht, um eine inhaltliche und praktische Kontinuität der Proteste zu gewährleisten.

In allen diesen Spektren möchten wir für die Idee eines Camps schon in diesem Jahr werben. Wir wollen kein ausschließendes Spektrumlabel für das Camp, denn der Kampf um globale Rechte ist nur als Kampf und Auseinandersetzung um unterschiedliche Gesellschafts- und Emanzipationsvorstellungen denkbar. Stattdessen halten wir es für entscheidend, politische Formen zu finden, in denen Positionen formuliert und Konflikte offen und öffentlich ausgetragen werden können.

Das Camp 2006 soll ein solcher Ort der Begegnung, des Austausches und selbstverständlich auch des Streites unterschiedlicher Spektren der heterogenen Bewegungslinken werden. Wir wollen den verschiedenen europäischen und internationalen Konzepten von Bewegung, Protest und Widerstand nachspüren, um "Unterschiede zu erkennen und Ähnlichkeiten anzuerkennen." Natürlich mit dem Ziel, die Energie und die Erfahrungen aus dem Gipfel 2006 in St. Petersburg aufzugreifen und bis zum Sommer 2007 einen breiten, entschlossenen und wirkungsvollen internationalen Widerstand zu organisieren.

... and action
Neben gutem Leben an der schönen Ostsee (in anstrengender Selbstorganisation) mit ausreichend Raum für Diskussionen und Veranstaltungen, Workshops und AG's wird Camp Inski, das Anti-G8-Camp an der Ostsee, selbstverständlich mit Protesten und - wo es angebracht ist - auch mit sozialem Ungehorsam in Aktion treten und in der Region Präsenz zeigen:

* Unter dem Motto "Das globale Lagersystem lokal bekämpfen" wollen wir an die Erfahrungen der no-lager-kampagne in Mecklenburg-Vorpommern anknüpfen. Lager für Flüchtlinge und MigrantInnen, diese Orte, die auf keiner Landkarte eingezeichnet sind, lassen sich mittlerweile überall in Europa finden. Sie produzieren eine Hierarchisierung von Rechten und sind damit zentraler Bestandteil eines globalen Ausgrenzungssystems. Wir hingegen sagen: Die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, ist ein Recht, welches es global zu teilen gilt!

* "Hanse Sail Rostock 2006 - 10. bis 13. August - dieses Datum hat sich die Marine im Kalender besonders dick unterstrichen. Auf dieser maritimen Großveranstaltung feiert die Marine ihr 50-jähriges Jubiläum. Daher wird es in diesem Jahr ein Aufgebot der ganz besonderen Art geben." (www.hansesail.com) Erwartet wird auch die im Rahmen von "enduring freedom" im "Anti-Terroreinsatz" erfahrene Fregatte MECKLENBURG-VORPOMMERN sowie Marineeinheiten anderer Länder. Lasst uns gemeinsam antesten, wie viel antimilitaristischen Widerspruch die verspielte "volksnahe" Zurschaustellung globalisierter Kriegsbereitschaft der Industrienationen Rostock aushält!

*Der Flughafen in Rostock/Laage wird sowohl von der zivilen Luftfahrt als auch militärisch von der Bundeswehr genutzt und spielt somit auch eine zentrale Rolle für die NATO. Von hier aus starten die Eurofighter, die ab Sommer 2006 auf dem sogenannten Bombodrom-Gelände nahe dem brandenburgischen Wittstock den kombinierten Einsatz von Luft- und Bodentruppen üben wollen. Rostock/Laage bietet als ein Ort der Modernisierung der weltweiten NATO-Kriegsführung reichlich theoretische und praktische Ansatzpunkte für das Camp Inski.

* Im September finden in Mecklenburg-Vorpommern Landtagswahlen statt. Die NPD rechnet sich gute Chancen aus, in den neuen Landtag einzuziehen. Ein inhaltlicher Schwerpunkt ist der Kampf gegen die "Globalisierung". Das Angebot der extremen Rechten heißt Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus. Ein Grund von vielen, dass wir uns auch in den NPD-Wahlkampf einmischen.

Migration, Antifaschismus und der Widerstand gegen Militarismus und Krieg sind nur einige Themen, die beim Camp Inski 2006 eine Rolle spielen werden. Doch wir wollen mehr, denn die neoliberale Umstrukturierung der Welt ist vielfältig - unser Widerstand und unsere Widerstandsformen auch. Daher rufen wir international auf, sich aktiv mit Workshops, Aktionen und Diskussionen am Camp Inski zu beteiligen.

Organisiert Euch - Bringt Euch ein - Für ein ganz anderes Ganzes!

Kontakt: www.camp06.dissentnetzwerk.org
Mailingliste: camp2006@lists.so36.net
Campgruppe: info@camp06.dissentnetzwerk.org oder camp06@riseup.net
Kontakt für das Kulturprogramm: kultur@camp06.dissentnetzwerk.org
Post: Camp Inski, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin

v.i.S.d.P.: S. Kemper, Mariannenplatz 2, 10997 Berlin

---------------------------------------------------------------------
G8 2007: Infotour zieht weiter...

Immer noch gibt es viele Anfragen für Mobilisierungsveranstaltungen zum G8 2007. Inzwischen hat es in über 30 Städten Veranstaltungen gegeben, darunter auch Schweiz, Holland, Polen. Nun plant die Infotour-AG von "dissent!" auch Touren in anderen Ländern. Im Mai gibt es Veranstaltungen auf dem ESF in Athen und den Autonomous Spaces. Außerdem sind wir in Prag, Tabor und Brno in Tschechien. Eine Tour durch Skandinavien ist in Planung, eine durch Italien noch vor der Sommerpause wahrscheinlich. Zudem wollen polnische Strukturen der Anarchistischen Föderation FA weitere Veranstaltungen in Polen organisieren. Im Juni gibt es 2 große Rundreisen durch ein Dutzend Städte in Bayern. Ebenfalls noch offen sind viele Städte im Westen und der Mitte Deutschlands; dort werden wir wohl Ende Mai/ Anfang Juni präsent sein.

Quantität...

Die Veranstaltungen sind in der Regel gut besucht. Natürlich hängt dies davon ab wieviel Werbung die veranstaltenden Gruppen vor Ort machen können. Trotzdem läßt sich festhalten, dass das Thema viele Menschen interessiert. Im Schnitt kommen über 30 Leute pro Veranstaltung (die kleinste mit 20, die größte mit 130). Somit haben wir bisher mindestens 1.000 mit Infos zum G8 2007 erreichen können.

... und Qualität

Die Diskussionen drehen sich oft um ähnliche Punkte (siehe hierzu auch unsere letzten beiden Berichte). Viele interessieren sich für das Camp 2006. Andere wollen wissen wo blockiert werden kann. Kontrovers sind manchmal Fragen über die Sinnhaftigkeit von Mobilisierungen zur "Roten Zone"; ob es nicht besser sei dezentrale Aktionen zu machen.
Unklar ist die von der Antifa Weißensee für den 1. Juli geplante bundesweite Demo in Berlin, hier werden mehr Infos gewünscht.
In Lüneburg drehte sich das Gespräch kurz darum, welche Anknüpfungspunkte es zwischen Anti-Atom-Widerstand und G8-Mobilisierung geben kann: Politischer Art (Atomkraft wird auf dem G8 2006 gepusht werden), aber auch Organisation des Protests (ländliche Gegend, Transport der AktivistInnen, Blockaden etc.). Eine Anregung war, dass die lokale Bevölkerung rund um Heiligendamm unbedingt in die Vorbereitung einbezogen werden muß. Dazu müssen nachvollziehbare Verbindungen zwischen lokaler, nationaler und internationaler Politik hergestellt werden.
Dieses "Herunterbrechen" und Vereinfachen ist allerdings oft problematisch, denn dies tun auch rechte und konservative Gruppen. Auch dies ist immer wieder Gegenstand von Nachfragen auf den Veranstaltungen. Soweit wir wissen gibt es in Mecklenburg-Vorpommern noch keine rechten Aktivitäten zum Thema Kapitalismus und Globalisierung (obwohl dies, spätestens nach dem etwaigen Einzug der NPD in den Landtag am 17. September, wahrscheinlich ist). Allerdings z.B. in Thüringen. Dort gab es eine "antikapitalistische Demonstration" gegen Globalisierung. Mehr dazu ist auf der rechten Webseite antikap.de zu lesen. Es ist geplant, weitere Demonstrationen im Ostharz zu machen. Wünschenswert wäre, wenn sich Antifa-Strukturen dieser Nazi-Mobilisierung annehmen würden - unbedingt auch inhaltlich!

3 Säulen - plus x

Die Infotour besteht aus 3 Säulen. Zum einen machen wir "klassische" Mobilisierungsveranstaltungen, die über den G8 2007 informieren: Was ist der G8? Wie verliefen Gipfelproteste in den letzten Jahren? Wo werden die Delegiertentreffen stattfinden, wo übernachten die Teilnehmer? Wir thematisieren lokalpolitische Auseinandersetzungen in Heiligendamm, erklären die Politik der Fundus-Gruppe und des Kempinski-Hotels, zeigen die geografische Lage, einige Karten, blockaderelevante Orte, stellen Mutmaßungen über die "Rote Zone" an. Die Veranstaltung beenden wir mit einem fundierten Überblick über die Mobilisierungen und Vorbereitungen der unterschiedlichen Spektren. Auf Wunsch zeigen wir im Anschluß Filme vergangener Gipfelproteste: Genua, Prag und Gleneagles.
Über die Infoveranstaltungen hinaus gibt es eine zweite Säule, das Quiz. Das Quiz zum G8 kann im Rahmen gemütlicher Kneipenabende, aber auch Camps etc. stattfinden. Durch das Quiz werden Fragen zur Geschichte und Politik der G8 vertieft. Hier gibt es, anders als bei den Infoveranstaltungen, viel mehr Zeit zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Die dritte Säule sind Seminare und Workshops zu verschiedenen Themen rund um G8. Dieses Angebot richtet sich z.B. an linke Jugendzentren und Camps, aber auch an Schulen möchten wir damit präsent sein. In gewisser Weise könnten die Planungen für Touren durch andere Länder als vierte Säule interpretiert werden: Der Aufbau verbindlicher internationaler Kontakte zum G8 2007.

St. Petersburg

Verglichen mit der Mobilisierung zum G8 2007 ist die Bewegung zum Gipfel 2006 in St. Petersburg (noch) gering. Dies wird von einigen AktivistInnen auch problematisiert. Weil die Strukturen zu 2006 wenig Kapazitäten für eigene Infoveranstaltungen haben, werden wir diesen Punkt stärker in unsere Veranstaltungen integrieren. Ein Defizit ist hier allerdings dass die meisten von uns nicht in die unmittelbare Mobilisierung zu 2006 eingebunden sind und daher nur Infos aus "zweiter Hand" haben.

"Copy me - I want to travel!"

Die Infotour ist als Schneballsystem konzipiert. Alle Texte, Materialien, Filme sind auf unseren Webseiten zum Download vorhanden. Unser Ziel ist, Gruppen (und Einzelpersonen) vor Ort zu befähigen, eigene Veranstaltungen zu machen. Es gibt auch ein Skript der Veranstaltung als Vorschlag. Wenn Gruppen die Veranstaltung anders als von uns angeboten konzipieren wollen, helfen wir dabei gern.

Die nächsten Veranstaltungstermine der Mobilisierungsveranstaltungen:

19. April: Berlin, K9 (zusammen mit Brandenburger Flüchtlingsini F.I.B.)
28. April: Wismar
4. - 7. Mai: Athen, ESF und Autonomous Spaces/ Autonomous Playgrounds
20. Mai: Prag, Utopia
25. Mai: Tabor, CZ; CESTA Theatre
27. Mai: Brno, CZ, ProtestFest
26. April: Halle, Melanchthonianum am Uniplatz

Nächster Termin für das Quiz:
16. April: Berlin, Autoorg-Tage

Kontakt für Infoveranstaltungen: infotour [at] gipfelsoli.org
Infos und Material:
www.gipfelsoli.org
http://dissentnetwork.org/wiki/index.php?title=Infotour

Die AG ist mittwochs und donnerstags zwischen 14.00 und 17.00 Uhr telefonisch erreichbar unter
030/ 4098 5406
0176/ 6207 8158

---------------------------------------------------------------------
Streng geheim! G8-Gipfel in Petersburg
St. Petersburg. Die Stadt putzt sich heraus, Obdachlose werden gezählt, die Jugend übt sich in der großen Politik - Petersburg bereitet sich auf den G8-Gipfel vor, der hier im Juli über die Bühne gehen wird.

Es sind noch genau 100 Tage hin, bis sich die Regierungschefs aus Russland, Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada, den USA, Frankreich und Japan vom 15. bis 18. Juli in St. Petersburg versammeln werden. Die Stadt rüstet sich emsig für dieses internationale Großereignis.
Der Winterschmutz muss weg!

Im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt und der ganze Winterdreck zum Vorschein kommt, gibt es an der Newa traditionell einen "Monatseinsatz zur Stadtsäuberung und -verschönerung". Angesichts der anstehenden Flut von internationalen Gästen wurde bereits beschlossen, die Säuberungsfrist in diesem Jahr zu verdoppeln.

Auch den Fassaden an Petersburgs Hauptstraßen geht es mit frischer Farbe an den Leib. Von den Reparaturen an den Straßen rund um den Konstantin-Palast ganz zu schweigen. Der Newski Prospekt bekommt 80 verdeckte Videokameras verpasst, mit denen die Sicherheit auf Petersburgs Glanzmeile gewährleistet werden soll.
Vorbereitung in aller Stille

Die Videoüberwachung auf dem Newski ist ein Pilotprojekt. Wenn es die Erwartungen erfüllt, bleibt es über den G8-Gipfel hinaus in Betrieb und wird auf weitere zentrale Straßen der Stadt ausgeweitet.

Ansonsten sickert nicht allzu viel Information über die Vorbereitung auf den Gipfel durch. Nach Informationen der "Iswestija" hat Moskau die Petersburger Sicherheitsbehörden angewiesen, die Presse so wenig wie möglich zu informieren. Sicher ist sicher, denn die Antiglobalistenbewegung schläft nicht und heckt bereits jetzt Störaktionen aus.
Obdachlose werden registriert

Ganz sicher kein Zufall ist das gesteigerte Interesse der Miliz an den Petersburger Obdachlosen. Seit geraumer Zeit registrieren sie diese Bevölkerungskategorie, machen Fotos und nehmen Fingerabdrücke. Obwohl heftig dementiert, kann das nur eins heißen - die "Penner" sollen im Juli aus der Stadt geschafft werden.

Ähnliche Maßnahmen waren während der 300-Jahrfeier im Mai 2003 ergriffen worden. Die Obdachlosen sollten mit ihrem unappetitlichen Äußeren die schöne Feier nicht trüben und wurden mehr oder weniger vehement dazu veranlasst, während der Feiern durch Abwesenheit zu glänzen.

[http://www.aktuell.ru/russland/politik/streng_geheim_g8_gipfel_in_petersburg_3086.html]