2007-06-02
Der Chef des deutschen Inlandgeheimdienstes, Heinz Fromm, zur Sicherheitslage vor dem G-8-Treffen.
Mit Heinz Fromm* sprach Sascha Buchbinder
Während des G-8-Gipfels in Gleneagles verübten islamistische Terroristen Anschläge in London. Wie gross ist die Gefahr, dass Deutschland Ähnliches bevorsteht?
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anschläge in London mit Gleneagles etwas miteinander zu tun hatten. Richtig ist aber, dass der islamistische Terrorismus die mit Abstand grösste Bedrohung der Sicherheit in Deutschland ist. Die Sprengsätze, die im Juli 2006 in deutschen Zügen sichergestellt wurden, haben das sehr deutlich gemacht. Die Gefahr ist seither nicht geringer geworden.
Vor einem Jahr war von 250 000 Demonstranten gegen den G-8-Gipfel die Rede. Jetzt ist aus Sicherheitskreisen zu hören, es kämen nur 50 000 Demonstranten. Haben die Gegner ein Mobilisierungsproblem?
Die Antiglobalisierungsbewegung hat offenbar nicht mehr dieselbe Anziehungskraft wie noch vor einigen Jahren. Auch hat es im Vorfeld des aktuellen Gipfels Probleme gegeben, die unterschiedlichen Gruppierungen zusammenzubringen. Eine genaue Zahl zu nennen, ist mir nicht möglich, zumal sich der Verfassungsschutz nur mit solchen Gruppen befasst, die als extremistisch einzuschätzen sind.
Was wissen Sie denn über den Anteil gewaltbereiter Demonstranten?
Es ist mit einer erheblichen Zahl von gewaltbereiten Teilnehmern zu rechnen. Aber es ist sehr schwierig, genaue Zahlen zu nennen. Das liegt auch daran, dass Gewaltbereitschaft nicht selten aus der Situation heraus entsteht. Allerdings - und darauf konzentrieren wir uns - gibt es eine ganze Reihe von Gruppierungen, die mit der Absicht anreisen, ihren Protest auch mit Gewaltaktionen vorzubringen.
Versammlungsverbote und Geruchsproben, Demonstrationen im Niemandsland und durchleuchtete Briefe: Provoziert der Staat eine Radikalisierung der G-8-Gegner?
Man hat versucht, die in letzter Zeit durchgeführten Massnahmen für Mobilisierungszwecke zu nutzen - das ist nicht überraschend. Der Erregungspegel in der Szene ist gestiegen. Ob dadurch das Protestpotenzial erhöht worden ist, scheint mir eher zweifelhaft.
Die Bundesanwaltschaft spricht von einer neuen terroristischen Bedrohung und ordnete unmittelbar vor dem Gipfel bundesweit 40 Razzien an. War das wirklich nötig?
Das Ermittlungsverfahren ist Sache der Bundesanwaltschaft. Dazu äussere ich mich nicht.
Die heimliche Onlinedurchsuchung privater Computer hat zu einer Diskussion darüber geführt, wer eigentlich die Verfassung vor den Verfassungsschützern schützt.
Unsere Aufgabe ist es, Aktivitäten zu überwachen, die gegen unsere Verfassungsordnung gerichtet sind. Die Nutzung des Internets nicht nur als Propagandainstrument, sondern auch als Kommunikationsmittel nimmt weiter zu. Diese Entwicklung können wir nicht ignorieren.
Im Parlament stösst das geplante Gesetz für Onlinedurchsuchungen auf Widerstand.
Wir brauchen dieses Instrument, weil wir sonst mit der technischen Entwicklung nicht Schritt halten [können.]
Im Gegensatz zu den Strafverfolgern hat der Inlandgeheimdienst bereits Onlinedurchsuchungen durchgeführt. Ist das Instrument wirklich so viel versprechend?
Ja.
* Heinz Fromm (59) ist Präsident des deutschen Bundesamts für Verfassungsschutz.
http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/ausland/757581.html