2007-05-06 

Utrecht/ NL: 4 Personen weiterhin in Haft nach Festnahme von 100 FahrraddemonstrantInnen

Offensichtlich im Vorfeld geplante Aktion der Polizei

Presseerklärung des Fahrradkarawanen Infobüros in Rostock

100 TeilnehmerInnen einer friedlichen Fahrraddemonstration im Rahmen der Fahrradkarawanen gegen den G8-Gipfel wurden gestern in Utrecht in einer geplanten und gewaltsamen Polizeiaktion festgenommen, weil sie nicht auf dem Fahrradweg gefahren seien. Bis tief in die Nacht wurden sie unter widrigen Bedingungen – überbelegte Zellen, keine Verpflegung – festgehalten, ihre Fahrräder beschlagnahmt. Bis heute sitzen weiterhin vier Personen in Haft, davon wird eine mit Abschiebung bedroht und eine soll weitere zwei Wochen festgehalten werden.
Das Karawane-Infobüro protestiert gegen diese Kriminalisierung von Protestaktionen im Vorfeld des G8 Gipfels in Heiligendamm und ruft zu Solidaritätsaktionen auf “bis alle draussen sind”.

Eine Person befindet sich in sogenannter Ausländerhaft und wird mit Abschiebung bedroht, eine weitere wollen die Behörden wegen einer unbezahlten Geldstrafe zwei Wochen in Haft behalten.

Bisher hatten die vier verbliebenen Festgenommenen keinen Anwaltkontakt und ihr Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

Ein weiterer Karawaneteilnehmer wurde freigelassen, erhielt aber seinen Ausweis nicht zurück, der von der Ausländerpolizei beschlagnahmt wurde. Zur Zeit finden Vorbereitungen für Solidaritätsaktivitäten statt.

HINTERGRUND:

Nach der Festnahme einer kompletten Fahrraddemonstration gegen den bevorstehenden G8 Gipfel mit rund 100 TeilnehmerInnen in Utrecht befinden sich vier Personen weiterhin in Haft, darunter mindestens zwei Mitglieder der Fahrradkarawane “Gr8chaoskaravaan”.

Die Karawane und einige UnterstützerInnen befanden sich am frühen Samstag Nachmittag auf dem Weg aus der Stadt als die Polizei sie mit gezogenen Schlagstöcken einkesselte und unter dem Vorwand, sie seien nicht auf dem Fahrradweg gefahren und würden den Straßenverkehr behindern, festnahm. Der Polizeiübergriff ereignete sich ohne Vorankündigung und sehr schnell, wobei u.a. ein mobiles Sonderkommando zum Einsatz kam .

Die Karawane geht aufgrund der guten Vorbereitung und der Anzahl der anwesenden Polizeikräfte von einer eindeutig im Vorfeld geplanten Aktion aus.

“Dieser Einsatz und auch die Gewalttätigkeit, mit der die Polizei gegen die friedliche Fahrraddemonstration vorging, sind für niederländische Verhältnisse vollkommen untypisch” erklärt Antje, eine Teilnehmerin der Karawane. “Wir finden keine andere plausible Erklärung dafür, als daß auf diese Weise versucht werden soll, den Protest gegen den G8-Gipfel schon im Vorfeld zu kriminalisieren und einzuschüchtern.”

Die DemonstrantInnen waren bis spät in die Nacht in überbelegten Zellen bei geringer Sauerstoffzufuhr und ohne Essen festgehalten worden. Ihre Fahrräder waren beschlagnahmt und abtransportiert, die Schlösser aufgebrochen und die Räder selbst zum Teil beschädigt worden, ein Großteil konnte aber heute wieder abgeholt werden. Die Festgenommen erhielten ANzeige wegen “Schweren Eingriffs in den Straßenverkehr” und wurden während der Haft schlecht behandelt, mehrere Personen berichteten, wie Poliezeibeamte ihnen gedroht hätten “das heute war noch tolerant, aber wenn ihr morgen an der Aktion teilnehmt, werdet ihr uns richtig kennenlernen.” Gemeint war eine antirassitische Besichtigung des Abschiebelagers in Zeist, an der die Karawane heute teilnehmen sollte. Die AktivistInnen haben sich jedoch nicht einschüchtern lassen – obgleich viele nach der Nacht im Gefängnis zu erschöpft waren, hat sich eine kleine Abordnung zum Abschiebelager begeben.

Derweil finden in Utrecht und anderen Städten Vorbereitungen für Solidaritätsaktionen statt. AktivistInnen hatten bereits gestern zu internationlen Solidaritätsaktionen aufgerufen. “Die Grenze für Festnahmen wird immer fadenscheiniger, der ganze Vorgang zeigt, daß jeglicher Protest gegen den G8 Gipfel unerwünscht ist und bereits im Vorfeld kriminalisiert werden soll. Das ist ein massiver Grundrechtseingriff, den wir nicht hinnehmen werden. Wir haben zu Solidaritätsaktionen aufgerufen, bis alle Gefangenen frei sind und ihre Fahrräder zurückgegeben wurden” sagt Andree Narres vom Infobüro der Fahrradkarawanen.

Die Fahrradkarawane wollte später eigentlich in Nimwegen eintreffen, wo heute der Auftakt der lokalen Aktionstage gegen den G8-Gipfel stattfindet. Nun wird wohl zumindest ein Teil der Karawane in Utrecht bleiben, bis sich die Situation der inhaftierten Karawanemitglieder klärt. Andree Narres: “Die Behörden lassen anscheinend nichts unversucht, um den Zeitplan der Karawane zu stören. Es gibt außerdem die Befürchtung, daß der Karawane durch diese Kriminalisierung die Einreise nach Deutschland erschwert werden soll. Ein absurdes Szenario: Einreiseverbot wegen Radfahren abseits der Fahrradwege!” meint Andree Narres.

Deutschland will im Vorfeld des G8 Gipfels das Schengener Abkommen vorübergehend außer Kraft setzen um die Einreise von DemonstrantInnen zu be- und verhindern.

Insgesamt finden sechs Fahrradkarawanen statt, um im Vorfeld des G8-Gipfels durch Aktionen und Veranstaltungen in verschiedenen europäischen und deutschen Städten auf den Protest zum bevorstehenden G8 Gipfel aufmerksam zu machen und Protestthemen wie Migration, Biotechnologie, Umwelt, Landwirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Bürgerrechte sowie bestehende Kämpfe in diesen Bereichen an die Öffentlichkeit zu bringen.

Informationen über die Gr8chaoskaravaan – westeuropäische Fahrradkarawane gegen den G8-Gipfel:
http://dissentnetzwerk.org/wiki/Bicycle-Caravan_%22West%22

Weitere Berichte über den Verlauf des gestrigen Tages:
http://de.indymedia.org/2007/05/175412.shtml

Informationen über alle Fahrradkarawanen:
http://dissentnetzwerk.org/wiki/Fahrradkarawanen_/_bicycle_caravans


Informationsbüro für alle Karawanen
Karawanen-info-büro
G8-Protestzentrum Ehm-Welk-Schule
Knut Rassmussenstr. 108
18106 Rostock