2007-06-03
Manager Magazin: Schwerverletzte bei Straßenschlacht in Rostock
Bei der Großdemonstration gegen den G-8-Gipfel ist es in Rostock zu brutalen Auseinandersetzungen gekommen. Am Hafen lieferten sich Tausende vermummte Autonome stundenlang Hetzjagden mit der Polizei. Hunderte erlitten zum Teil schwere Verletzungen. Schließlich wurden Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt.
Rostock - Schwarze Rauchschwaden zogen über das Hafenviertel in Rostock, als die Autonomen ein Auto in Brand setzten. Scheiben von Banken, Läden und Autos wurden eingeworfen. Die militanten G-8-Gegner bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinbrocken, Feuerwerkskörpern und Flaschen. Ein massives Polizeiaufgebot ging mit Schlagstöcken, Wasserwerfern, Tränen- und Reizgas gegen die Vermummten vor und führte etliche ab.
Über die Zahl der verletzten Kundgebungsteilnehmer lagen zunächst keine Angaben vor, einige von ihnen sollen aber schwere Verletzungen davongetragen haben. Bis zum Abend waren nach Polizeiangaben rund hundert Beamte verletzt worden. Elf Beamte mussten in Kliniken gebracht werden. Drei der Polizisten hätten sehr schwere Verletzungen wie offene Knochenbrüche davongetragen, sagte ein Polizeisprecher.
Schlangen vor den Sanitätswagen
Nach Berichten von Augenzeugen spielten sich am frühen Abend panikartige Szenen ab. Nach den ersten schweren Zusammenstößen mit vielen Verletzten, rückten Polizeihundertschaften mit mehreren Wasserwerfern auf das Gelände vor. Viele der Demonstranten flüchteten in Panik. Dutzende von ihnen wurden festgenommen. An den Sanitätswagen bildeten sich lange Schlangen von Demonstranten, die meisten litten unter den Folgen von Tränengas. In Hafennähe brannten mehrere Autos.
Ausgelöst wurden die Auseinandersetzungen nach Darstellung der Polizei durch Autonome, die Molotow-Cocktails, Feuerwerkskörper und Steine auf Polizeibeamte warfen. Danach war die Lage eskaliert. An einer mehrspurigen Straße am Stadthafen wurden Autos umgestürzt. Nach rund zweistündigen Auseinandersetzungen beruhigte sich die Situation vorübergehend.
Dann flogen nach Polizeiangaben erneut Steine aus den Reihen der Autonomen und Polizisten wurden eingekesselt. Steine, Feuerwerkskörper, Flaschen und Fahnenstangen wurden den Polizisten entgegengeschleudert, Schaufensterscheiben gingen zu Bruch. Mehrere Demonstranten wurden festgenommen. Die Veranstalter sprachen von insgesamt 80.000 Demonstranten, die Polizei geht von rund 25.000 Protestierern aus.
Angriff von 2000 Demonstranten
Bereits kurz nach Beginn der Demonstration gab es erste Angriffe aus den Reihen von Autonomen auf die Polizei. Mindestens ein Polizist wurde verletzt, als ein Demonstrant ihn mit einem Messer angriff. Farbbeutel, Flaschen und Steine flogen auf Polizisten, auch ein Hotel war Ziel der Attacke, wo dem Vernehmen nach eine Delegation von US-Gesandten wohnen soll.
Am Hafen, wo gegen 16.00 die Abschlusskundgebung startete, kam es dann laut Polizei zu “massiven Angriffen” aus einer Gruppe von insgesamt rund 2000 militanten, schwarz gekleideten und teils vermummten Autonomen. Die Demonstranten seien grundlos auf Polizisten losgegangen, hätten ein Polizeiauto zerstört und mehrere Beamte verletzt, sagte eine Sprecherin. Es spielten sich tumultartige Szenen ab, Rettungsfahrzeuge fuhren heran.
Um Ausschreitungen gewaltbereiter Globalisierungsgegner zu verhindern, war die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort und hatte strenge Sicherheitsauflagen erlassen. Insgesamt sollen bei den Protesten und zum Schutz des G-8-Gipfels vom 6. bis 8. Juni in Heiligendamm 16.000 Polizisten eingesetzt werden. Zahlreiche Polizeihubschrauber waren im Einsatz und kreisten über den Demonstrationszügen. Die Veranstalter hatten bis zu 100.000 Teilnehmer erwartet.
Stundenlange Schlacht
Wenige Meter von den Krawallen entfernt versuchten unter dem Lärm der Polizei-Hubschrauber mehrere zehntausend friedliche Demonstranten, eine Abschlusskundgebung für ihre Proteste gegen das G-8-Treffen abzuhalten. Redner auf der Bühne machten die Polizei für den Gewaltausbruch verantwortlich und warfen den Sicherheitskräften Provokation vor.
In zwei Protestzügen waren die G-8-Kritiker zuvor weitgehend friedlich durch die Stadt gezogen. Die Organisatoren sprachen von etwa 80.000 Demonstranten. Die Polizei dagegen bezifferte die Zahl der Demonstranten mit etwa 25.000. Von ihnen habe sich ein militanter Block mit etwa 2000 Autonomen abgespalten, als die Demonstrationszüge den Kundgebungsplatz am Hafen erreichten.
Die Straßenschlachten begannen am Nachmittag und rissen auch am Abend nicht ab. Friedliche Demonstranten flüchteten aus dem Steinhagel und gingen vor Feuerwerkskörpern in Deckung. Autonome zerschlugen Gehsteigplatten, um sie als Wurfgeschosse einzusetzen. Immer wieder setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Teils zogen die Autonomen auch in Richtung Innenstadt. Dort hatten am Vorabend zahlreiche Ladenbesitzer ihre Geschäfte mit Holzplatten verrammelt. Am Samstagabend wurden weitere Schaufenster mit Holzplatten verriegelt.
Attac: Wollen friedliche Proteste
In Schwerin nahm die Polizei 150 NPD-Gegner fest. Diese hatten gegen eine Kundgebung der rechtsextremen Partei protestieren wollen. Allerdings hatte das Oberverwaltungsgericht Greifswald Freitagnacht sowohl die NPD-Veranstaltung gegen den G-8-Gipfel als auch die linke Gegenkundgebung verboten. In mehreren Städten kam es daraufhin am Samstag zu unangemeldeten Demonstrationen der NPD-Anhänger. In Berlin zogen Rechtsextreme durch das Brandenburger Tor.
Die Organisatoren der Demonstration in Rostock hatten am Morgen erneut betont, dass es eine klare Absprache für einen friedlichen Protest gebe. An der Demonstration sollten alle Menschen ohne Angst teilnehmen können, hatte Werner Rätz von der globalisierungskritischen Organisation Attac gesagt. Er fürchte allerdings, dass die Polizei mit ihrem Vorgehen die Protestierenden dermaßen verärgern könnte, dass sie sich auch zu ungeplanten Aktionen hinreißen ließen.
Verfassungsgericht soll über Bannmeile entscheiden
Rätz hatte damit auf das weitreichende Demonstrationsverbot rund um den G-8-Tagungsort Heiligendamm angespielt. Im Streit über die umstrittene sechs Kilometer breite Bannmeile vor dem Sperrzaun muss wohl das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Ein Sprecher des Bündnisses für eine Kundgebung während des Gipfels kommende Woche sagte, die Beschwerde werde noch ausgearbeitet. Sie werde wohl Sonntag eingereicht.
Kommende Woche kommen in Heiligendamm die Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen (G-8) zusammen. Globalisierungskritiker werfen der Achtergruppe unter anderem vor, mit verantwortlich für ungerechtes Wirtschaftssystem und damit für Armut in der Welt zu sein.
manager-magazin mit Material von dpa, reuters
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